Papst Franziskus besucht die Philippinen
15. Januar 2015"Der Herr ist unsere absolute Priorität. In allem was wir tun, hat er stets den Vorrang. Auch dann, wenn jemand in der Familie erkrankt", sagt Dolores Pascual, das Kreuz ihres Rosenkranzes fest in den Händen. Wie jeden Abend sitzt die 72-jährige mit ihrem Mann, ihren Kindern und Enkelkindern um den winzigen Altar in ihrer kleinen Baracke in Tatalon, einem Vorort von Manila. Hier leben die Menschen von Gelegenheitsjobs und Glücksspielen – und von ihrem Glauben. Die Philippinen sind seit der Eroberung durch die Spanier im 16. Jahrhundert die Bastion der katholischen Kirche in Asien. Mehr als 80 Prozent der philippinischen Bevölkerung bekennen sich zum römisch-katholischen Glauben. Der Inselstaat ist neben Osttimor das einzige asiatische Land mit katholischer Bevölkerungsmehrheit. Viele Filipinos sehen den anstehenden Papstbesuch als Segen. "Wir lieben den Papst, denn er bevorzugt die Armen. Das berührt uns sehr", sagt Dolores mit Tränen in den Augen.
Millionen Menschen erwartet, höchste Alarmbereitschaft
Die Reise des argentinischen Pontifex steht unter dem Motto "Gnade und Mitgefühl". Neben der Hauptstadt Manila wird der Papst auch die von Taifun Haiyan 2013 besonders getroffene Stadt Tacloban besuchen. Den fünftägigen Besuch hat die Regierung in Manila zu Feiertagen erklärt. Seit Monaten ist der Papstbesuch das zentrale Thema in den philippinischen Medien, Millionen Besucher werden zum größten päpstlichen Heimspiel in Asien erwartet. Franziskus ist der dritte Papst, der die Philippinen besucht. Die Besuche von Paul VI. im Jahr 1970 und Johannes Paul II. 1995 waren allerdings beide Male von Anschlagsversuchen überschattet worden. Das Sicherheitsaufgebot ist diesmal deshalb besonders groß, Manila ist in höchster Alarmbereitschaft. Um dem infrastrukturellen Chaos entgegenzuwirken, gibt es auch diverse "Papst-Apps": neben Informationen zum Programmablauf und der Verkehrssituation können User dort auch Fotos, Videos und Sprachnachrichten hochladen – oder ihre Gebetsanliegen auf der virtuellen "prayer wall" hinterlassen.
Verflechtung von Klerus und Politik
Für viele Filipinos sind Messen und Gebete so wichtig wie das tägliche Brot. Rund ein Drittel der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Die Kirche ist für die meisten aufgrund des harten Alltags auch ein Zufluchtsort, der Glaube spendet Trost. Rosenkränze baumeln überall von Autospiegeln, Marienbilder kleben an den rostigen Motorhauben der Stadtbusse. "Jesus rettet" und "Gott ist Leben" blinkt von überdimensionalen Leuchtreklamen am Straßenrand. Der Glaube wird hier sehr konservativ gelebt. Trotz einer säkularen Verfassung spielt die Kirche der Philippinen sowohl im politischen Geschehen wie im Alltag der Menschen eine sehr einflussreiche Rolle. Klerus und Politik auf den Philippinen seien untrennbar miteinander verflochten, kritisiert der philippinische Kulturaktivist Carlos Celdran: "Wenn unsere Politiker sich den Geboten der Kirche und ihrem Dogma entziehen, dann werden sie von der Kanzel aus niedergemacht – der Altar wird genutzt, um ihnen den Garaus zu machen."
Celdran beklagt vor allem die erzkonservative Haltung der philippinischen Kirche im Hinblick auf Familienplanung: "16 Jahre lang hat die Kirche versucht, die Verabschiedung des Gesetzes zur Geburtenkontrolle zu verhindern - ein Gesetz, das Verhütungsmethoden für die Ärmsten der Armen vorsieht und die sexuelle Aufklärung in den Schulen verbessert. Der Schaden, den sie damit angerichtet hat, ist im ganzen Land zu spüren."
Bevölkerungspolitik im Namen Gottes
Im Jahr 2012 sprach sich Präsident Benigno Aquino schließlich für das historische Gesetz zur Geburtenkontrolle aus, die Zustimmung der Bevölkerung war groß. Die Bischöfe gingen daraufhin auf die Barrikaden. In dem Land mit seinen 100 Millionen Einwohnern stellt das extrem schnelle Bevölkerungswachstum für Umwelt, Infrastruktur und Nahrungsmittelversorgung eine ernstzunehmende Herausforderung dar. Jährlich kommen Millionen Kinder auf den Philippinen in großem Elend zur Welt. Auch AIDS ist entgegen des weltweiten Trends hier weiterhin auf dem Vormarsch. Verhütung sehen die Kirchenvertreter im Inselstaat trotzdem als Teufelswerk. Mit zahlreichen Aktionen und landesweiten Kampagnen kämpft die Kirche weiterhin gegen das Gesetz und gegen Familienplanung – mit der Folge, dass der philippinische Haushaltsauschuss nicht genügend Gelder für die Umsetzung des Gesetzes zur Verfügung stellt. Abtreibung ist auf den Philippinen verboten und wird von der katholischen Kirche verdammt. Frauen, die sich dennoch zu einem Schwangerschaftsabbruch entscheiden, müssen sich deshalb unter teils lebensbedrohlichen Risiken einer der nicht-lizensierten Kliniken anvertrauen.
Wird der Papst zum Umdenken auffordern?
Carlos Celdran und andere Kritiker hoffen, dass Papst Franziskus mit seinen progressiveren Ansichten die konservativen Geistlichen in Manila zum Umdenken anregt – zu diesen und anderen Themen, wie zum Beispiel Homosexualität und Scheidung. Die Kirchenvertreter auf den Philippinen widersetzen sich nach wie vor dem Scheidungsrecht, auch wenn Papst Franziskus zuletzt einen etwas moderateren Ton zum Thema angeschlagen hat. "Ich würde mir einfach wünschen, dass die katholische Kirche ihren Platz in diesem Land kennt – und der ist weder im Rathaus, noch bei mir daheim, sondern eben in der Kirche", so Celdran.
Zuhause bei Dolores ist der Geist der katholischen Kirche allgegenwärtig. Von Familienplanung hält sie nichts: "Kein Christ sollte verhüten, das ist Sünde und gegen den Willen Gottes", so die fünffache Mutter. Ihre Kinder würden es genauso halten. Alleiniger Ernährer der Großfamilie ist derzeit ihr ältester Sohn. Der Kindersegen ist für Dolores ein Geschenk Gottes – und zusammen mit dem Glauben ihre einzige Existenzgrundlage.