Bidens Neustart in Washington
21. Januar 2021Die Feiern zu seiner Amtseinführung am Mittwoch waren noch nicht abgeschlossen, da hatte Joe Biden bereits eine Vielzahl an Verfügungen unterschrieben, die weitreichende Folgen haben werden. Einige davon machten Erlasse seines republikanischen Vorgängers Donald Trump rückgängig. "Es ist wie eine Art Volleyballspiel", sagte Michael Allen, Historiker an der Northwestern University im Bundesstaat Illionois, der DW. Donald Trump habe viele Anordnungen von Präsident Obama rückgängig gemacht und nun tue Biden dasselbe mit Trumps Erlassen.
"Richtige Gesetze zu verabschieden ist durch die Polarisierung im Kongress praktisch unmöglich geworden, deswegen haben wir in den letzten beiden Administrationen so viele Durchführungsverordnungen gesehen", erklärte Allen. Und die lassen sich vom Nachfolger schnell beiseite wischen.
Viele von Bidens ersten Handlungen im Amt sind mehr von symbolischer Bedeutung, aber sie zeigen, wo es unter dem neuen Präsidenten politisch langgehen soll.
Corona-Pandemie
Trump wurde für sein Pandemie-Management scharf kritisiert. Wenn er härter durchgegriffen und auf wissenschaftlichen Rat gehört hätte, wären weit weniger Menschen gestorben, sagen Experten. So sind in der Corona-Krise in den USA bisher mehr als 405.000 Menschen ums Leben gekommen. Präsident Biden hat an seinem ersten Tag im Amt eine Maskenpflicht in allen Bundesgebäuden eingeführt.
Ein solches Gesetz fürs ganze Land ließe sich nur schwer durchbringen, da die Gouverneure der einzelnen Bundesstaaten in den USA darüber entscheiden, wie in ihrem Staat mit der Pandemie umgegangen wird. Biden bat aber eindringlich darum, dass Politiker auf lokaler und bundesstaatlicher Ebene weitere Maßnahmen beschließen, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Außerdem rief er alle US-Amerikaner dazu auf, für die nächsten 100 Tage eine Maske zu tragen.
Den von Trump beschlossenen Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stoppte Biden ebenfalls. Als Leiter der US-Delegation setzte der neue Präsident den angesehenen Immunologen Dr. Anthony Fauci ein, der unter Trump zuletzt in Ungnade gefallen war. Bidens erklärtes Ziel ist es, dass in seinen ersten 100 Tagen 100 Millionen US-Amerikaner eine Corona-Impfung erhalten.
Klimaschutz
Eine der deutlichsten Kehrtwenden von Trumps "America first"-Politik gab es beim Klimaschutz. An seinem ersten Tag als US-Präsident machte Biden den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen rückgängig. In weniger als 30 Tagen werden die USA wieder Teil des weltgrößten Vertrags zur Begrenzung der menschengemachten Erderwärmung sein.
"Dieser wichtige, symbolische Schritt soll signalisieren, dass die Vereinigten Staaten wieder der internationalen Gemeinschaft beitreten", sagte Allen.
Außerdem widerrief Biden die Genehmigung zum Bau der Keystone XL-Pipeline, eines hochumstrittenen Projekts, das durch mehrere Reservate von Native Americans hätte verlaufen sollen. Des Weiteren unterzeichnete er eine Anordnung, die vorerst das Bohren nach Öl und Gas in geschützten Gebieten der Arktis verbietet.
Einwanderung
Eine große Anzahl an Veränderungen hat Biden auch in der Einwanderungspolitik vorgenommen, vor der Corona-Pandemie das vielleicht größte Thema in Trumps Präsidentschaft. Er stoppte den Bau an Trumps Prestigeprojekt, mit dem dieser schon in seinem Wahlkampf 2016 warb: die Mauer an der Grenze zu Mexiko. "Die Mauer selbst war größtenteils eine symbolische Sache", sagte Allen. "Der Baustopp wird keine großen Konsequenzen haben, aber er sendet eine Botschaft darüber, wofür die USA stehen."
Wichtiger: Biden unterzeichnete eine Anordnung, die sogenannte 'Dreamer' vor Abschiebung schützt - junge Menschen, die als Kinder ohne Papiere in die USA einwanderten. Außerdem forderte Biden den Kongress auf, ein Gesetz zu verabschieden, dass diesen Menschen einen permanenten Aufenthaltsstatus und einen Weg zur Staatsbürgerschaft ermöglicht.
Der neue Präsident machte auch eine der ersten Amtshandlungen Trumps rückgängig: Den sogenannten "Muslim Ban", das Einreiseverbot für Menschen aus hauptsächlich muslimischen Ländern wie beispielsweise Nigeria, Myanmar, Iran, Syrien und Somalia. Biden wies sein Außenministerium an, die Bearbeitung von Visumsbewerbungen aus den betroffenen Ländern wieder aufzunehmen. Außerdem machte er eine Anordnung Trumps rückgängig, die zu einer aggressiven Suche nach Menschen ohne gültige Papiere in den USA und zu ihrer Abschiebung geführt hatte.
Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaft
In einem weiteren Schritt widerrief Präsident Biden eine Anordnung seines Vorgängers, die eingeschränkt hatte, in welchem Maße Bundesagenturen und ihre Vertragspartner Workshops für mehr Inklusion und Diversität für ihre Mitarbeiter abhalten konnten. Das Thema Diskriminierung und Ausschluss von Minderheiten war in den USA dank der Black Lives Matter-Bewegung in den Vordergrund gerückt, nachdem ein weißer Polizist im Mai 2020 den Afroamerikaner George Floyd getötet hatte. Biden ernannte Susan Rice zur Leiterin einer Initiative, im Rahmen derer alle Bundesagenturen das "Ausrotten von systemischem Rassismus" zu einer zentralen Aufgabe machen sollen.
Das sei ein klarer Gegensatz zu Trumps "umstrittenen Entscheidungen bezüglich Rassismus oder Einwanderungspolitik", sagte Todd Belt, Politologe an der George Washington University, der DW. "Es hat eine starke symbolische Bedeutung, dass Biden hier jetzt einen Neuanfang macht."
Außerdem verlängerte Biden den aufgrund der Corona-Pandemie erlassenen Stopp von Zwangsräumungen bis Ende März, so dass Menschen, die aktuell ihre Miete nicht zahlen können, nicht auf der Straße landen. Biden verlängerte auch den Rückzahlungsaufschub für Studienkredite bis Ende September - ein bedeutender Schritt in den USA, wo ein Studium mehrere zehntausend Dollar kostet und aktuell 44 Millionen Menschen dabei sind, ihre Studienkredite abzubezahlen.
Mit den präsidialen Erlassen ist es aber nicht getan. "Der Präsident braucht nun Gesetze für die Dinge, die sich nicht mit Anordnungen regeln lassen", sagte Belt. "Und das Geld dafür muss aus der Legislative kommen. Nur der Kongress kann die Finanzierung dieser Pläne genehmigen."