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Massentourismus: Portugal leidet immer stärker

Jochen Faget
2. August 2019

Der Tourismusboom beschert Portugal jedes Jahr neue Rekordzahlen und bringt viel Geld ins Krisenland. Doch er verursacht immer größere Umweltprobleme, die von der Regierung einfach ignoriert werden.

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Bild: picture alliance / imageBROKER

Süßer haben die Kassen des Tourismus in der portugiesischen Hauptstadt nie geklingelt: Rund 30 Millionen Fluggäste kamen 2018, ein Anstieg um stolze 81 Prozent allein in den vergangenen fünf Jahren.

Im neu gebauten Kreuzfahrtschiffhafen von Lissabon sollen 2019 mindestens 600.000 Urlauber von Bord gehen, mehr als 300 Ozeanriesen legen dort inzwischen jährlich an. Doch der anhaltende Touristenboom bringt nicht nur viel Geld, sondern vor allem große Umweltprobleme, um die sich niemand kümmern will.

"Anders als beispielsweise in Frankfurt, gibt es in Lissabon so gut wie keine Nachtflugbeschränkungen. Und die wenigen, die hinsichtlich der Flugzahlen bestehen, werden nicht eingehalten", erklärt Francisco Ferreira von der Umweltschutzorganisation Zero.

Die Aktivisten haben nachgemessen und kamen zu katastrophalen Ergebnissen, allein schon beim Lärm: 66,2 Dezibel statt der erlaubten 50 nachts, 74,5 Dezibel statt 65 tagsüber. Mitten in der Stadt, in einem Wohngebiet, an dessen Rand die Universität Lissabons steht: "Die landenden Flugzeuge donnern nur hundert Meter über den Hausdächern hinweg, die Einwohner haben vor allem in der Hochsaison im Sommer keine ruhige Minute." Dazu komme, so Umweltschützer Ferreira, noch die schwere Belastung mit Feinstaub und Flugzeugabgasen.

Portugal Lissabon | Kreuzfahrtschiffe-Anleger
Das sehen Kreuzfahrttouristen demnächst als erstes von Portugal: Das neue Kreuzfahrtterminal in Lissabon.Bild: DW/J. Faget

Tourismus verstärkt Umweltbelastung

Nicht viel gesünder leben die Lissabonner am anderen Ende der Stadt, dem Tejo-Fluss. Dort wurde vor zwei Jahren für mehr als 50 Millionen Euro ein modernes Kreuzfahrt-Terminal gebaut, seitdem stinken die ebenfalls von den Zero-Umweltschützern gemessenen Belastungswerte zum Himmel.

Der Hafen Lissabons ist der am sechststärksten verschmutzte in Europa, was Schwefeldioxyd und Feinstaub betrifft; alle Kreuzfahrtschiffe vor Portugals Küste - die wegen des Booms ebenfalls immer zahlreicher werden - stoßen 86 Prozent mehr Schwefeldioxyd aus, als der gesamte Autoverkehr des Landes. "Zwar ist Lissabon inzwischen bei Kreuzfahrten beliebter als Barcelona", stellt Ferreira fest. "Doch wenn ein Schiff im Hafen liegt, sind der Lärm in der Altstadt und die Luftverschmutzung im Hafen viel zu hoch."

Portugals zuständige Behörden und Politiker ficht das nicht an. "Obwohl die Regierung immer wieder von Nachhaltigkeit und Emissionsneutralität redet, wagt sie sich nicht an den Umweltbereich", meint der Umweltschützer Francisco Ferreira. Denn die Tourismusindustrie steht inzwischen für weit mehr als 15 Milliarden Euro Einnahmen im Jahr, die das Dauerkrisenland dringend braucht. Also wird der Umweltschutz eher unternehmensschonend betrieben, selbst bei schweren Vorschriftsverstößen gern ein Auge zugedrückt.

Portugal Lissabon | Kreuzfahrtschiffe-Anleger
Das neue Kreuzfahrtterminal: modern, kühl und ambitioniert - und bereit, Tausende auf einmal in die Stadt zu lassen.Bild: DW/J. Faget

Abgasmessung? Gerne, wenn die EU dafür bezahlt

Der Staat tut nichts. Oder genauer: Er tut jedenfalls weniger, als zum Gesundheitsschutz der eigenen Bürger getan werden könnte. Anders als in inzwischen vielen Häfen, können Kreuzfahrtschiffe in Lissabon nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen werden, um Lärm und Abgase zu verringern. Ihnen wird lediglich nahegelegt, weniger schädliches Dieselöl zu verbrennen, solange sie angelegt haben.

Abgasmessstationen sollen erst eingerichtet werden, wenn sie von der EU vorgeschrieben und dann auch bezuschusst werden. Obwohl bereits jetzt fast jeden Tag ein Schiff im Hafen liegt, buhlen der Staat und Lissabons Bürgermeister unbeirrt um noch mehr Kreuzfahrtschiffe.

Beim Flughafen ist die Lage noch dramatischer: Der liegt nicht nur fast mitten in der Stadt, er platzt auch noch aus allen Nähten. Tagsüber lärmen die Jets fast ununterbrochen, trotzdem soll die Kapazität noch erhöht werden. Demnächst sollen die Urlaubermaschinen fast im Minutentakt landen. "Oft finden pro Nacht mehr als 30 Starts und Landungen statt, obwohl nur 26 zugelassen sind," rechnet Francisco Ferreira vor. "Bei unserer Umweltschutzorganisation Zero beschweren sich immer mehr Anwohner!"

Konsequenzen hat das jedoch nicht: Das für den Hafen zuständige Meeresministerium wiegelt ab, alle Vorschriften würden beachtet. Und in Sachen Flughafen schweigt das Umweltministerium sich zu illegalen Nachtfügen ebenso aus wie zur gefährlichen Umweltbelastung. Die zuständigen Behörden, heißt es lediglich, kümmerten sich um die Einhaltung der Gesetze.

Portugal Lissabon | Francisco Ferreira von der Umweltschutzorganisation Zero
Francisco Ferreira von der Umweltschutzorganisation Zero bei der Arbeit.Bild: DW/J. Faget

Neuer Flughafen, alte Fehler

"Wie die Regierung in Sachen Tourismusprojekte zur Umwelt steht, zeigt der geplante zweite Flughafen von Lissabon", kritisiert Umweltschützer Ferreira: Der werde am Rande eines wichtigen Vogel- und Naturschutzgebietes am Südufer des Tejo geplant. "Die jetzt vorgestellte Umweltstudie geht auf keinen der vorgeschlagenen Alternativstandorte ein. Die Regierung will so die Diskussion darüber verhindern, ob mindestens weitere 40 Jahre ein Flughafen mitten in der Stadt betrieben werden soll."

Der Zusatzflughafen, für den die Regierung sich entschieden hat, kommt mit 50 Millionen Euro billiger als ein neuer Großflughafen. Und obwohl die Studie erhebliche Umweltprobleme benennt -vor allem die Lärmbelästigung für die Bewohner der Nachbarstädte - spricht sie sich für den Bau aus.

Den Ergebnissen kann jetzt öffentlich widersprochen werden, die Umweltschutzorganisation Zero hat es bereits getan. "Wir werden bis zum Ende gegen diese umweltschädigende Lösung kämpfen", verspricht Francisco Ferreira. "Auch wenn es jetzt noch so aussieht, dass wir nur geringe Chancen haben."