Mbumba: Namibia fertigt grünen Wasserstoff für Deutschland
10. Oktober 2024DW: Präsident Mbumba, Ihr Land wird derzeit von einer starken Dürre heimgesucht. Sind Sie überrascht, wie verheerend die Situation in der Region ist?
Präsident Nangolo Mbumba: Ja, wirklich verheerend. Normalerweise mangelt es in Dürren an Getreide und Lebensmitteln. Dieses Mal sind die Böden noch ausgetrockneter als sonst. Die einzige Möglichkeit, die uns blieb, war, Wasser mit Lastwagen anliefern zu lassen. Es ist die schlimmste Art von Dürre, die man haben kann, wenn man sein Volk nicht mehr mit Wasser versorgen kann.
Sonne und Energie nutzen
Eine der Antworten auf den Klimawandel ist die Entwicklung von Projekten für grünen Wasserstoff, wie das Hyphen-Projekt, das Sie zusammen mit Deutschland in Namibia entwickeln. Was entgegnen Sie Kritikern, die behaupten, das Projekt schaffe neue Probleme, auch Umweltprobleme?
Mbumba: Wir müssen die Welt dekarbonisieren. Und wie? Indem wir die verfügbaren Energien aus Sonne und Wind nutzen. Wir haben den höchsten Anteil an Sonneneinstrahlung, weil wir ein Wüstenland sind. Wir haben Wasser, wir haben Häfen und Unternehmen. Ich habe mit dem deutschen Bundeskanzler gesprochen, der sagt, sein Land habe sich verpflichtet, eine Kombination aus Grünem Wasserstoff oder Ammoniak von uns zu kaufen.
Wir haben uns zu diesem Programm verpflichtet. Zum ersten Mal gehen unsere Ingenieure, Architekten und Techniker nach Deutschland an die Universitäten, um zu lernen, wie man diese Technologien einsetzt. Darauf sind wir stolz.
Wir sind vielen anderen Ländern voraus. Wir arbeiten nicht nur mit Deutschland, sondern mit allen zusammen, die Interesse haben. Dazu gehören Südafrika und andere afrikanischen Staaten. Auch der belgische König kam deshalb schon nach Namibia, Ich wurde zum niederländischen König eingeladen, hauptsächlich wegen des Hyphen-Projekts. Wenn wir über nachhaltige Entwicklung sprechen: Wir wollen, dass der Süden und der Norden zusammenarbeiten.
Sie sprechen von Deutschland als Partner, aber es steht immer noch die Frage nach dem Völkermord während der Kolonialzeit und einer deutschen Wiedergutmachung im Raum. Was fordern Sie, sollte Deutschland jetzt tun?
Mbumba: Was ich fordere? Das ist nicht die richtige Frage. Die richtige Frage ist: Wenn du etwas falsch machst, und anerkennst, dass du etwas falsch gemacht hast - was tust du dann? Du sorgst dafür, dass du demjenigen, dem du etwas angetan hast, deine Hand ausstreckst. Wenn du eine starke Persönlichkeit mit einem guten Herzen bist, entschuldigst du dich. Und du bemühst dich, alle von dir begangenen Fehler wieder zu beseitigen. Und darüber haben wir verhandelt.
Zuerst mussten wir mit Deutschland reden, damit anerkannt wird, dass es sich bei dem, was geschehen ist, um Völkermord handelt. Es hat einige Zeit gedauert, aber jetzt sind wir uns darüber einig, dass es ein Völkermord war. Und dann kam die Entschuldigung. Deutschland hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass es bereit sei, sich zu entschuldigen.
Nur: Wie entschädigen Sie verlorene Leben? Menschen, die nicht nur bei den Kämpfen, sondern auch in den Konzentrationslagern, auch durch den Entzug von Land, Kühen und anderem Eigentum ums Leben kamen? Das zu gewichten, ist eine große Herausforderung. Aber wir glauben, dass wir mit gutem Willen eine Formel finden können - auch wenn diese nicht perfekt ist -, die zeigt, dass das Unrecht erkannt wurde und Versöhnung oder Wiedergutmachung erfolgt ist.
