Protestmacht in Ecuador wird stärker
17. April 2005Lucio Gutierrez sah sich am Samstagabend (17.4.2005) gezwungen, den weniger als 24 Stunden zuvor verhängten Notstand wieder aufzuheben, weil sich die Maßnahme als vollkommen wirkungslos erwies. Ungeachtet der Aufhebung der Versammlungsfreiheit hatten schon am Vortag wieder Zehntausende gegen den Präsidenten demonstriert. Die Streitkräfte sicherten Gutierrez zwar ihre Unterstützung zu, schritten gegen die Kundgebungen aber nicht ein. Auf den Straßen Quitos waren keine Soldaten zu sehen, die Demonstranten zogen friedlich durch die Hauptstadt und riefen "Lucio raus!" oder "Demokratie ja, Diktatur nein!". Der friedliche Protest werde bis zum Ende der Regierung Gutiérrez fortgesetzt, kündigte einer der Organisatoren an.
Zur Besänftigung der Demonstranten hatte Gutierrez zuvor den Obersten Gerichtshof aufgelöst, der im Mittelpunkt der politischen Krise steht. Die Opposition kritisierte daraufhin, der Gerichtshof müsse zwar aufgelöst werden, dies könne aber nicht durch einen illegalen Akt des Präsidenten geschehen.
Umstrittener Gerichtshof
Hintergrund der Krise ist ein im vergangenen Jahr gescheitertes Amtsenthebungsverfahren gegen Gutierrez. Der oberste Gerichtshof hatte sich damals auf die Seite der Opposition gestellt, woraufhin der Präsident mithilfe der Parlamentsmehrheit 27 der 31 Richter ihres Amtes entheben ließ. Sie wurden durch als regierungstreu geltende Juristen ersetzt. Um die dafür erforderliche Parlamentsmehrheit zusammen zu bekommen, stützte sich Gutierrez auch auf die Partei seines umstrittenen Vorgängers Abdala Bucaram. Wenig später sprach der Oberste Gerichtshof den 1997 nach Panama entflohenen Bucaram vom Vorwurf der Korruption frei und ermöglichte damit dessen Rückkehr nach Ecuador zu Beginn dieses Monats. Dies erregte den Verdacht, Gutierrez habe sich die Stimmen von Bucarams Anhängern mit Garantien für eine Rückkehr des Ex-Präsidenten erkauft.
Der linksgerichtete Militär Gutiérrez war 2002 zum Präsidenten Ecuadors gewählt worden. Zwei Jahre zuvor hatte der General mit demonstrierenden indianischen Ureinwohnern den damaligen Staatschef Jamil Mahuad gestürzt, war jedoch nicht zum Staatsoberhaupt ernannt worden.
Internationale Gemeinschaft ist besorgt
Die US-Botschaft in Quito erklärte, sie habe die ecuadorianische Regierung ermahnt, "Mäßigung und Respekt für die Bürgerrechte" zu zeigen. Die EU-Außenminister appellierten bei ihrem Treffen in Luxemburg an Regierung und Opposition, mit friedlichen Mitteln nach einer Lösung zu suchen. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte als amtierender EU-Ratspräsident, die EU verfolge die Entwicklung in dem Land mit Besorgnis. UN-Generalsekretär Kofi Annan forderte eine friedliche und verfassungsmäßige Lösung des Konflikts. Die schon "instabile Lage" könne sich verschlimmern, warnte er. Der chilenische Präsident Ricardo Lagos sagte einen geplanten Besuch in Ecuador ab. (kas)