Militär in Guinea kündigt Einheitsregierung an
6. September 2021Einen Tag nach dem Militärputsch im westafrikanischen Guinea haben die Machthaber die Bildung einer neuen Regierung in Aussicht gestellt. Ihr Anführer, Oberst Mamady Doumbouya, sagte einem Bericht des französischen Auslandssenders RFI, es sei geplant, eine Regierung der nationalen Einheit einzusetzen. Bis dahin würden Spitzenbeamte der Ministerien die Leitung der Behörden übernehmen.
Die Machthaber, die sich "Nationalkomitee für Versöhnung und Entwicklung" nennen, riefen das bisherige Kabinett zu einer Sitzung in der Hauptstadt Conakry zusammen. Wer nicht erscheine, werde der Rebellion bezichtigt, hieß es. Die abgesetzten Minister mussten nach dem Bericht des Senders RFI ihre Reisedokumente und Dienstfahrzeuge abgeben. Regierungsmitgliedern wurde untersagt, das Land zu verlassen. Oberst Doumbouya erklärte demnach allerdings bei der Kabinettssitzung, es werde keine "Hexenjagd" gegen Mitglieder der früheren Regierung geben.
Signale an die Industrie
Zugleich versuchte der Oberst, die Wirtschaft zu beruhigen. Doumbouya versprach den Investoren, dass der jüngste Staatsstreich des Landes keine Auswirkungen auf ihre Geschäfte haben werde. Mit Blick auf die Bergbauindustrie, die das Rückgrat der Wirtschaft bildet, sagte Doumbouya, dass "die Aktivitäten im Land normal weitergehen". Guinea werde "alle seine Verpflichtungen und Bergbauvereinbarungen einhalten". Eine Ausgangssperre in den Bergbauregionen sei umgehend aufgehoben worden. Guinea ist einer der weltweit größten Lieferanten von Bauxit, einem Erz, das zur Herstellung von Aluminium verwendet wird. Das Land beliefert alle wichtigen Weltmärkte, China ist einer der größten Abnehmer.
Nach der Sitzung des Kabinetts fuhr Doumbouya in einem Militärkonvoy zum Zentralgefängnis Siruté in der Hauptstadt und veranlasste die Freilassung von vier Oppositionspolitikern, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur Ort berichtet. "Die anderen werden später befreit", sagte der Putschistenführer mit Blick auf Tausende von Oppositionsmitgliedern, die unter Präsident Condé inhaftiert worden waren.
Eine Eliteeinheit des Militärs, die von Doumbouya angeführt wird, hatte am Sonntag Staatspräsident Alpha Condé festgesetzt und die Verfassung aufgehoben. Zudem hatte sie das Parlament und die Regierung für aufgelöst erklärt und selbst die Macht übernommen. Die Militärs verhängten eine Ausgangssperre und schlossen vorerst die Grenzen. Als Grund für den Militärputsch nannten die neuen Machthaber Korruption und Missmanagement der Regierung. Der 83-jährige Präsident wurde festgesetzt. Die Militärjunta erklärte, es gehe ihm gut.
Internationaler Protest
International löste die Machtübernahme heftige Kritik aus. UN-Generalsekretär António Guterres forderte in New York, das Militär müsse den festgesetzten Präsidenten Alpha Condé sofort freilassen. Ähnlich äußerte sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. "Ich lade alle Akteure dazu ein, im Einklang mit der Rechtsstaatlichkeit, des Interesses am Frieden und für das Wohl der guineischen Bevölkerung zu handeln", betonte er.
Die USA appellierten an alle Konfliktparteien, auf Gewalt zu verzichten und einen transparenten Prozess des nationalen Dialogs einzuleiten. Gewalt und außerverfassungsmäßige Maßnahmen würden Guineas Aussichten auf Frieden, Stabilität und Wohlstand nur untergraben, hieß es.
In Berlin erklärte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts: "Die Entwicklungen in Guinea erfüllen uns mit großer Sorge." Die Bundesregierung verurteile entschieden den Versuch der Machtergreifung mit Waffengewalt.
Freilassung Condés gefordert
Auch die Afrikanische Union (AU) verurteilte das Vorgehen der Militärs in Guinea. Der Präsident der Afrikanischen Union, Félix Tshisekedi, und der AU-Kommissionspräsident Moussa Faki Mahamat forderten in einer gemeinsamen Erklärung die sofortige Freilassung von Condé. Große Besorgnis äußerte die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS. Auch sie forderte das Militär auf, Condé unverzüglich und unversehrt freizulassen.
Condé wurde 2010 nach dem ersten demokratischen Machtwechsel Staatschef des westafrikanischen Landes. In den vergangenen Jahren wuchs jedoch die Kritik an ihm, unter anderem wegen seines autokratischen Führungsstils. Condé war im Herbst trotz heftiger Proteste gegen seine erneute Kandidatur wiedergewählt worden. Im vergangenen Jahr setzte er eine Verfassungsänderung durch, die ihm ein drittes Mandat ermöglichte. Bei Ausschreitungen zwischen Oppositionsanhängern und Sicherheitskräften waren im Zuge des Referendums und der Wahl im vergangenen Jahr mindestens 50 Menschen getötet worden.
Nachdenken über die Folgen
In Guinea entbrannte derweil eine Diskussion über die politischen Folgen des Staatsstreichs: Abdourahmane Sano, Koordinator der zentralen Oppositionsbewegung "Nationale Front zur Verteidigung der Verfassung" (FNDC), sieht einen Teil der Verantwortung für den Putsch bei der internationalen Gemeinschaft und den afrikanischen politischen Organisationen. Man habe diese schon vor der Verfassungsänderung alarmiert, sagte Sano der Deutschen Welle. Sie hätten uns Zeit erspart, wenn sie im richtigen Moment Sanktionen gegen das Regime Condés ergriffen hätten. "Ich spreche dabei besonders von ECOWAS, Afrikanischer Union und den Vereinten Nationen."
Der gemäßigte Oppositionspolitiker Bah Oury, Chef der Oppositionspartei UDRG, sieht die Verantwortung für den Putsch beim gestürzten Präsidenten Condé. "Er ist selbst der Grund dafür, dass er gedemütigt und zu einem Abgang gezwungen wird, der keineswegs ehrenhaft ist", so Oury im Gespräch mit der DW. "Er hat gegen alle Erwartungen der Menschen verstoßen. In Bezug auf die wirtschaftliche Situation hätte man sogar noch nachsichtig sein können. Seine größte Sünde ist aber die Hartnäckigkeit, mit der er mit allen Mitteln versucht hat, die Verfassung von 2010 zu ändern. Damit hat er gegen die Regel der Unantastbarkeit verstoßen und darüber hinaus Gewalt gegen Zivilisten gebraucht, um sein Ziel zu erreichen.“
Der guineische Analyst Kabine Fofana warnte vor Machtkämpfen innerhalb der Armee. So habe die Putschisten-Einheit zunächst mit der traditionellen Präsidentengarde kämpfen müssen, sagte er der Deutschen Welle. "Es gibt also keine Einstimmigkeit über diesen Staatsstreich", so der Experte. "Es wird auf ein Kräftemessen hinauslaufen, denn bei einer solchen Machtübernahme gewinnt meist der, der am stärksten ist", erklärte Fofana.
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