Armenien: Polizei geht gegen Demonstranten vor
22. April 2018Am zehnten Tag der Straßenproteste ist die armenische Polizei mit Gewalt gegen Demonstranten vorgegangen. Sicherheitskräfte führten im Zentrum der Hauptstadt Eriwan den Oppositionsführer und Anführer der Proteste, Nikol Paschinjan, ab. Das berichteten örtliche Medien. "Die samtene Revolution ist unumkehrbar, ihr Sieg ist unabwendbar", rief Paschinjan nach Augenzeugenberichten zuvor etwa 40.000 Menschen im Zentrum der Hauptstadt zu.
"Die Leute müssen Nikol befreien", sagte der oppositionelle Abgeordnete Sasun Mikaeljan vor Journalisten, bevor er selbst festgenommen wurde. Die Polizeikräfte setzten nach Augenzeugenberichten Blendgranaten gegen die Menge ein. Die Festnahme des Oppositionspolitikers bestreiten die Behörden.
Öffentliche Rücktrittsforderung
Paschinjan war kurz zuvor mit dem umstrittenen Regierungschef und ehemaligen Präsidenten Sersch Sarkissjan zusammengetroffen und hatte diesen vor laufenden Kameras zum Rücktritt aufgefordert. Zum Auftakt des Treffens sagte Paschinjan zu Sarkissjan: "Ich bin hierher gekommen, um mit Ihnen über Ihren Rücktritt zu sprechen." Der Ministerpräsident warf ihm daraufhin "Erpressung" vor. "Das sind keine Verhandlungen, das ist kein Dialog, dass ist Erpressung der gesetzmäßigen Staatsmacht", sagte er vor laufenden Kameras und verließ nach einem weiteren kurzen Wortwechsel den Raum. Nach zwei Minuten war das Gespräch beendet.
Erst am Samstag hatten wieder zehntausende Menschen in der Hauptstadt Eriwan gegen Sarkissjan protestiert. Sie fordern den Rücktritt des vom Kreml unterstützten 63-Jährigen, den sie für Armut, Korruption und den großen Einfluss von Oligarchen in der Kaukasusrepublik verantwortlich machen. Sarkissjan war vergangene Woche nach zwei Amtszeiten aus dem Präsidentenamt in dem Drei-Millionen-Einwohner-Land ausgeschieden. Am Dienstag wurde er zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. Die Demonstranten werfen ihm vor, dass er damit nur an der Macht festhalten will. Durch eine umstrittene Verfassungsreform, die im Dezember 2015 per Referendum gebilligt wurde und nun in Kraft trat, wird das Amt des Ministerpräsidenten deutlich aufgewertet. Die wahre Macht liegt damit bei Sarkissjan. Das Staatsoberhaupt hat dagegen nun vorwiegend repräsentative Aufgaben.
sam/stu (afp, dpa)