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Politik

Politische Lage in Tunesien verschärft sich

29. Juli 2021

Nach der Entmachtung der Regierung in Tunis mehren sich die Rufe nach baldiger Stabilität. Doch Staatschef Saied tauscht weiter führende Köpfe aus. Und die Justiz ermittelt gegen die Ennahda-Partei.

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Polizisten und Absperrgitter in Tunis
Polizisten riegeln den Amtssitz des entlassenen Ministerpräsidenten Hichem Mechichi ab Bild: Adel Ezzine/Xinhua/Imago Images

Der tunesische Präsident Kais Saied hat den Leiter des staatlichen Fernsehsenders, Mohamed al-Dahach, aus dem Amt entfernen lassen. Auf seinem Posten wurde ein vorübergehender "Ersatz" platziert, wie das Büro von Saied in Tunis mitteilte. Außerdem sollen weitere hohe Regierungsbeamte entlassen worden sein.

Präsident will hart gegen Korruption vorgehen 

Saied selbst traf sich mit führenden Vertretern der Unternehmergewerkschaft UTICA und deutete dabei an, es stehe ein hartes Durchgreifen gegen Korruption bevor. Er habe nicht "die Absicht, Geschäftsleute zu schädigen". Aber falsche wirtschaftliche Entscheidungen hätten zu großen finanziellen Problemen geführt. 460 Personen hätten Tunesien 13,5 Milliarden Dinar (rund 4,1 Milliarden Euro) gestohlen, erklärte Saied. Der frühere Juraprofessor bot eine "strafrechtliche Einigung" an, wenn das Geld zurückgegeben werde. 

Am Sonntag hatte der Präsident die Entlassung von Regierungschef Hichem Mechichi sowie die Aussetzung der Arbeit des Parlaments angeordnet. Darüber hinaus befahl er die Aufhebung der Immunität aller Abgeordneten. Seither wurden Regierungsberater und Regierungsbeauftragte abgesetzt. Saied entließ zudem den Staatsanwalt der Armee sowie die Minister für Verteidigung und Justiz.

Präsident Kais Saied im Palast von Karthago in Tunis
Präsident Kais Saied (M.) berät sich am Mittwoch mit führenden Militärs und Sicherheitsbeamten Bild: Tunisian Presidency/AA/picture alliance

Einflussreiche tunesische Nichtregierungsorganisationen warnten jetzt in einer gemeinsamen Erklärung vor einer "unrechtmäßigen" Verlängerung der von Saied veranlassten Aussetzung der Parlamentsarbeit. Die laut Verfassung zulässige Frist von 30 Tagen müsse unbedingt respektiert werden.

Frankreichs Außenminister telefoniert 

Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian betonte in einem Telefonat mit seinem tunesischen Kollegen Othman Jerandi "die Notwendigkeit der schnellen Nominierung eines Ministerpräsidenten und der Bildung einer Regierung, die in der Lage ist, den Erwartungen der Tunesier gerecht zu werden". Die demokratischen Institutionen müssten schnell wieder normal funktionieren.

Vorausgegangen waren Proteste gegen das Corona-Krisenmanagement der Regierung in mehreren Städten. Während Saied sein Handeln im Einklang mit der Verfassung sieht, spricht die größte Partei, die islamistisch geprägte Ennahda, von einem "Putsch". Der ranghohe Ennahda-Funktionär Noureddine B'Hiri sagte nun der Nachrichtenagentur AFP in Tunis, die Partei habe beschlossen, "eine friedliche Kampagne zu führen, um die Pläne des Präsidenten zu vereiteln". Zur Wahrung der Demokratie im Land sei die Partei auch zu vorgezogenen Neuwahlen bereit. Zuvor müssten jedoch das Parlament seine Arbeit wieder aufnehmen und das Militär seine Kontrolle beenden.

Ermittlungen gegen Ennahda

Unterdessen teilte die tunesische Staatsanwaltschaft mit, sie ermittele wegen mutmaßlicher illegaler Parteienfinanzierung gegen die Ennahda sowie die ihr nahestehende liberale Partei Kalb Tounes und die Aich-Tounsi-Bewegung. Es gehe um den Verdacht "der Finanzierung aus dem Ausland und der Annahme von Geldern unbekannter Herkunft während des Wahlkampfes 2019".

Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters wurden die Ermittlungen allerdings bereits am 14. Juli eröffnet, also vor der Entlassung des Regierungschefs und der Entmachtung des Parlaments. Mechichi wurde als Ministerpräsident von den beiden stärksten Fraktionen Ennahda und Kalb Tounes unterstützt.

se/mak (afp, rtr, ap)