1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Potsdam auf dem Weg in die Champions League

Alina Schwermer
24. April 2022

Turbine Potsdam macht beim 2:1 in Hoffenheim einen großen Schritt Richtung Champions League. Der FC Barcelona läutet mit dem 5:1 gegen Wolfsburg im Champions-League-Halbfinale eine Ära ein. Sand steigt wohl ab.

https://p.dw.com/p/4AMw8
Jubel der Spielerinnen von Turbine Potsdam nach einem Tor gegen Hoffenheim
Jubel bei Potsdam: Nach dem Sieg gegen Hoffenheim winkt die Teilnahme an der Champions LeagueBild: picture alliance / foto2press

Turbine Potsdam träumt von Europa

Wenige hätten vor der Saison darauf gewettet, dass ausgerechnet der geschundene Frauenverein Turbine Potsdam sich über den dritten Platz für die Champions League qualifizieren könnte. Die überzeugenderen Kandidatinnen waren die spielstarken Hoffenheimerinnen und die souveränen Frankfurterinnen. Umso mehr, nachdem sich Potsdams Shooting Star Selina Cerci schwer verletzte und Turbine mit dem härtesten Restprogramm in die letzten Spiele geht. Doch manchmal hat der Fußball ein Herz für den Underdog und die unwahrscheinliche Geschichte. Gegen die direkten Konkurrentinnen in Hoffenheim hat sich Turbine einen 2:1-Sieg regelrecht erstritten. Durch einen unberechtigten Elfmeter war Potsdam zunächst in Rückstand geraten, hatte dann aber Glück im Unglück, als kurze Zeit später Fabienne Dongus zurecht vom Platz flog. Mit dichtem Mittelfeld, kluger taktischer Ausrichtung und permanentem Anlaufen nahmen die Brandenburgerinnen Hoffenheim den Spaß am Spiel - und machten aus zwei Chancen zwei Tore.

Die Verhältnisse haben sich damit verkehrt: Hoffenheim hat nur noch theoretische Aussichten auf Platz drei. Und Turbine reicht ein Remis im nächsten Spiel gegen die drei Punkte zurückliegenden Frankfurterinnen für die Sensation. Das Startgeld der Champions-League-Gruppenphase von 400.000 Euro könnte der Klub gewiss gebrauchen. Es dürfte eine der letzten Chancen sein, als Frauenverein an die Fleischtöpfe zu kommen und so den unweigerlichen Niedergang zumindest zu verlangsamen. Nicht zuletzt wäre es der Lohn für eine starke Saison, in der der Verein aus geringeren spielerischen Mitteln alles rausholte. Der 2:1-Erfolg darf auch als Bestätigung der eigenen Nachwuchsarbeit gelten: Mit der 22-jährigen Melissa Kössler traf ein Eigengewächs zum Ausgleich, Siegtorschützin Dina Orschmann ist Berlinerin und schaffte ebenfalls über Potsdam den Sprung in die Bundesliga. 

In Sand gehen die Lichter aus

Der SC Sand stolpert dagegen in Richtung Abstieg. Nach dem 1:7--Desaster gegen den SC Freiburg ist ein Klassenerhalt nur noch theoretisch möglich, das erhoffte Wunder wie in der letzten Saison blieb aus. Auch infrastrukturell passt der Dorfverein kaum mehr in diese zunehmend aufgerüstete Liga: Flutlicht gehört zur Lizenzierung, Sand hat keine Anlage. Eine halbe Million Euro kostet sie laut SWR, der Verein kann das nicht stemmen. Nun hat der SC mit "Licht für den SC Sand" eine Spendenkampagne ins Leben gerufen. Mit dem Abstieg würden zudem die 350.000 Euro DFB-Geld aus der ersten Liga größtenteils wegfallen. Dennoch möchte der Dorfverein eine Flutlichtanlage stemmen - ein Bekenntnis zum professionellen Fußball, heißt es. In der nächsten Saison dürfte dieser allerdings in der 2. Liga stattfinden.  

Sternstunde des FC Barcelona vor Weltrekordkulisse

So berauschend war dieses Spiel, dass man auch in Deutschland nach dem Halbfinalhinspiel der Champions League kaum über den VfL Wolfsburg sprach. Nicht über die riesigen Abwehrlöcher der Pokalfinalistinnen und mutmaßlichen deutschen Meisterinnen, die gegen Barcelona keinen Stich sahen, nicht über die Glanzparaden von Almuth Schult, die beim 1:5-Debakel Schlimmeres noch verhinderte, nicht darüber, was es wohl über die Qualität der Bundesliga sagt, wenn der Primus derart chancenlos rasiert wird (nicht allzu viel: Sowohl in Deutschland als auch in Spanien ist fast die gesamte Liga drei Klassen schlechter als die Meisterinnen). Die Schlagzeile war nicht einmal die Weltrekordkulisse von 91.648 Fans im Camp Nou. Sondern schlicht: die Schönheit des Spiels. Aitana Bonmati, Alexia Putellas, Jenni Hermoso und das ganze Kollektiv spielten 90 Minuten lang so technisch elegant, so gedankenschnell, offensivfreudig und bezaubernd schön, wie man das aus besseren Zeiten des Männerteams kennt. Und immer zwei Ideen zu flink für Wolfsburg.

Torhüterin Almuth Schult vom VfL Wolfsburg läuft hinter Alexia Putellas vom FC Barcelona her, die den Ball ins leere Tor schiebt
Keine Chance für VfL-Torfrau Almuth Schult (l.): Alexia Putellas (r.) trifft für den überlegenen FC BarcelonaBild: LLUIS GENE/AFP/Getty Images

Der 5:1-Sieg, der auch ein 10:1 hätte sein können, markiert wohl den Beginn einer Ära. Die Titelverteidigerinnen aus Barcelona sind auf dem Weg, das etwas müde gewordene Star-Ensemble aus Lyon abzulösen. Der Sieg über Wolfsburg könnte, wenn nichts sehr Unvorhergesehenes passiert, eine neue Geschichte der Dominanz einläuten, nach altem Barcelona-Rezept: überragendes Passspiel, einige Eigengewächse, teure Stars. Und die von den Männern nicht verwöhnten Fans feierten die Frauen. Auch in dieser Hinsicht fühlte sich das Spiel nach Zeitenwende an. Eine Wende hin zu noch mehr Geld, noch mehr Dominanz der immer gleichen Großklubs, mehr Verdrängung, mehr Leistungskult. Und all dem, was man hassen könnte, sähe das Spiel nicht so schön aus. In der zweiten Partie siegte Lyon mit 3:2.        

Mehrheit von cis Athletinnen ist für trans Frauen im Frauensport

Um trans Sportlerinnen im Frauensport gab es in den letzten Jahren so erhitzte Debatten, dass man sich erstaunt fragen musste, ob es keine wichtigeren Empörungsthemen gibt. Vor allem rechte Politikerinnen und Politiker nutzen das Thema zunehmend für Stimmungsmache und Verbote. Eine Studie in England, Australien und Kanada hat nun festgestellt: Die Sportlerinnen selbst sehen trans Kolleginnen größtenteils entspannt. In einer Umfrage in zwölf Klubs aus sechs Sportarten waren nur 24 Prozent der cis Sportlerinnen der Ansicht, trans Sportlerinnen hätten "unfaire Vorteile". Das deckt sich mit anderen Studien. An einen unfairen Vorteil glaubten allerdings 46 Prozent der cis Männer, in anderen Untersuchungen sogar zwei Drittel. Die Debatte sagt mithin vor allem etwas über männliche Abwertung von Frauensport.