Zibakalam widmet Preis „politischen Gefangenen“ in Iran
12. Juni 2018DW-Intendant Peter Limbourg überreichte die Auszeichnung. Sadegh Zibakalam, Politikwissenschaftler an der Universität Teheran, sagte in seiner Dankesrede beim Global Media Forum, Repression treffe in Iran Schriftsteller, Journalisten, Anwälte, Menschenrechtsaktivisten, Gewerkschafter, Studenten, Künstler, Dissidenten und oppositionelle Politiker. Auch religiöse Denker, denn, so Zibakalam, „das Ausmaß der politischen Repression verdeckt oft die religiöse Verfolgung“. Dass einige regimekritische Stimmen seit Jahren ohne Gerichtsverfahren unter Hausarrest stünden, sage ebenfalls viel über die Menschenrechtslage in Iran aus. Aktuell würden zudem Umweltaktivisten verfolgt, „eine neue Dissidentenkategorie“, so der Politikwissenschaftler.
Zibakalam sagte, er widme den Preis allen politischen Gefangenen in seiner Heimat, insbesondere dem Politiker Abbas Amirentezam, dessen 27 Jahre währende Gefangenschaft den Kampf für Demokratie und Freiheit symbolisiere.
Dieser Kampf stehe im Mittelpunkt der iranischen Zeitgeschichte. Und die „Sehnsucht nach demokratischen Werten“ sei an die junge Generation weitergegeben worden. Das Land habe „in den letzten zwei Jahrzehnten kleine, aber spürbare Fortschritte gemacht“, sagte Zibakalam, der die jüngere Geschichte des Landes Revue passieren ließ. Immerhin gebe es heute in Iran „ein halbes Dutzend Zeitungen, die als unabhängig bezeichnet werden können“. Und die Sozialen Medien seien „ein mächtiges Instrument, um den Kurs der politischen Öffnung und Demokratie in Iran zu unterstützen, trotz der ständigen Einmischung des Staates, diesen Einfluss einzudämmen“. Zibakalam resümierte: „Vielleicht wäre es keine Übertreibung, zu dem Schluss zu kommen, dass die Islamische Republik Iran nicht so düster und dunkel ist, wie es von außen scheint.“
Laudator Reinhard Baumgarten: „Zibakalam legt den Finger in offene Wunden“
„Professor Zibakalam löckt wider den Stachel und er eckt an“, sagte ARD-Korrespondent Reinhard Baumgarten in seiner Laudatio. „Er widerspricht den Scharfmachern seines Landes und legt den Finger in offene Wunden.“ So spreche der Politologe offen „über das gigantische Drogenproblem seines Landes, über die hohe Scheidungsrate, die Verarmung großer Teile der Bevölkerung, über leere Moscheen, steigende Arbeitslosigkeit, den wachsenden Groll vor allem junger Menschen und deren Desinteresse an vermeintlichen Erfolgen der Revolution“, so Baumgarten, der sechs Jahre aus Iran berichtet hat. „Und natürlich schäumen Irans Hardliner, wenn er Sinn und Umfang des iranischen Atomprogramms grundsätzlich und öffentlich infrage stellt“, so der Laudator.
Gleichwohl glaube Zibakalam an die Demokratiefähigkeit seines Landes. „Er will das herrschende System nicht abschaffen. Er will es reformieren.“ Baumgarten betonte, angesichts der allgegenwärtigen Zensur sei es mit hohen Risiken behaftet, in Iran offen über Probleme zu sprechen. „Überwachung wird großgeschrieben, sehr groß“, so Baumgarten.
Man müsse die sehr komplizierten Machtverhältnisse verstehen, nicht in Schwarz-Weiß-Kategorien denken, wie dies derzeit auf der großen politischen Bühne geschehe, beklagte er. Zibakalam hingegen kenne die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse seines Landes „bis in kleinste Detail“. Und Zibakalam finde Gehör – gerade bei jungen Leuten durch seine Präsenz in Sozialen Medien.
Baumgarten ging auch auf die Kritik am diesjährigen Preisträger ein. Sein Wirken sei keineswegs unwidersprochen geblieben. „Kritik und Schmähungen erntet er von eingeschworenen Gegnern ebenso wie von hartleibigen Befürwortern der Islamischen Republik. Manchen gilt er als dienstbarer Geist und Feigenblatt eines verruchten Regimes. Anderen als gefährlicher Konterrevolutionär und Defätist“, sagte Baumgarten.
Sadegh Zibakalam war im April von einem Revolutionsgericht zu 18 Monaten Haft verurteilt worden, blieb jedoch auf freiem Fuß. In einem DW-Interview hatte er über innenpolitische und soziale Gründe für die landesweiten Proteste in Iran gesprochen.
Baumgarten empfahl, die „zahlreichen Pflänzchen“ in der iranischen Zivilgesellschaft wahrzunehmen. Die Verleihung des Freedom of Speech Award der DW an Sadegh Zibakalam könne „all jene stärken und ermutigen, die für Rede- und Meinungsfreiheit im Iran eintreten“.
Der Freedom of Speech Award der Deutschen Welle würdigt eine Person oder Initiative, die eine herausragende Position für Menschenrechte und Meinungsfreiheit bezieht. Im vergangenen Jahr hatte die White House Correspondents’ Association (WHCA) in Washington, D.C. die Auszeichnung erhalten. Der inhaftierte saudische Blogger Raif Badawi war 2015 der erste Preisträger. 2016 zeichnete die DW den türkischen Journalisten Sedat Ergin aus.