So hat die Popmusik auf die Pandemie reagiert
31. Dezember 2020Abgesagte Tourneen, geschlossene Konzerthäuser und Clubs... Die Corona-Pandemie setzt der Musikszene spätestens seit dem ersten Lockdown im Frühjahr heftig zu. Doch so schnell lässt sich Musik nicht kleinkriegen, und auch in einer der schwersten globalen Krisen bahnt sie sich ihren Weg in die Ohren der Menschen - auf ganz verschiedene, kreative Arten und Weisen:
...als verbindendes Element
Als im März die Corona-Situation in Italien eskalierte, war ein strenger Lockdown mit Ausgangsbeschränkungen die Folge. Die Italiener blieben zu Hause - und begannen in landesweiten Flashmobs, gemeinsam zu singen. Ein Glück, dass es Popmusik gibt, die jeder mitträllern kann. Denn neben einigen lokalen Evergreens und der Nationalhymne wurden vor allem italienische Hits gesungen. Beliebt waren zum Beispiel Toto Cutugnos Pop-Hommage an seine Nation - "Lasciatemi cantare" -, aber auch neuere Songs wie Andrea Sanninos "Abbracciame". Auf Deutsch übersetzt heißt das: "Umarm mich".
...als Instrument der Aufklärung:
Die Nachrichten aus Italien machten aber auch deutlich, wie schnell das Coronavirus die Gesundheitssysteme selbst von Industrienationen überlasten konnte. Weltweit stieg die Sorge: Wenn ein Land wie Italien dermaßen unter dem Virus leidet, wie sollte es dann erst Regionen mit einer schlechteren Gesundheits-Infrastruktur ergehen?
Während sich die Lage in Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika verschlimmerte, taten sich afrikanische Länder mit besonders kreativen und erfolgreichen Ansätzen hervor. Das vielleicht bekannteste Beispiel ist der "Corona Virus Alert!".
So heißt das Lied des ugandischen Politikers und Popstars Bobi Wine, in dem er gemeinsam mit dem Sänger Nubian Li über das Coronavirus aufklärt. Zu einem entspannten Afrobeat singen die beiden über Symptome sowie Schutzmaßnahmen und rufen ihre Zuhörer dazu auf, mit persönlichem Handeln Teil der Lösung zu werden.
Bobi Wine ist der wahrscheinlich bekannteste Oppositionspolitiker in Uganda. Er wollte im Januar 2021 bei der Wahl gegen Langzeit-Präsident Yoweri Museveni antreten.
Sein Corona-Song ging in den sozialen Netzwerken schnell viral und wurde auch deshalb zum Startschuss für die UNESCO-Kampagne #DontGoViral, bei der afrikanische Musiker in Liedern mit Fake-News über das Virus aufräumten. Bisher sind die meisten afrikanischen Staaten trotz großer Befürchtungen besser durch die Pandemie gekommenals viele westliche Staaten.
...als Partner der Wissenschaft:
Früh war auch in Deutschland klar: Bis die Forschung nicht mehr Informationen über das Coronavirus hat, müssen Großveranstaltungen wie Konzerte erst einmal abgesagt werden. Gleichzeitig brauchte man die Erkenntnisse aus großen Veranstaltungen, um die Gefahr von Konzerten einschätzen zu können - und Wege zu finden, wie Sänger, Bands oder Orchester mit einem möglichst geringen Risiko weiter auftreten könnten.
Die Lösung: ein Testkonzert mit Popstar Tim Bendzko. 1.500 Freiwillige kamen in die Mehrzweckhalle und Konzertlocation Arena Leipzig und nahmen an verschiedenen Konzertsimulationen teil. Das Universitätsklinikum Halle wertete die erhobenen Daten aus und veröffentlichte die Ergebnisse. Die Erkenntnisse aus Studien wie dieser werden auch im kommenden Jahr noch wichtig sein.
...als politische Kraft:
Bei allen negativen Folgen, die die Corona-Krise hatte und noch haben wird, entstanden gleichzeitig viele Momente des Zusammenhalts und der Solidarität. Besonders viele Menschen erreichte das Festival "One World Together at Home", das über einen Live-Stream stattfand.
Superstars wie Lady Gaga, Billie Eilish, Elton John, Paul McCartney oder Stevie Wonder gaben aus dem Wohnzimmer heraus Live-Konzerte und riefen ihre Zuhörer dazu auf, zu Hause zu bleiben.
Erklärtes Ziel des Streaming-Festivals war es vor allem, Regierungen und große internationale Unternehmen zu mehr Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu drängen. Wenn Popmusik das nächste Mal ihr politisches Potenzial abgesprochen werden sollte, wäre dieses Konzert ein gutes Gegenargument.
...als Innovationsmotor:
Es war definitiv ein ungewöhnlicher Anblick, der sich den Zuschauern von Jan Böhmermanns Satiresendung "ZDF Magazin Royale" bot: Per 3D-Hologramm wurde der französische Sänger Woodkid auf die Kölner Bühne projiziert und performte gemeinsam mit dem anwesenden Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld seinen Song "Highway 27".
Aufgenommen wurde der Live-Auftritt des 37-Jährigen in einem speziellen Studio in Grenoble. Über eine Technik, mit der sonst Videospiele erstellt werden, wurden die Lichteffekte und Positionsdaten simultan dem Kölner Studio angepasst, in dem die Sendung Böhmermanns aufgezeichnet wird. Ziemlich aufwändig also, vielleicht aber auch eine Technik für die Zukunft nach Corona. Denn so können Künstler theoretisch von überall aus auftreten - und der Auftritt ist als 360°-Video gleichzeitig besser konserviert als je zuvor.
Am 31.12.2020 widmet sich die Deutsche Welle mit einem Thementag der Popmusik. "Pop24" läuft ab 9 Uhr MEZ 24 Stunden lang auf dw.com/tvdeutsch-live.