Es muss Schritt für Schritt geschehen, damit die Gemeinschaft sich rehabilitiert fühlt und ihre Forderungen nach Wiedergutmachung erfüllt werden. Wenn wir uns darüber einig sind, wird der Großteil der Mittel für den Rückkauf einiger Farmen verwendet, damit die Menschen, die ihr Land verloren haben, es zurückbekommen. Unsere Verfassung besagt, dass man niemandem Eigentum weggenommen werden darf, das auf seinen Namen eingetragen ist, ohne eine Entschädigung zu erhalten.
Und wir haben bestimmte Institutionen, die gestärkt werden müssen. Schulen, Kliniken, Kirchen, Kulturräume. Besonders in den Gebieten, in denen diese Verbrechen begangen wurden, also in Zentral- und Süd-Namibia.
Gemeinden stärker fördern
In einigen betroffenen Gemeinden haben sich Nama und Herero beklagt, dass sie in dieser Frage nicht angemessen konsultiert worden seien. Ist dies ein Fehler der Regierung?
Mbumba: Wie verhandelt man etwas? Man kann nicht jeden Namibier nach Deutschland und jeden Deutschen nach Namibia kommen lassen, um zu verhandeln. Man muss innerhalb der Autorität eines Staates verhandeln. Also haben wir mit unseren traditionellen Führern gesprochen. Aber Demokratie ist Demokratie: Sie werden immer auf ganz unterschiedliche Ansichten treffen. Das bedeutet nicht, dass wir sie nicht konsultiert haben. Nichts ist geheim. Wir sind bereit, unseren Menschen und den Menschen aus allen unseren Gemeinden zu dienen.
Würden Sie sagen, dass es ein Problem des Macht-Ungleichgewichts geben könnte, wenn man versucht, mit einer wohlhabenden Nation wie Deutschland zu verhandeln, die Sie auch als Entwicklungspartner brauchen?
Mbumba: Das ist eine berechtigte Frage. Aber wir haben unseren deutschen Freunden von Anfang an zu verstehen gegeben, dass die Frage des Völkermords eigenständig behandelt werden muss und dass die Institution, die geschaffen werden soll, um das Verlorene wiedergutzumachen, ebenfalls eigenständig handelt. Diese Dinge kann man nicht gegeneinander aufrechnen nach dem Motto: Wir helfen euch beim Bau einer Schule, deshalb können wir das Geld nicht mehr für Reparationen aufbringen.
Ist das für die deutsche Seite klar?
Mbumba: Sehr klar.
Namibia hat kürzlich die Einreisebestimmungen für Länder verschärft, die von Namibiern ein Visum verlangen. Halten Sie die Visumspflicht der westlichen Länder für ungerecht?
Mbumba: Ja, wir haben sie verschärft, weil sie es sind, die einige dieser Regeln eingeführt haben. Wir können nicht zulassen, dass unsere namibischen Bürger, selbst diejenigen mit Diplomatenpässen und offiziellen Pässen, hierher kommen und Demütigungen erleiden müssen.
Wir sagen also nicht, dass die Menschen nicht nach Namibia kommen sollen. Wir sagen nur, da ihr unsere Bürger so behandelt, werden wir das Gleiche auch von euren Bürgern verlangen. Wir geben Ihnen ein Visum bei der Ankunft - aber Sie zahlen dafür.
Wie können die Namibier sicher sein, dass ihre Lebensweise durch neue Bergbauaktivitäten ausländischer Unternehmen langfristig verbessert oder zumindest nicht gestört wird?
Mbumba: Der Bergbau sollte nicht als Schreckgespenst benutzt werden. Jetzt, wo wir die Bodenschätze haben, sagen andere Länder: "Baut nicht ab!". Welches Land hat ein Land je daran gehindert, seine eigenen Ressourcen abzubauen? Unsere Umweltvorschriften schreiben vor, welche Verfahren vor Beginn des Abbaus und bei der Schließung der Minen zu beachten sind.
Aber wenn Sie dieses Jahr Lithium haben, haben Sie Geld. Wenn Sie dieses Jahr Gold haben, haben Sie Geld. Wir haben nur die Pflicht, dafür zu sorgen, dass diese Ressourcen zum Nutzen aller verwendet werden - nicht einiger weniger, sondern aller Namibier.
Das Interview führte DW-Journalistin Josephine Mahachi bei der Hamburger Nachhaltigkeitskonferenz.