Polen: PiS greift nach privaten Medien
9. Dezember 2020Verkündet wurde der Deal in der zu dem deutschen Medienunternehmen gehörenden "Passauer Neue Presse" am Montag: Der für Polen verantwortliche geschäftsführende Gesellschafter der Verlagsgruppe Passau, Alexander Diekmann, teilte mit: "Wir haben uns aus strategischen Gründen für den Verkauf unserer polnischen Aktivitäten entschlossen". Die Transaktion ermögliche es dem Unternehmen, in Deutschland weiter zu wachsen.
"Wir übernehmen den Verlag Polska Press", sagt derweil der Vorstandsvorsitzende des Ölkonzerns Orlen, Daniel Obajtek, in einer Internet-Videobotschaft. Das Unternehmen, an dem der polnische Staat 27,5 Prozent Anteile hält und damit der größte Aktionär ist, besitzt nun 20 von 24 Regionalzeitungen in Polen. Hinzu kommen rund 120 regionale Wochenzeitschriften und 500 Online-Portale. Damit habe Orlen nun Zugang zu 17,4 Millionen Nutzern, so Obajtek. Das helfe, das Marketing der Firma zu optimieren und neue Kunden zu gewinnen.
Die "Nationalisierung" der Medien war eine der wichtigsten Parolen der polnischen Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" ("Prawo i Sprawiedliwość", kurz "PiS") in den Wahlkämpfen der vergangenen Jahre. Gleich nach ihrem Wahlsieg im Jahre 2015 hatte die PiS-Regierung die öffentlich-rechtlichen Medien an die Kandare genommen. Kritische Journalisten wurden entlassen oder kündigten von sich aus.
Im nächsten Schritt sollten private Medien folgen, von denen bisher ein Großteil ausländischen Unternehmen gehörte. Den Ton gab PiS-Chef Jarosław Kaczyński vor: "Staaten, die etwas zählen in der EU - und so ein Staat wollen wir sein -, schützen ihren Markt. Aber wir haben hier eine völlig falsche Situation. Das sollten wir Schritt für Schritt ändern, sodass so viele Medien wie möglich polnisch werden, natürlich im Einklang mit den Regeln zivilisierter Staaten."
Die Logik der PiS
Die PiS meint, Medien in ausländischem Besitz würden von Politikern in Berlin oder Washington gesteuert und produzierten regierungskritisches Material. Vor allem stark in Polen präsente deutsche Verlagsgruppen sind der Regierungspartei ein Dorn im Auge. Medien sollen in polnischer, am besten in staatlicher Hand sein.
Auch der Axel-Springer-Verlag ist in Polen aktiv zusammen mit dem Schweizer Medienhaus Ringier AG. Vorstandsvorsitzender des gemeinsamen Tochterunternehmens Ringier Axel Springer Polska (RASP) ist Mark Dekan. Er lieferte aus Sicht von Kritikern in Polen mehrere "Beweise" für den ausländischen Einfluss in der polnischen Medienlandschaft - eine Logik, die manchmal nicht weit vom verschwörungstheoretischen Denken liegt.
Als 2017 Donald Tusk als Präsident des Europäischen Rates wiedergewählt wurde, schrieb Dekan in einem Brief an die polnischen Mitarbeiter des Verlags, das sei eine Niederlage für PiS-Chef Kaczyński und die "Ideologie der primitiven Manipulationen". Er appellierte an die Journalisten, sie mögen den Lesern erklären, was man machen müsse, um auf der "Schnellstraße EU" zu bleiben, statt auf einem "Parkplatz" zu enden. RASP gehört unter anderem die polnische Ausgabe von "Newsweek" und "Fakt", die größte Boulevardzeitung des Landes.
Einmischung in polnische Angelegenheiten
Ein anderes Beispiel für angebliche Einmischung in polnische Angelegenheiten war ein Artikel von Mathias Döpfner im Portal "Politico". Darin kritisiert der Vorstandsvorsitzende der Axel-Springer-Verlagsgruppe PiS-Chef Kaczyński für die Entlassung regierungskritischer Journalisten aus den öffentlich-rechtlichen Medien und die Pläne zur "Re-Polonisierung" der polnischen Medien insgesamt. Und im Wahlkampf 2020 sprach Präsident Andrzej Duda (PiS) nach einem kritischen Artikel in der deutschen Tageszeitung "Die Welt" von einer "deutschen Attacke" gegen den Urnengang.
Auch polnische regierungskritische Medien stehen unter Druck. Der liberalen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" kann man nicht vorwerfen, unter ausländischem Einfluss zu stehen: sie gehört einem polnischen Medienunternehmen. Aber man kann den dort arbeitenden Journalisten das Leben schwer machen.
Geldstrafen für Medien in polnischem Besitz
Dass die "Gazeta" auch über Skandale und Korruption in Polen berichtet, nahmen PiS und Staatsanwälte in verschiedenen Teilen des Landes zum Anlass, juristisch gegen Dutzende Beiträge der Zeitung zu Felde zu ziehen. Sie klagten auf Entschuldigungen und Geldbußen bis zu 12.000 Euro.
Der Fernsehsender TVN wurde vom Rundfunkrat mit einem Bußgeld in Höhe von 350.000 Euro belegt - für seine kritische Live-Berichterstattung aus dem Parlament. Da der Sender zum US-Medienunternehmen "Scripps Networks" gehört, mahnte das State Department in Washington Polen zur Achtung der Pressefreiheit. Die Strafe wurde aufgehoben.
Politische Einflussnahme
Kritiker haben keine Zweifel daran, dass es der PiS bei der Übernahme der Polska-Press-Lokalmedien um politische Einflussnahme geht. Maciej Mrozowski, Medienforscher an der Universität in Warschau, hält "die Freiheit und den Pluralismus der Medien" in Polen für gefährdet.
"Vieles deutet daraufhin, dass es eine politische, nicht nur eine geschäftlich bedingte Entscheidung ist", sagte Mrozowski dem Portal"Wirtualna Polska". "Die Übernahme neutralisiert potenzielle Kritik und ermöglicht eine Instrumentalisierung von Inhalten", so der Experte.
Ombudsmann warnt vor völliger Kontrolle der Medien
Alarm schlägt auch Adam Bodnar, Polens Ombudsmann für Menschenrechte: "Das ist ein historischer Moment und er zeigt leider, dass sich die Regierung für Schritte entschlossen hat, die wir schon in Ungarn bei Viktor Orbán beobachten konnten", so Bodnar im selben Beitrag auf "Wirtualna Polska". Der Kauf des Medienunternehmens durch den Ölkonzern zeige, in welche Richtung die Strategie der PiS sich entwickle: "Nach der völligen Kontrolle über die öffentlichen Medien kommen jetzt die privaten dran."
Trotz ihrer zahlreichen Ankündigungen, ausländisches Kapital in der Medienbranche per Gesetz einzuschränken: Bisher ist es der PiS nicht gelungen, einen Entwurf vorzulegen, der mit dem EU-Recht konform wäre und nicht etwa gegen das Prinzip der Kapitalfreizügigkeit verstoßen würde. Was bleibt, ist der Aufkauf von ausländischen Medienunternehmen durch Firmen, die der Staat oder PiS-treue Manager kontrollieren - zum Beispiel Orlen.