Prozessauftakt gegen Pistorius
3. März 2014Für Südafrikas Medien ist es ein Spektakel: Sie dürfen live aus dem Gerichtssaal in Pretoria berichten. Dort hat am Montag (03.03.2014) der Prozess gegen den beinamputierten Sprintstar Oscar Pistorius begonnen. Die Übertragung hatten die obersten Richter in der Provinz Gauteng erst vor wenigen Tagen erlaubt. Damit wird erstmals in Südafrika ein Mordprozess in weiten Teilen im Fernsehen zu sehen sein. Millionen Menschen können das Geschehen im Gerichtsaal direkt verfolgen. Das Gericht will damit dem "außergewöhnlichen Interesse der Öffentlichkeit" an dem Fall entsprechen.
Ausgenommen von der Bildübertragung sind laut dem Urteil Aussagen des Angeklagten und Zeugen der Verteidigung. Sie werden lediglich als Audio übertragen. Der private südafrikanische Kabelsender Multi-Choice will sogar rund um die Uhr über den Fall berichten - auf einem eigens geschaffenen Pistorius-Kanal als Pay-TV. Die Anwälte des Sportlers hatten versucht, die Live-Berichterstattung zu verhindern, da Pistorius um sein Ansehen fürchtet.
Das ist allerdings längst schwer beschädigt - seit der tödlichen Nacht vom 14. Februar 2013. Der mehrfache Paralympics-Sieger Pistorius hatte seine Freundin Reeva Steenkamp mit mehreren Schüssen durch die geschlossene Toilettentür getötet. Pistorius' Verteidigung spricht von einer tragischen Verwechslung. Er habe hinter der Tür einen Einbrecher vermutet und in Panik geschossen. Im August 2013 hatte die südafrikanische Staatsanwaltschaft Pistorius formell des vorsätzlichen Mordes an seiner Freundin angeklagt.
Lange Beweisaufnahme erwartet
Elf Seiten lang ist die Anklageschrift. Darin legt die Staatsanwaltschaft dar, dass sie von einem vorsätzlichen Mord ausgeht. Darauf steht eine lebenslängliche Haftstrafe. "Wir haben genug Beweise und Informationen, um sie dem Gericht vorzulegen", sagte der Sprecher der Nationalen Anklagebehörde Südafrikas, Medupe Simasiku, bei der Übergabe der Anklageschrift.
In der Hauptverhandlung in diesem März will allein die Staatsanwaltschaft 107 Zeugen aufrufen, darunter Mediziner, ballistische und forensische Experten. Der südafrikanische Justizexperte Stephen Tuson erwartet ein komplexes Verfahren. Das Verteidigungsteam werde jedes Detail der Tatnacht, "jeden Atemzug und jede Bewegung" vor Gericht auswerten, sagte Tuson der Deutschen Welle. Das könne auch mehr als die 17 zunächst angesetzten Verhandlungstage in Anspruch nehmen.
Zu den Details, um die voraussichtlich gestritten wird, gehört auch, ob Pistorius am gemeinsamen Bett, in dem er und Steenkamp geschlafen hatten, zweimal vorbeigehen konnte, ohne das Fehlen seiner Freundin zu bemerken. Denn seine Verteidiger behaupten, er habe Steenkamp im Bett vermutet und hinter der Toilettentür einen Räuber. Ballistische Experten werden wohl darüber streiten, aus welcher Höhe Pistorius die Schüsse abgab. Der Angeklagte gab an, er habe sich ohne seine Prothesen auf dem Boden bewegt und sich daher besonders verwundbar gefühlt. Laut Anklage deuten die Flugbahnen der Geschosse allerdings darauf hin, dass Pistorius auf seinen Prothesen gestanden habe. Auch zu der Frage, ob das Paar sich gestritten und Pistorius daher ein Mordmotiv hatte, sind Zeugen geladen.
Sorge über Sonderbehandlung
Laut Beobachtern wie Tuson droht Pistorius, falls er den Mordvorsatz erfolgreich abstreite, eine Verurteilung wegen anderer Tatbestände. "Selbst wenn er wegen Mordes freigesprochen werden sollte, muss er mit einem Urteil wegen fahrlässiger Tötung rechnen", so Tuson. Zudem hatte die Staatsanwaltschaft angedeutet, Pistorius auch wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz anzuklagen. Denn seine Pistole war zwar legal und angemeldet, nicht aber die von ihm verwendete, großkalibrige Munition.
Das Interesse an dem Kriminalfall um Südafrikas ehemaliges Traumpaar hat bis heute nicht nachgelassen. Im ganzen Land verfolgen Menschen den Prozess. Manche Südafrikaner hatten sich schon nach der offiziellen Anklage gegen jede Sonderbehandlung für den Star ausgesprochen: Er müsse behandelt werden wie jeder andere auch.
Andere dürften jedoch weiter zum "Blade Runner" - so Pistorius' Spitzname - halten. Als erster behinderter Sportler mit Hightech-Prothesen hatte Pistorius an den Olympischen Spielen teilgenommen und weltweit für positive Schlagzeilen für sein Heimatland gesorgt.