Elite-Einheit verkündet Putsch in Guinea
6. September 2021In Guinea hat eine Elite-Einheit des Militärs nach eigener Darstellung die Macht übernommen. Soldaten unter Führung des früheren französischen Fremdenlegionärs Mamady Doumbouya erklärten im staatlichen Fernsehen, die Regierung sei aufgelöst, die Verfassung außer Kraft gesetzt und die Grenzen seien geschlossen worden. Es solle eine Übergangsregierung gebildet werden.
"Wir rufen unsere Kameraden auf, sich dem Volk anzuschließen", sagte Doumbouya. Man werde gemeinsam eine neue Verfassung ausarbeiten.
"Kein Leid"
Der Aufenthaltsort von Präsident Alpha Conde ist unbekannt. In einer Erklärung der Putschisten hieß es am späten Sonntagabend, dem 83-Jährigen sei kein Leid zugefügt worden, ihm werde nichts geschehen und er habe Zugang zu seinen Ärzten.
Eine Quelle aus dem Präsidentenpalast bestätigte der DW, Spezialkräfte der Armee hätten Conde gefangen genommen. Allerdings handele es sich bei den Putschisten nur um eine kleine Gruppe. Der Rest der Streitkräfte stehe loyal zum Staatsoberhaupt.
Guineas Verteidigungsministerium teilte mit, "die Aufständischen" hätten in der Hauptstadt Conakry Angst und Schrecken verbreitet und den Präsidentenpalast angegriffen. Die Präsidentengarde, unterstützt von den Verteidigungs- und Sicherheitskräften, hätte die Angreifer jedoch zurückgedrängt. Laut einer Mitteilung der britischen Botschaft in Conakry war es im Laufe des Sonntags an mehreren Orten der Stadt zu anhaltenden Schusswechseln gekommen.
"Angemessene Maßnahmen"
UN-Generalsekretär Antonio Guterres sagte, jede Machtübernahme durch Gewalt sei zu verurteilen. Conde müsse sofort freigelassen werden. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) sprach von einem versuchten Putsch und drohte Sanktionen an. Die Afrikanische Union kündigte eine Dringlichkeitssitzung und "angemessene Maßnahmen" an. Nigeria als mächtigster Staat Westafrikas forderte ebenso eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung in Guinea. Auch die USA und die Europäische Union übten Kritik am Vorgehen der Putschisten.
Conde hatte im vergangenen Jahr eine umstrittene Verfassungsänderung durchgesetzt, die ihm eine dritte Amtszeit ermöglichte. Im Oktober wurde er zum Sieger der von Gewalt begleiteten Präsidentenwahl erklärt. Bei Zusammenstößen von Demonstranten und Sicherheitskräften wurden damals etliche Menschen getötet.
Bodenschätze wie Bauxit, Eisenerz, Gold und Diamanten hatten Guinea unter Conde ein anhaltendes Wirtschaftswachstum beschert. Davon profitierte jedoch nur ein Teil der Einwohner. In den vergangenen Wochen erhöhte die Regierung deutlich die Steuern. So stieg etwa der Preis von Treibstoff um ein Fünftel, was zu neuem Unmut in der Bevölkerung führte.
"Im Auge des Sturms"
Der Politologe Ibrahima Kane von der "Open Society Initiative for West Africa" (OSIWA) zeigte sich wenig überrascht über die jüngsten Vorkommnisse: "Wir wissen alle, dass sich Guinea seit mehr als zwei Jahren sozusagen im Auge des Sturms befand", sagte er der DW. "Mit unendlichen Krisen im Zusammenhang mit den Wahlen, im Zusammenhang mit dem Referendum für eine neue Verfassung, die der Präsident selbst ausgearbeitet hatte. Guinea befand sich in einer permanenten Krise!" Es sei klar gewesen, dass eines Tages jemand versuchen würde, "Ordnung in die Sache zu bringen", so Kane.
wa/AR (rtr, dpa, afp, DW)