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Intel-Pläne verschärfen Wirtschaftsprobleme in Deutschland

Mathis Richtmann | Aline Spantig
18. September 2024

Nachdem Intel den Bau seiner 30 Milliarden Dollar teuren Chipfabrik in Magdeburg verschoben hat, stellt sich die Frage, ob die deutsche Regierung überhaupt noch an dem Projekt festhält.

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Computergenerierte Ansicht der geplanten Chip-Fabrik in Magdeburg mit Intel-Logo auf dem Eckgebäude, einer mit Bäumen eingefassten runden Wasserfläche und Autos auf einem Firmenparklatz
Wird die geplante Intel-Fabrik in Magdeburg möglicherweise nie gebaut? Experten sehen die Chancen dafür bei 50 zu 50 ProzentBild: Intel Corporation

Die schlechten Nachrichten für die deutsche Wirtschaft reißen nicht ab. Am Montag gab der US-Chipkonzern Intel bekannt, dass er die Pläne für zwei Chipfabriken im Wert von 30 Milliarden Euro (33 Milliarden Dollar) im ostdeutschen Magdeburg für mindestens zwei Jahre auf Eis legt.

In diesem Fall geht es zwar vor allem um die Folgen von Intels internem Sparprogramm. Der Fall zeigt aber auch, dass die Wirtschaftspolitik der Ampel-Koalition nicht in der Lage ist, Investitionen anzukurbeln.

Intel plante den Bau einer Chipfabrik und die Schaffung von rund 3000 Arbeitsplätzen. Die Bundesregierung versprach staatliche Beihilfen in Höhe von 9,9 Milliarden Euro für die Intel-Ansiedlung. Weil man sie als strategischen Vorteil ansah, um die Abhängigkeit von Halbleitern asiatischer Hersteller zu reduzieren, besonders für die deutsche Automobilindustrie.

Jens Südekum sagt, die Beschaffung von Chips für die Digitalisierung von Autos sei ein großes Problem für die deutsche Autobranche.

"Intel wollte in das Geschäft mit maßgeschneiderten Kundenchips einsteigen, was es der deutschen Autoindustrie ermöglicht hätte, sich genau das zu sichern, was sie für den Fortschritt in der Digitalisierung braucht", so der Wirtschaftswissenschaftler von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf gegenüber der DW.

Die Nachricht über die verzögerten Intel-Investitionen kommt zwei Wochen nach der Ankündigung von Volkswagen, möglicherweise zwei seiner deutschen Fabriken wegen der schwachen Nachfrage nach Elektrofahrzeugen zu schließen.

Für Carsten Brzeski, Chefvolkswirt für Deutschland bei der niederländischen Bank ING weisen die beiden Vorfälle auf ein größeres Problem bei Investitionen in Deutschland hin. "Was wir derzeit sehen, sind vier Jahre, in der die Wirtschaft de facto stagniert und was es in einem Land anrichtet, wenn sich zehn Jahre lang die internationale Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert", sagte er der DW.

Warum verschiebt Intel seine Deutschland-Pläne?

Brzeski erinnerte aber auch an die massiven Probleme von Intel, die den US-Chip-Konzern dazu veranlasst haben, seine deutschen Pläne auf Eis zu legen.

Und tatsächlich sagte Intel-Chef Pat Gelsinger, dass neben dem deutschen Werk auch die Pläne für ein weiteres Werk in Polen auf Eis gelegt werden. "Wir müssen dringend weiter daran arbeiten, um eine wettbewerbsfähigere Kostenstruktur zu schaffen und das im letzten Monat angekündigte Einsparungsziel von zehn Milliarden Dollar zu erreichen", sagte er in einer Pressemitteilung und einem Brief an die Intel-Mitarbeiter.

