Märkte ruhig nach Putschversuch
18. Juli 2016Die Aktienbörse in Istanbul erlebte am Montag nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei den größten Kurssturz seit fast einem Jahr. Der Leitindex verlor rund fünf Prozent.
Besonders hart traf es Werte aus der Tourismus-Branche. Aktien der Fluggesellschaft Turkish Airlines fielen auf den tiefsten Stand seit dreieinhalb Jahren, die Flughafen-Dienstleister Celebi und TAV verloren jeweils rund 14 Prozent.
An der Frankfurter Börse dagegen schwankt der Dax um die Nulllinie. Auch in Asien waren Anleger unbeeindruckt. Der MSCI-Index für asiatische Aktien außerhalb Japans notierte 0,1 Prozent im Plus. Die Börse in Australien lag 0,5 Prozent höher, die in Schanghai dagegen 0,6 Prozent schwächer. In Tokio blieb der Markt wegen eines Feiertages geschlossen.
Auch am Devisenmarkt hat sich die Lage beruhigt. Nachdem die türkische Lira am späten Freitagabend deutlich an Wert verloren hatte, konnte sie am Montag einen Teil dieser Verluste wieder wettmachen.
Für eine türkische Lira mussten zuletzt 33,82 US-Cent bezahlt werden - damit stand die türkische Währung wieder etwas mehr als zwei Prozent über den Tiefstkursen nach dem Putschversuch. Vor diesem war eine türkische Lira allerdings noch deutlich mehr als 34 US-Cent wert.
Ähnlich sah es beim Euro aus. Dieser war am Freitag nach den ersten Berichten über den Putsch bis auf 1,1025 Dollar gefallen. Am Montag notierte der Euro zuletzt bei 1,1064 Dollar und damit in etwa auf dem Niveau, das die europäische Gemeinschaftswährung vor dem Putschversuch hatte.
Zentralbank will beruhigen
Die türkische Zentralbank sendet unterdessen Beruhigungssignale. Sie werde alles Nötige tun, um die Finanzstabilität zu gewährleisten, teilte die Notenbank am Sonntag mit. Geschäftsbanken erhielten unbegrenzten Zugang zu Liquidität. Dafür müssten diese keine Gebühr zahlen.
Auch die Regierung in Ankara versuchte Investoren zu beruhigen: "Wir haben die Kontrolle. Kein Grund zur Sorge", schrieb der stellvertretende Ministerpräsident Mehmet Simsek auf Twitter. Die Regierung habe in Absprache mit der Zentralbank und dem Finanzministerium alle erforderlichen Maßnahmen getroffen.
Nach dem gescheiterten Putsch geht die Regierung massiv gegen Teile des Militärs und der Justiz vor. Bei den Kämpfen, die Militärangehörige am Freitagabend in Istanbul und Ankara völlig überraschend begannen, wurden mindestens 265 Menschen getötet und fast 1500 verletzt.
Touristen bleiben
Die türkische Wirtschaft läuft seit längerem nicht mehr so gut wie in früheren Jahren. Banken kämpfen mit faulen Krediten, weil Firmen Pleite gehen. Wegen der angespannten Sicherheitslage weichen viele Touristen zudem auf andere Ziele aus.
Die meisten deutschen Touristen wollen nach dem gescheiterten Putsch aber nicht vorzeitig in ihre Heimat zurückkehren. Die Lage in den Urlaubsressorts sei weiter ruhig und es gebe nur sehr wenige Gäste, die vorzeitig abreisen wollten, sagten Sprecher der Reisekonzerne Thomas Cook und TUI am Wochenende.
Die Lufthansa nahm am Sonntag weitgehend den Flugbetrieb in die Türkei wieder auf, nachdem sie am Samstag noch Verbindungen gestrichen hatte. Auch die Lufthansa-Tochter Eurowings flog am Sonntag wieder ganz normal in die Türkei. Turkish Airlines war bereits am Samstagnachmittag zum normalen Flugplan zurückgekehrt.
200.000 Urlauber aus Deutschland
In der Türkei befinden sich laut Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier derzeit 200.000 Urlauber aus Deutschland. Diese Zahl nannte der SPD-Politiker im Gespräch mit der "Bild am Sonntag".
Das Auswärtige Amt warnte nicht generell vor Reisen in die Türkei. Es rät Bundesbürgern in Istanbul und Ankara aber zu äußerster Vorsicht, insbesondere auf öffentlichen Plätzen und bei Menschenansammlungen.
Für die Tourismuskonzerne steht in der Türkei in der wichtigen Sommersaison geschäftlich viel auf dem Spiel. Trotz des Buchungseinbruchs um bis zu 50 Prozent nach den Anschlägen zu Jahresbeginn ist das Land laut Deutschem Reiseverband noch das drittbeliebteste Urlaubsziel. Voriges Jahr besuchten es rund 5,6 Millionen Bundesbürger.
bea/wen (dpa, reuters)