Printen-König: "US-Strafzölle treffen Branche hart"
18. September 2020Deutsche Welle: Herr Bühlbecker, bereits seit Ende August findet man Weihnachtsgebäck wie Lebkuchen oder Printen in den Regalen der Supermärkte. Das wird scheinbar immer früher im Jahr. Oder täuscht der Eindruck?
Hermann Bühlbecker: Der Eindruck täuscht. Es ist seit vielen Jahren bereits so. Wobei wir die Produkte gar nicht mehr Weihnachtsgebäck nennen, sondern Herbstgebäck. Das sind die verschiedensten Produkte: Dominosteine, Lebkuchen und ähnliches. Auf der Verpackung finden Sie keine weihnachtlichen Symbole, aber vielleicht eine schöne, festliche Farbe. Der Verbraucher würde sie auch nicht kaufen, wenn er den Eindruck hätte, sie wären zur falschen Zeit im Markt.
Dann könnte man das ja schon fast das ganze Jahr über anbieten, oder?
Es ist schon so, dass diese Produkte mit der Herbst- und Weihnachtszeit verbunden werden. Dann kommen im Oktober, November noch die Geschenkpackungen, dann auch die klassischen Weihnachtsgebäcke mit den Glöckchen und Tannenbaum-Verzierungen. Das heißt, sie gehören schon zur Herbst- und Weihnachtszeit. Aber Ihre Frage ist eigentlich berechtigt, denn wir haben zwei Werke in Polen. Dort werden Lebkuchen, wie in vielen Ländern Osteuropas, das ganze Jahr über verkauft. Und in Russland übrigens auch. Man fragt sich in der Tat manchmal, warum es Lebkuchen nur in der Herbst- und Weihnachtszeit gibt und nicht in den übrigen Monaten des Jahres.
Wie laufen denn die Geschäfte in Zeiten der Corona-Pandemie in Ihrer Branche?
Da müssen wir über Gebäck und Süßwaren allgemein sprechen, denn die Herbst- und Weihnachtssaison fängt ja jetzt gerade erst an. Die ersten entsprechenden Produkte sind zwar in den Märkten, da kann man aber noch nicht viel sagen.
Allgemein gilt, dass unsere produzierenden Betriebe erhebliche Zusatzaufwendungen haben. Wir betreiben acht Fabriken und müssen alle Werke Corona-gerecht ausstatten. Das fängt schon an mit der regelmäßigen Fiebermessung bei jedem unserer insgesamt 4000 Mitarbeiter. Außerdem müssen wir die Arbeitsplätze unter Hygiene-Gesichtspunkten umgestalten, beispielsweise Trennwände aufbauen oder Kantinen entzerren. Für die Betriebe ist es ein erheblicher Aufwand, den wir vom Handel nicht ersetzt bekommen.
Lebensmittel werden zwar weiter gekauft, aber viele Handelsunternehmen sind in Schwierigkeiten geraten, vom Markt verschwunden. Ich erinnere nur an die Filialschließungen von Kaufhof-Karstadt, das waren große Kunden von uns. Der Fachhandel ist zum Teil auch für viele Monate aus dem Markt gegangen. Auch der Außer-Haus-Verzehr hat sich sehr verändert. Viele unserer Produkte werden an Flughäfen verkauft, da ist wegen Corona aber viel weniger Publikumsverkehr.
Auch der Export lahmt. Es geht viel Ware nach Italien, Spanien, Frankreich und in die USA. Natürlich werden die Umsätze auch durch Corona in diesen Ländern beeinträchtigt.
Aber haben Sie das Gefühl, dass die Leute, die ja wegen Corona verstärkt zu Hause bleiben mussten und müssen, vielleicht gerade wegen der Krise mehr Süßes essen?
Ja, es ist schon so, dass Süßwaren ein bisschen Glück in bittere Zeiten bringen. Die Menschen verwöhnen sich gerne zuhause, auch als Ausgleich für all die Beeinträchtigungen, die sie jetzt in Kauf nehmen müssen. Unsere Produkte geben eben auch ein bisschen Lebensfreude. Aber wenn weniger Verkaufsstellen da sind, wirkt sich das natürlich auch negativ auf den Umsatz aus.
Ein ganz anderes Thema: Wie man hört, leiden die deutschen Keks-Hersteller im wichtigen Exportmarkt USA unter Strafzöllen. Würden Sie das bitte erklären?
Es passiert manchmal im Leben, dass man bestraft wird, obwohl man nichts Unrechtes getan hat: Die EU subventioniert ihre Flugzeugindustrie in Europa sozusagen widerrechtlich. Das sieht jedenfalls die Welthandelsorganisation (WTO) so und hat die US-Regierung ermächtigt, mit Strafzöllen auf Waren aus der EU zusätzlich 7,5 Milliarden Dollar an Einnahmen zu generieren - als Ausgleich für diese widerrechtliche Förderung der europäischen Flugzeugindustrie.
Dass die Amerikaner umgekehrt ihre eigene Flugzeugindustrie, also Boeing, auch widerrechtlich unterstützt haben, ist ein ganz anderes Thema. Da hat die WTO aber noch keine Entscheidung getroffen.