Der Chiphersteller aus dem kalifornischen Santa Clara hat gegenüber Konkurrenten an Boden verloren und seinen früheren technologischen Vorsprung eingebüßt. Er gehört nicht mehr zu den Top 10 der Halbleiterunternehmen und wird an der Börse mit weniger als 90 Milliarden Dollar (80,97 Milliarden Euro) bewertet. Der KI-Pionier Nvidia hat dagegen mittlerweile eine Marktkapitalisierung von rund 2,9 Billionen Dollar.

Computergenerierte Ansicht der geplanten Chip-Fabrik in Magdeburg aus der Vogelperspektive
Ansicht der geplanten Chip-Fabrik in Magdeburg in einer frühen PlanungsphaseBild: Intel Corporation

Alexander Schiersch vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin sagt, Intel habe ehrgeizige Pläne gehabt, die "nicht aufgegangen sind".

In einem Interview mit der DW nannte er die Schlüsselfaktoren, von denen Intels Zukunft nun abhängt: Der Chip-Konzern müsse mehr Kunden für seine Chips gewinnen, die Effektivität seiner Strategie für künstliche Intelligenz (KI) verbessern, und schließlich effektiv seine Kosten senken.

Nach einem Verlust von einer Milliarde Dollar im letzten Quartal bei schrumpfenden Umsätzen kündigte das Unternehmen im letzten Monat Pläne an, 15.000 Mitarbeiter zu entlassen und 10 Milliarden Dollar an Kosten einzusparen. Außerdem soll die Dividende ausgesetzt werden.

Der Erfolg von CEO Pat Gelsinger bei Intel hängt in hohem Maße von den Plänen ab, das Unternehmen in eine sogenannte Foundry umzuwandeln - einen Chiphersteller, der Produkte für externe Kunden herstellt. Intel hat nur langsam Kunden für das Projekt gefunden. Deshalb war die Ankündigung einer Partnerschaft mit Amazon Web Services am Montag, für die Intel KI-Chips liefern soll, ein bemerkenswerter Erfolg.

Angesichts der aktuellen Schwierigkeiten von Intel schätzt Schiersch jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass der US-Chiphersteller seine Pläne für Magdeburg eines Tages umsetzen wird, auf "nicht mehr als 50 Prozent".

Bundeskanzler Scholz und Intel-Chef Gelsinger geben sich im Stehen die Hand, während sich Finanz-Staatssekretär Kukies und Intel-Manager Esfarjani vor ihnen im Sitzen die Hand geben. Am rechten Bildrand ist eine schwarz-rot-goldene Fahne zu sehen
Als Kanzler Scholz and Intel-CEO Gelsinger den Deal Anfang 2023 besiegelten, war die Welt der Chips noch in OrdnungBild: Sean Gallup/Getty Images

Was geschieht mit den 10 Milliarden Euro an Subventionen?

Die Verschiebung des deutschen Intel-Werks ist ein Rückschlag für die Pläne der EU im Halbleiter-Bereich. Damit dürfte auch die Kontroverse zwischen Brüssel und Berlin über die Verwendung der für Subventionen vorgesehenen 10 Milliarden Euro wieder neu entbrennen.

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Entscheidung von Intel schlug Finanzminister Christian Lindner vor, das nicht ausgegebene Geld zum Stopfen eines klaffenden Lochs im deutschen Haushalt zu verwenden. Die Grünen, die ebenfalls Teil des Dreierbündnisses der Ampelkoalition sind, lehnen das ab und wollen das Geld für die Umsetzung klimapolitischer Ziele verwenden. Der sozialdemokratische Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich bisher noch nicht festgelegt.

Insider aus dem FDP-geführten Finanzministerium sagten der DW, dass das Ministerium derzeit nach Möglichkeiten sucht, die nicht genutzten Mittel zurück in die Staatskasse zu transferieren.

Für ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski wirft die Streiterei innerhalb der Regierung um die Intel-Subvention generelle Fragen zu den wirtschaftlichen Ambitionen der Ampel-Koalition auf. "Man hat den Eindruck, dass die deutsche Regierung nicht wirklich eine durchdachte längerfristige Wirtschaftsstrategie hat", sagte er.

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert