Stichwort: Microsoft-Verfahren
17. September 2007
Das Europäische Gericht erster Instanz hat das Vorgehen der EU-Kommission gegen Microsoft auf ganzer Linie bestätigt. Lediglich in einer Frage, der Berufung eines Bevollmächtigten mit weitreichenden Kompetenzen zur Überwachung des US-Konzerns, bekam Microsoft Recht. Die wesentlichen Streitpunkte und die Stellungnahmen des Gerichts dazu:
Missbrauch marktbeherrschender Stellung
Die EU-Kommission verhängte 2004 eine Rekordstrafe von 497 Millionen Euro gegen Microsoft, weil der Konzern versucht habe, seine beherrschende Stellung auf dem Markt für PC-Betriebssysteme auf den Markt für Server-Software auszuweiten. Dazu habe Microsoft sein Betriebssystem Windows 2000 für PCs mit seiner Server-Software in einer Weise gebündelt, dass nur diese uneingeschränkt kompatibel seien. Der Gerichtshof bestätigte, durch dieses Vorgehen seien die Kaufentscheidungen der Verbraucher "kanalisiert worden". Zudem zeigten Unterlagen des Konzerns selbst, "dass Microsoft seine dominante Position auf dem Markt für PC-Betriebssysteme als Hebel genutzt hat". Als Beleg wird auch eine Rede des Microsoft-Gründers Bill Gates von 1997 zitiert. Gates habe damals erklärt: "Was wir versuchen, ist, unsere Kontrolle über Server für neue Protokolle zu nutzen und (die Microsoft-Konkurrenten) Sun und Oracle auszuschließen."
Interoperabilität
Die EU-Kommission verpflichtete Microsoft im Jahr 2004 dazu, seinen Konkurrenten technische Informationen über das Betriebssystem Windows zur Verfügung zu stellen. Dadurch sollte den Wettbewerbern ermöglicht werden, ihre Software-Produkte für Server mit der auf über 90 Prozent aller PCs weltweit installierten Windows-Plattform kompatibel zu machen. Microsoft sieht sich durch diese Auflage in seinen Urheberrechten verletzt. Das Gericht verwies jedoch auf die "einzigartige" Position von Windows mit einem Marktanteil von über 90 Prozent. In einem solchen Fall sei es zulässig, "im Interesse der Öffentlichkeit an einem effektiven Wettbewerb auf dem Markt das Recht am geistigen Eigentum einzuschränken".
Media Player
Microsoft bietet seine Musik- und Video-Abspielsoftware Media Player als integralen Bestandteil seines Betriebssystems Windows an. Die EU-Kommission warf dem US-Konzern vor, den Verbrauchern dadurch die Wahl einer anderen Abspielsoftware zu erschweren, zumal sich der Media Player von Windows nicht ohne weiteres trennen lasse. Deswegen müsse Microsoft neben dem Paket auch eine Windows-Version ohne Media-Player anbieten. Das Gericht bestätigte auch diese Auflage. Durch die Verknüpfung mit Windows habe der Media Player "automatisch eine Marktdurchdringung erreicht, die der des Windows-Betriebssystems entspricht, und dies ohne mit den Qualitäten anderer Produkte konkurrieren zu müssen".
Verfahrensbevollmächtigter
Zur Überwachung der Auflagen setzte die EU-Kommission im Oktober 2005 den IT-Experten Neil Barrett als Bevollmächtigten ein. Dieser durfte auf Antrag der Kommission oder einer dritten Partei die von Microsoft zur Verfügung gestellten Unterlagen überprüfen. Das Gericht kritisiert, die EU-Kommission dürfe solche Kompetenzen nicht auf einen Außenstehenden übertragen. Zudem habe sie Microsoft zu Unrecht die Bezahlung des Bevollmächtigten auferlegt. (AP/rri)