Trump und seine Mannschaft dürfen deshalb siebeneinhalb Milliarden Dollar extra kassieren und belegen aus diesem Grund in den USA beliebte europäische Exportwaren mit Strafzöllen in Höhe von 25 Prozent. Dazu gehört deutscher Wein und eben auch Gebäck aus Deutschland. Die deutsche Süßwarenindustrie ist mittelständisch geprägt und lebt sehr stark vom Export, und gerade Amerika mit den vielen deutschstämmigen Einwohnern ist da ein wichtiger Markt. Wir leiden darunter, dass wir 25 Prozent Zoll zahlen müssen, ohne dass wir in irgendeiner Form Verursacher für die geschilderte Problematik sind.
Das heißt, die amerikanischen Konsumenten kaufen jetzt weniger Kekse aus Deutschland? Spüren Sie das bereits?
Alleine im ersten Halbjahr 2020 gab es schon ein Minus von 30 Prozent beim Export in die USA. Dort trauen sich die Händler kaum, Waren mit Preiserhöhungen von 25 Prozent anzubieten, da ihre Kunden ohnehin durch die Auswirkungen von Corona verunsichert sind.
Sie befürchten weiterhin große oder sogar noch wachsende Probleme. Was sollte geschehen?
Für uns hat die Hauptsaison ja gerade erst begonnen. 75 Prozent der gesamten Umsätze werden im zweiten Halbjahr oder in den letzten vier Monaten des Jahres gemacht. Deshalb treffen weitere Ausfälle die Branche immer dramatischer. Um gegenzusteuern, könnte die EU natürlich ihrerseits Druck auf die USA ausüben, indem sie ebenfalls Strafzölle androht für Ware, die aus Amerika kommt. Da ist man aber in Brüssel sehr verhalten und vorsichtig. Von der WTO liegt eben noch kein Urteil vor, dass solche Maßnahmen erlauben würde.
Doch es gäbe eine Möglichkeit: Die Amerikaner und die Chinesen richten Ausgleichsfonds ein. Solche Fonds könnte es auch bei uns geben. Unternehmen, die ohne eigenes Verschulden Ausfälle und Schäden haben, bekommen so einen Ausgleich. Aber auch das gibt es im Rahmen der EU noch nicht.
Es gibt Länder, die viel mehr für ihre Industrie kämpfen, als die Deutschen und auch die Europäer insgesamt. Wir fühlen uns da ein bisschen im Stich gelassen. Weder ein Ausgleichsfonds noch die Androhung von Gegenzöllen stehen auf der Tagesordnung, sodass man hier die mittelständischen Unternehmen sich selbst überlässt.
Glauben Sie, dass der Druck auf die Politik so groß ist, vermeintlich wichtigere Branchen wie beispielsweise die Autoindustrie zu retten und zu unterstützen, und Mittelständler wie Sie langfristig auf der Strecke bleiben?
Die Politik gibt im Moment sehr viel Geld aus, um viele Branchen zu retten. Aber für uns als mittelständische Industrie gibt es keine Hilfestellung - übrigens auch nicht für die vielen kleinen Veranstalter im Kulturbereich beispielsweise und die vielen kleinen Restaurants. Auf der anderen Seite verlängert man das Kurzarbeitergeld.
Wir werden in einigen Monaten feststellen, dass wir in einer anderen Welt leben, dass viele Existenzen vernichtet worden sind und viele mittelständische Unternehmen, auch Kleinstunternehmen, nicht mehr existieren. Und ich weiß nicht, ob das die Wirtschaftsordnung ist, die wir eigentlich angestrebt haben.
Sie sind ja bereits seit Jahrzehnten als Geschäftsmann und Manager tätig und können deshalb vielleicht ja auch die Leistungsfähigkeit des Staates recht gut beurteilen. Glauben Sie, dass selbst so ein reiches Land wie Deutschland, diese gewaltige Aufgabe, so viele Branchen zu retten, so ohne weiteres stemmen kann?
Ich glaube nicht, dass das auf Dauer gelingen kann, weil das Land auf eine Art und Weise lahmgelegt wurde, dass man die finanziellen Folgen am Ende des Tages gar nicht mehr tragen können wird. Meiner Meinung nach wären die Einschränkungen in dem Maße, wie sie vorgenommen wurden und jetzt auch noch vorgenommen werden, gar nicht erforderlich. Im Moment leiden die Menschen noch erheblich an den Maßnahmen.
Auf der anderen Seite zählt man zwar Corona-Infizierte, aber die sind gar nicht krank. Es gibt kaum mehr Kranke. Es gibt kaum mehr Tote. Und trotzdem blockiert man die Wirtschaft immer noch. Das heißt, man produziert ja weiter und weiter einen Schaden, der gar nicht erforderlich wäre und den man am Ende gar nicht bezahlen kann. Man verschiebt damit Schulden, die man sich nicht mehr leisten kann, in die Zukunft - was meiner Meinung nach gar nicht erforderlich wäre, denn die Menschen können sich selbst helfen heutzutage.
Hermann Bühlbecker ist seit 1978 Geschäftsführer der Aachener Printen- und Schokoladenfabrik Lambertz, 1992 wurde er Alleingesellschafter des Unternehmens. Seit 2010 lehrt der promovierte Betriebswirt auch als Honorarprofessor an der International School of Management in Dortmund.
Das Gespräch führte Klaus Ulrich.