Großmanöver "Anakonda" in Polen gestartet
7. Juni 2016Der polnische Verteidigungsminister Antoni Macierewicz betonte in seiner Ansprache in Warschau die "besonders schwierige Situation an der Ostflanke" der NATO, also an der Grenze zu Russland. Ziel sei es, "die Fähigkeit der Allianz zu testen, ihre Ostflanke zu verteidigen". Die größte Militärübung in Polen seit 1989 solle mit rein defensivem Charakter das Zusammenspiel von Soldaten und Militärführung erproben. Mark Milley, Generalstabschef des US-Heeres, sagte, die USA wollten mit ihrer Teilnahme an dem Manöver unterstreichen, dass sie "Schulter an Schulter mit Polen stehen" und zu Freiheit und Unabhängigkeit in der Region beitragen wollten.
An dem Manöver an Land, in der Luft und auf dem Wasser nehmen nicht nur Soldaten aus 19 NATO-Staaten teil, sondern unter anderem auch Truppen aus den russischen Nachbarländern Ukraine und Georgien. Die eigentliche Übung beginnt an diesem Dienstag in der Nähe von Torun mit rund 2000 Fallschirmjägern aus Polen, den USA und Großbritannien. In den folgenden Tagen sind unter anderem Flug- und Raketenabwehrübungen, Trainings mit Hubschrauberangriffen bei Nacht und der Umgang mit chemischen, biologischen oder atomaren Bedrohungen vorgesehen.
Sorgen um eigene Sicherheit
Polen und andere Staaten im Osten der Militärallianz sind angesichts des Konflikts in der Ukraine um die eigene Sicherheit besorgt. Angesichts der derzeitigen Spannungen mit Russland wegen der Ukraine-Krise und der Krim-Annexion kommt dem Manöver besondere Bedeutung zu - insbesondere mit Blick auf den NATO-Gipfel, der am 8. und 9. Juli in Warschau stattfindet. Denn parallel zu dem demonstrativen Manöver bemüht sich der Nordatlantikpakt, den Kontakt zu Russland wieder zu vertiefen. Auf Drängen Deutschlands hat die NATO zuletzt darauf hingewiesen, dass es sich bei "Anakonda" nicht um eine Übung der Allianz, sondern um eine Übung unter polnischer Führung handele.
Die Militärübung wird seit 2006 im Zweijahresrhythmus in Polen abgehalten. An "Anakonda" nehmen diesmal 3000 Fahrzeuge und Panzer, 105 Flugzeuge und Hubschrauber, zwölf Schiffe und 31.000 Soldaten teil. An der auf zehn Tage angelegten Übung sind auch 400 deutsche Soldaten beteiligt. Die Soldaten des Mindener Panzerpionierbataillons werden unter anderem eine mehr als 300 Meter lange provisorische Brücke bauen.
Kreml kritisiert "Anakonda"
Das Konzept des Manövers ist laut NATO-Strategen auf einen verdeckten Angriff ausgelegt, und nicht auf eine offizielle Kriegserklärung. Experten vermuten, Russland habe die Taktik bei der Krim-Annexion gewählt, als Militärs ohne Hoheitsabzeichen auf der ukrainischen Halbinsel aufgetaucht waren und die ukrainischen Soldaten in ihren Kasernen festgesetzt hatten.
Moskau kritisierte unterdessen "Anakonda 2016" scharf. Die Übung trage nicht dazu bei, eine Atmosphäre von Vertrauen und Sicherheit zu schaffen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Es gebe ein Vertrauensdefizit im Verhältnis zwischen Russland und dem Westen, meinte er der Agentur Interfax zufolge.
kle/ust (afp, dpa, ape)