Lukaschenko droht mit Flüchtlingswelle
6. Juli 2021"Wir werden niemanden aufhalten", sagte Alexander Lukaschenko in Minsk bei einer Regierungssitzung. Die Menschen seien aus Kriegsgebieten unterwegs in das "warme und bequeme Europa", und in Deutschland würden Arbeitskräfte gebraucht, betonte er.
Zugleich kündigte Lukaschenko an, keinen Warentransit mehr über Belarus nach Russland und China zuzulassen. In einem ersten Schritt sei der belarussische Markt geschlossen worden, sagte Lukaschenko vor Ministern. In einem zweiten Schritt werde nun der Warenverkehr durch das Land verboten. "Genauso muss man mit den Deutschen umgehen. Sollen sie doch über Finnland ihre Waren nach Russland und China liefern. Oder über die Ukraine - da gibt es gute Wege - fahren und dort ihre Waren abliefern."
Lukaschenko nannte weder einen Zeitpunkt für eine solche Maßnahme noch die Länder, die über Deutschland hinaus betroffen sein könnten. Der belarussische Ministerpräsident Roman Golowtschenko ergänzte, dass sich seine Regierung "das Verhalten der europäischen Partner anschauen und angemessene Maßnahmen ergreifen" werde, die der heimischen Konjunktur nicht schadeten.
Bündel von Sanktionen gegen Minsk
Die Europäische Union hat wegen der Unterdrückung Andersdenkender in Belarus und als Reaktion auf die als gefälscht eingeschätzte Präsidentenwahldie als gefälscht eingeschätzte Präsidentenwahl im vergangenen Jahr zahlreiche Sanktionen verhängt, die vor allem auf die Wirtschaft des Landes zielen. Die Strafmaßnahmen der EU und der USA setzen die Ex-Sowjetrepublik massiv unter Druck. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte Lukaschenko immer wieder Unterstützung zugesichert. Wirtschaftlich hängt Belarus seit langem am Tropf Russlands und hat Schulden in Milliardenhöhe.
Weiter angeheizt wurde der Streit mit dem seit 1994 autoritär herrschenden Lukaschenko durch einen Vorfall vom 23. Mai, bei dem ein Ryanair-Flugzeug von Athen nach Vilnius von einem belarussischen Kampfjet wegen einer angeblichen Bombendrohung abgefangen und nach Minsk zur Landung umgeleitet wurde. Der an Bord sitzende belarussische Oppositionelle Roman Protassewitsch wurde danach inhaftiert.
Michel sagt Hilfe zu
EU-Ratspräsident Charles Michel machte unterdessen die Führung in Belarus für die wachsende Zahl an Migranten verantwortlich, die seit Wochen über die Grenze nach Litauen kommen. Es bestehe "tatsächlich der Verdacht", dass Minsk seine Hände im Spiel habe, sagte Michel bei einem gemeinsamen Besuch mit der litauischen Regierungschefin Ingrida Simonyte im Grenzort Medininkai. Die EU sei nicht "naiv" und lasse sich "nicht einschüchtern". Er sagte Litauen Hilfe bei der Sicherung der Grenze zum benachbarten Belarus zu. Das baltische Land könne auf die Solidarität der Europäischen Union zählen.
Litauen berichtet seit Juni von einem Anstieg der Zahl einreisender Migranten. Nach Angaben des litauischen Grenzschutzes wurden binnen 24 Stunden 131 Migranten aufgegriffen. Allein in diesem Jahr seien bereits mehr als 1300 Fälle registriert worden - gegenüber 81 im gesamten Vorjahr. Die Migranten stammten vorwiegend aus dem Irak, Syrien und Afghanistan.
Gespräche mit Irak
Da viele der aufgegriffenen Migranten aus dem Irak kommen, will Michel nach eigenen Angaben noch in dieser Woche mit dem irakischen Regierungschef sprechen, um ihre Rückführung zu erreichen. Die EU werde auch mit anderen Herkunftsländern Kontakt aufnehmen, um mit ihnen gemeinsam Migranten davon abzuhalten, "mit illegalen Mitteln und Methoden hierherzukommen".
Die litauische Regierung ist eine scharfe Kritikerin Lukaschenkos. Zudem hat der EU- und NATO-Staat viele in Belarus verfolgte Aktivisten aufgenommen, darunter Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. Litauens Grenzschutz wird seit Anfang Juli durch die EU-Grenzschutzbehörde Frontex unterstützt. Bis Monatsende sollen insgesamt 30 Frontex-Beamte an der litauischen Grenze eingesetzt werden.
kle/qu (dpa, rtr, afp)