Internationale Medien über die Koranverbrennungen
21. Juli 2023Die deutsche "Frankfurter Allgemeine Zeitung" wirbt dafür, die Freiheit zu schützen, wenn sie unter Druck steht. Sie schreibt: "Wenn in Stockholm die heilige Schrift der Muslime verbrannt oder mit Füßen getreten wird, hilft das keinem - außer den Extremisten auf beiden Seiten, die sich über jede Spirale von Hass, Gewalt und Gegengewalt freuen. Wirkliche Freiheit verteidigt so niemand." Weiter heißt es, die Freiheit brauche Regeln und Verantwortung: "Wird Freiheit absolut, ist sie am Ende nicht mehr als das Recht des Stärkeren, der Dinge tut, ganz einfach weil er es kann."
Die "Stuttgarter Zeitung" kritisiert hingegen die politische Taktik des irakischen Politikers und Predigers Moktada al-Sadr anlässlich des Sturms auf die schwedische Botschaft. Sie fragt aber auch, "warum ein EU-Staat wie Schweden eine bewusste Beleidigung einer Weltreligion zulässt" - und einem Politiker wie ihm damit noch einen Gefallen tue, da ihm der Vorfall die Möglichkeit gibt, sich zu positionieren: "Der irakische Prediger und Politiker Moktada al-Sadr setzt die Empörung der Iraker über die Koranverbrennungen in Schweden für seine politischen Zwecke ein. Sadr will nach einer politischen Auszeit wieder ins Rennen um die Macht in Bagdad einsteigen und spätestens in zwei Jahren die Regierung in Bagdad übernehmen. Ihm kommen die Provokationen in Stockholm gerade recht. Damit riskiert Sadr, dass die Proteste im Irak gegen westliche Islam-Feindlichkeit aus dem Ruder laufen, Menschen getötet werden und die Beziehungen zwischen dem Irak und der EU zerbrechen."
Auch welt.de bezieht sich auf die Konsequenzen, die die Koranverbrennung im Irak hat: "Es mag ja sein, dass dieser Irrsinn in Schweden legal ist. Aber es lässt sich nicht ein einziges legitimes Ziel denken, das die Protestler damit verfolgen würden. Der einzige Zweck dieses nihilistischen Kultes zeichenhafter Gewalt besteht darin, physische Gegengewalt zu provozieren - im Irak geht diese Saat bereits auf."
Die deutsche "Neue Osnabrücker Zeitung" fragt, ob es wirklich ein Ausdruck von Freiheit ist, die Koranverbrennung zu erlauben. Sie schreibt dazu: "Ein Beleg für Fortschritt und Respekt sind Koranverbrennungen jedenfalls nicht. Eine derartige Verletzung religiöser Gefühle ist eine Provokation mit Ansage. Dem sollten durchaus Grenzen gesetzt werden."
Die liberale schwedische Tageszeitung "Göteborgs-Posten" kommentiert: "Die religiösen Extremisten, die die schwedische Botschaft in Bagdad angegriffen haben, dürfen nicht darüber bestimmen, wie wir mit der schwedischen Meinungsfreiheit umgehen. Wir sollten nicht akzeptieren, dass jemand versucht, uns seine Normen, Werte oder Gesetze aufzuzwingen. Nur wenige dürften behaupten, dass das Verbrennen eines Korans etwas anderes als eine respektlose Handlung ist. Der eigentliche Sinn der Koranverbrennung besteht ja darin, seine Respektlosigkeit zu zeigen. Aber unsere Meinungsfreiheit ist ein Grundrecht, das geschützt werden muss, auch wenn wir selbst anderer Meinung sind und sie auf eine Weise ausgeübt wird, die verletzt. Denn die Meinungsfreiheit ist eine Voraussetzung für Demokratie, Debatte und Entwicklung."
In der schwedischen Zeitung "Dagens Nyheter" aus Stockholm kommentieren zwei Menschenrechtsaktivisten der Organisation "Civil Rights Defenders": "Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist ein grundlegendes Menschenrecht und eine notwendige Bedingung für eine freie und demokratische Gesellschaft, aber es ist nicht absolut und nur eines von mehreren Menschenrechten, zu deren Schutz sich Schweden verpflichtet hat. Ebenso grundlegend für eine demokratische Gesellschaft ist das Recht, nicht diskriminiert zu werden, und der Schutz vor rassistischer Diskriminierung. Aus diesem Grund gibt es in Schweden Gesetze gegen Hassverbrechen, (...) die jedoch sowohl von der Polizei als auch von der schwedischen Staatsanwaltschaft zu eng ausgelegt werden. Die Rechtsvorschriften müssen umfassender angewandt und Vorfälle von Hassreden in einen breiteren Kontext gestellt werden."
Die arabisch-sprachige Zeitung "RAI AL-YAWM" aus London meint, die eigentliche Verantwortung für den Brand in der schwedischen Botschaft liege "bei den schwedischen Behörden und ihren provokanten Aktionen gegen den Islam und die Muslime". Sie schreibt: "Es liegt auf der Hand, dass die Art der Meinungsfreiheit, wie man sie in Schweden versteht, zu einem Vorwand geworden ist, um viele Muslime und ihren Koran anzugreifen und ihre Bräuche und Traditionen lächerlich zu machen. Dies gilt insbesondere für Länder, die von der extremen Rechten regiert werden, und die auf von Hass getriebene Menschen setzen, um Zwietracht und Hetze zu verbreiten."
Die französische Zeitung "La Croix" wirbt für Verständnis auf beiden Seiten: "Man muss betonen, dass es in Schweden Rechte gibt, die es erlauben, im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung auf dem Koran herumzutrampeln oder ihn zu verbrennen. Aber man muss auch dazu ermuntern, Gläubige nicht gegeneinander aufzuhetzen, und in Erinnerung rufen, dass Angriffe auf den Koran wie auf jede andere heilige Schrift von vielen als beleidigend, respektlos und provozierend aufgefasst werden. Anfang Juli äußerte der Papst seine 'Wut und Abscheu' bezüglich dieser Angelegenheit und befand, dass 'die Meinungsfreiheit nie als Vorwand verwendet werden darf, um andere zu verachten'."
Die österreichische Zeitung "Die Presse" aus Wien fragt, ob es verboten sein sollte, den Koran oder andere heilige Schriften zu verbrennen. Sie schreibt dazu: "Nein, das sollte nicht nötig sein. Man sollte es nicht tun, es ist respektlos und unmoralisch, weil es andere Menschen sinnlos kränkt. Aber nicht alles, was unmoralisch ist, wird von unserem Recht als strafbar behandelt. Auch das ist eine Qualität eines säkularen Rechtsstaats."