Microsoft-Urteil
17. September 2007Der Vorsitzende Richter Bo Vesterdorf ratterte in monotonem Singsang in einigen Minuten das bedeutende Urteil herunter. Microsoft hat in allen entscheidenden Punkten verloren, muss wegen Missbrauchs seines Monopols eine Rekordstrafe von fast 500 Millionen Euro zahlen und Teile seiner Programm-Quellcodes für die Konkurrenz offen legen. Siegesgewiss trat die EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes nach der Urteilsverkündung am Montag (17.9.2007) vor die Mikrofone: "Das Gericht hat bestätigt, dass Microsoft nicht länger verhindern darf, dass der Markt ordentlich funktioniert. Computer-Nutzer haben deshalb ein Recht auf Auswahl."
Noch keine Entscheidung über Berufung
Im März 2004 hatte die EU-Kommission in einer beispiellosen Entscheidung dem Software-Riesen Rekordstrafen auferlegt und angeordnet, dass Mitbewerber Zugang zu urheberrechtlich sensiblen Daten bekommen, um eigene Programme für das Windows-Betriebsystem schreiben zu können. Auch die Verquickung des Medien-Abspielers "Media-Player" mit dem Betriebssystem ist illegal. Microsoft hat in jahrelangen Verhandlungen mit der EU-Kommission nur sehr zäh und scheibchenweise Zugeständnisse gemacht. Der Chef-Justiziar von Microsoft, Brad Smith, verkündete: "Wir werden das Urteil sehr genau lesen und dann, falls nötig, zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um es zu befolgen."
Gleich nach dem Urteil ging EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes erneut in die Offensive und forderte Microsoft in scharfem Ton auf, nun endlich alle Auflagen zu erfüllen. Die Firma dürfe mit ihrem Monopol nicht weiter die Entwicklung neuer Produkte verhindern. In den letzten Jahren sei der Marktanteil von Microsoft bei Gruppenservern fast verdoppelt worden. Der Media-Player habe inzwischen eine dominante Stellung erreicht. In den Bereichen, die Microsoft beherrscht, habe es keine nennenswerte Innovation mehr gegeben, beklagte Neelie Kroes. "Für neue Unternehmen gibt es kein Wagnis-Kapital, weil Investoren sich andere Märkte außerhalb des Zugriffs des Monopolisten suchen", sagte sie.
Weitere Schritte gegen Microsoft?
Ob mit dem Urteil das letzte Wort der EU-Kartellwächter gegen den Konzern gesprochen ist, bleibt abzuwarten. Weitere Geldstrafen gegen Microsoft sind nicht ausgeschlossen. Die EU-Kommission untersucht derzeit auch, ob die aktuelle Windows-Version Vista gegen Wettbewerbsauflagen verstößt. Microsoft kann gegen das Urteil binnen zwei Monaten in Berufung gehen.
Der Vorsitzende des Gerichts Erster Instanz, Bo Vesterdorf, hat übrigens zum letzten Mal ein Urteil verkündet. Nach dieser wegweisenden Entscheidung in seinem größten Fall geht der Däne in Pension.