Protest gegen Migranten in Litauen
29. Juli 2021Weil die Europäische Union seinem Regime zunehmend mit Sanktionen zu Leibe rückt, zieht der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko ein neues Register: die Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge zum EU-Nachbarland Litauen.
Angesichts einer steigenden Zahl illegaler Grenzübertritte dort hat die EU-Kommission Deutschland und die anderen Mitgliedsstaaten zu Unterstützung aufgerufen. "Die geopolitische Realität und die Solidarität erfordern es, dass wir alle an der Seite Litauens stehen und entschieden und schnell handeln", heißt es in einem Schreiben von EU-Innenkommissarin Ylva Johansson an Bundesinnenminister Horst Seehofer und dessen Kolleginnen und Kollegen.
Lukaschenkos Drohung
Die Europäische Union könne nicht akzeptieren, dass Drittstaaten versuchten, "illegale Migration" anzustiften oder zu dulden. Denn der belarussische Machthaber Lukaschenko hatte damit gedroht, als Reaktion auf die gegen sein Land verhängten EU-Sanktionen Menschen aus Kriegsgebieten passieren zu lassen.
Die Konsequenzen hat in erster Linie Litauen zu tragen, das eine fast 680 Kilometer lange Grenze zu Belarus hat. Nach offiziellen litauischen Angaben wurden bereits mehr als 3100 Menschen aufgegriffen.
Aus Sicht von Litauens Vize-Innenminister Arnoldas Abramavičius ist dies eine Folge eines "hybriden Angriffs des Lukaschenko-Regimes auf Litauen und die Europäische Union." Die Führung in Minsk verwandele Migrationspolitik in eine Waffe, sagte Abramavičius der DW. Es sei "eine wirklich schwierige Situation", auch für die Behörden seines Landes.
Wachsender Unmut unter Litauern
In der litauischen Bevölkerung wächst der Unmut über die Lage. Mehrere Hundert Menschen haben an diesem Donnerstag vor dem Regierungssitz in der Hauptstadt Vilnius demonstriert. Sie protestierten gegen Pläne, die über Belarus kommenden Migranten im Grenzort Dieveniškės unterzubringen. Mit Plakaten, Fahnen und Spruchbändern machten sie ihrem Unmut über das Vorhaben der Regierung deutlich. "Kein Flüchtlingscamp in der Kleinstadt Dieveniškės" war auf Bannern zu lesen.
Schon zu Wochenbeginn hatten in mehreren Grenzorten Bewohner gegen die Errichtung von neuen Unterkünften für die Migranten protestiert. Dabei kam es zu Straßenblockaden und Handgreiflichkeiten mit der Polizei. Das Innenministerium in Vilnius hat eine Untersuchung der Vorfälle angekündigt.
Um die Situation zu entspannen, hat die Europäische Union nun den Irak gedrängt, bei der Eindämmung der Schleusung von Migranten über Belarus nach Litauen zu helfen. In ihrem Brief an die Kollegen aus den EU-Mitgliedstaaten schreibt Innenkommissarin Johansson, Brüssel habe Kontakt zur irakischen Regierung aufgenommen, damit diese "Flüge nach Belarus besser kontrolliert und irakische Staatsangehörige wieder einreisen lässt, die freiwillig zurückkehren wollen".
Bereits am Mittwoch hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mitgeteilt, er habe Gespräche mit dem irakischen Außenminister darüber geführt, "wie die gestiegene Zahl irakischer Staatsbürger, die illegal die Grenze von Belarus nach Litauen überqueren, angegangen werden kann". Dies sei ein Anlass zur Sorge - nicht nur für einen Mitgliedstaat, sondern für die ganze EU. "Wir zählen auf die Unterstützung des Irak", ließ Borrell verlauten.
Litauen setzt derweil auf den Bau eines Grenzzauns zu Belarus. "Wir müssen an der weißrussisch-litauischen Grenze eine solide Barriere errichten, ein physisches Hindernis", so Vize-Innenminister Abramavičius. Er setzt auf eine Signalwirkung: Der Grenzzaun werde "zeigen, dass dieser Weg in die Europäische Union nicht zulässig ist" so Abramavičius.
AR/kle (dpa, afp, dw)