Polens Opposition versucht den Neuanfang
27. November 2017Seit Wochen warten die Polen auf die von der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) angekündigte Regierungsumbildung. Noch immer wird darüber spekuliert, wer eigentlich ersetzt werden soll. Während Parteichef Jaroslaw Kaczynski Spannung und Angst unter den Ministern aufrecht erhält, verdichten sich Gerüchte, er selbst könnte es auf das Amt des Regierungschefs abgesehen haben. Ministerpräsidentin Beata Szydlo soll demnach nach der Halbzeit der PiS-Regierung in den Kampf um das Warschauer Rathaus geschickt werden. Einzig ihr werden Chancen bei den wichtigen Bürgermeisterwahlen in der noch liberal regierten Hauptstadt eingeräumt.
Erneuerung der Modernen
Doch augenscheinlich kann sich Kaczynski nicht dazu durchringen, in die aktive Politik zurückzukehren. Anstrengende Kabinettssitzungen, Auslandbesuche und auch das frühe Aufstehen sollen dem starken Mann Polens gar nicht liegen. Während Kaczynski die Polen in der Warteschleife hält, hat sich in den letzten Tagen die schwache Opposition zu einem Erneuerungsversuch durchgerungen.
"Die Modernen" (Nowoczesna) haben ihren durch verschiedene Skandale unglaubwürdig gewordenen Parteigründer, den Ex-Banker Ryszard Petru, durch die Mathematikerin Katarzyna Lubnauer aus Lodz ersetzt. Sie waren in den letzten Wochen von einst 24 auf 7 Prozent abgestürzt. Nun wollen sie sich mit einem sozialen Anstrich anstelle des bisherigen harten wirtschaftsliberalen Kurses wieder auffangen. Lubnauer hat als erste begriffen, dass nur eine Erneuerung die von der PiS gnadenlos an die Bande gespielte Opposition retten kann.
PiS-Revolution stockt
In der liberalen Bürgerplattform (PO) dagegen, die acht Jahre lang die Vorgängerregierung gestellt hatte, sitzt die alte Garde um Parteichef Grzegorz Schetyna noch fest im Sattel. Schetyna ist seit 20 Jahren im Parlament. Die PO hat einen anderen Weg zur Erneuerung gewählt und im Sejm ein konstruktives Misstrauensvotum gestellt. Anlass dafür ist der Aufmarsch von Nationalisten am Unabhängigkeitstag und die grosse Toleranz, die die PiS gegenüber Rechtsextremen zeigt. Dieser überraschende Schritt nimmt der PiS Wind aus den Segeln, denn er verzögert die Regierungsumbildung und verlangsamt die Parlamentsarbeit.
Die Stimmung im Regierungslager ist gedrückt. Die wöchentlichen Parlamentssitzungen sind ruhiger geworden. Die rechtsstaatlich bedenklichen Reformversuche der PiS werden seltener. Eine Wahlgesetzreform, die der PiS die Mehrheit auch bei den Lokalwahlen vom 2018 sichern soll, ist im Parlament stecken geblieben; sie wird wohl noch verabschiedet, doch später als erwartet. Noch immer wartet man auf das schon lange angekündigte Gesetz zur Re-Polonisierung von Medienhäusern mit grossem, vor allem deutschem Aktienanteil. Auch ein umstrittenes Gesetz, das Nichtregierungsorganisationen (NGO) der PiS-Kontrolle unterwerfen soll, wartet immer noch auf die Abstimmung.
Bei der umstrittenen Justizreform steht angeblich ein Kompromiss mit Staatspräsident Andrzej Duda bevor, der im Sommer gegen die PiS-Entwürfe zwei Vetos eingelegt hatte. Worin dieser Kompromiss besteht, hat die polnischen Öffentlichkeit allerdings noch nicht erfahren. Duda hat sich jüngst darüber beklagt, dass seine Gesetzesvorschläge schon über zwei Monate auf die Behandlung im Parlament warteten. Regierungschefin Szydlo gab sich nun der Hoffnung hin, dass zumindest die Justizreform vor Jahresende abgeschlossen werden könne. Inzwischen hat der für Kaczynski unbequem gewordene Staatspräsident allerdings neue Vetos etwa gegen die umstrittene Wahlgesetzreform nicht ausgeschlossen. Dies alles verlangsamt den Umbau des Staates nach den Vorstellungen der PiS.
Galgen für die Opposition
Der liberalen Opposition weht dagegen weiterhin ein scharfer Wind entgegen. Am Samstag stellten drei rechtsradikale Organisationen auf einem Platz im Zentrum von Katowice eine Reihe von Galgen auf, an denen sie Bilder von EP-Abgeordneten der Liberalen (PO) aufhängten. Die Polizei schritt nicht ein. Nun prüft die Staatsanwaltschaft, ob Gesetzverstöße vorlägen. Die Regierung sieht die Schuld bei der Opposition. "Die Opposition hat auf ihren Demonstrationen mit dieser Sprache des Hasses begonnen", kommentierte am Montag Justizminister Zbigniew Ziobro (PiS).
Inzwischen hat auch der Präsident des Europäischen Parlaments Antonio Tajani darauf reagiert. Auf Twitter schreibt er: "Ich werde an Beata Szydlo schreiben, um die Sicherheit gewählter Mitglieder des Europäischen Parlaments zu gewährleisten." Sie sollen ihre Meinung ohne Bedrohung äußern dürfen, so Tajani.