IS-Terroristen überrennen Ramadi
17. Mai 2015Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) haben offenbar den letzten Armeeposten der westirakischen Stadt Ramadi überrannt. IS-Verbände brachten den südlichen Bezirk Malaab beinahe vollständig unter ihre Kontrolle, bestätigten Sicherheitskreise in Bagdad. Demnach zogen sich irakische Spezialkräfte nach schweren Verlusten aus einem der letzten Bezirke zurück.
Nach erbitterten Kämpfen hatte der Sprecher des Gouverneurs der Provinz Anbar, in der Ramadi liegt, am Freitag mitgeteilt, dass IS-Kämpfer die Kommandozentrale der irakischen Sicherheitskräfte in der Stadt eingenommen und das Hauptquartier der Regierung erobert hätten. Dort hissten sie ihre schwarze Flagge. Am Donnerstag hatten die Dschihadisten mit einer neuen Offensive auf Ramadi begonnen. Laut dem Sprecher sind bei den Kämpfen in den vergangenen zwei Tagen schätzungsweise insgesamt rund 500 Zivilisten und Sicherheitskräfte getötet worden.
Die USA haben eine Einnahme von Ramadi durch die Islamisten in Zweifel gezogen. "Wir prüfen weiterhin die Berichte über heftige Kämpfe in Ramadi. Die Lage bleibt umstritten", erklärte die Sprecherin des US-Verteidigungsministeriums, Maureen Schumann, in Washington. Es sei "zu früh", um eine definitive Stellungnahme zur Lage vor Ort abzugeben.
Militärischer Erfolg trotz Gegenoffensive?
Die Regierung in Bagdad kämpft seit Monaten gegen die IS-Miliz, die im Juni vergangenen Jahres nördlich und westlich von Bagdad eine Offensive gestartet hatte. Ramadi liegt etwa 100 Kilometer westlich von Bagdad und ist die Hauptstadt der Provinz Anbar, der größten irakischen Provinz, eine Region, die lange Grenzen nach Syrien, Jordanien und Saudi-Arabien hat. Der IS kontrolliert dieses große Wüstengebiet weitgehend. Der Fall Ramadis ist dabei ein herber Rückschlag für die Regierungstruppen. Der Konflikt zwischen der Zentralregierung in Bagdad und den sunnitischen Aufständischen trieb nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration inzwischen fast drei Millionen Menschen in die Flucht.
In dschihadistischen Internetforen hieß es, die "Soldaten des Kalifats haben die ganze Stadt Ramadi gesäubert". Dutzende irakische Sicherheitskräfte seien getötet worden und hunderte "Abtrünnige" geflohen. Als Abtrünnige bezeichnet der IS Angehörige sunnitischer Stämme, die mit der Regierung in Bagdad verbündet sind. Die irakische Regierung kündigte an, schiitische Kampfeinheiten gegen die Islamisten einzusetzen.
Der Kampf um Palmyra
In Syrien wurde die IS-Miliz nach blutigen Kämpfen um die antike Oasenstadt Palmyra zurückgeschlagen. Bei erbitterten Gefechten zwischen Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad und der Terrormiliz starben nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zahlreiche Kämpfer beider Seiten. Die US-Armee tötete indes bei einer Kommandoaktion im Nordosten Syriens den Verantwortlichen für die Ölindustrie des IS, einen Tunesier mit dem Kampfnamen Abu Sajjaf.
Die IS-Milizen waren am Wochenende zunächst weiter auf das Zentrum von Palmyra vorgerückt, das von Assad-Truppen gehalten wird. Sie gelangten damit in unmittelbare Nähe des berühmten UNESCO-Weltkulturerbes. Nach Darstellung des regimetreuen Gouverneurs der Provinz Homs, Talal Barasi, drängten die Regierungstruppen den IS aber wieder aus seinen Positionen am Rand von Palmyra und von den umliegenden Hügeln zurück.
Bei den Kämpfen starben mindestens 47 Regierungssoldaten und 29 IS-Milizionäre, wie die Syrische Beobachtungsstelle meldete. Die Organisation, die ihre Berichte aus Informationen von Aktivisten in Syrien schöpft, bestätigte, dass die Regimetruppen die IS-Miliz aus Palmyra zurückgeschlagen haben. Dies sei vor allem dem Einsatz schwerer Artillerie zu verdanken gewesen, hieß es.
Mit dem IS-Vormarsch sehen Beobachter und Experten die gut erhaltene Tempelstätte aus dem ersten Jahrhundert nach Christus als extrem bedroht. Sie gilt als einer der bedeutendsten Komplexe antiker Bauten im Nahen Osten. Berichten zufolge war die Stätte bereits 2012 und 2013 bei Kämpfen beschädigt worden.
Im Nordirak hatten IS-Anhänger im Frühjahr schon einmalige Kulturstätten zerstört, darunter die Ruinen der jahrtausendealten Stadt Nimrud und die Grabungsstätte Ninive. Im Museum von Mossul zertrümmerten sie wertvolle Statuen aus assyrischer Zeit.
pab/gri (dpa, afp, rtr)