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"Digital Benin" archiviert Kunstschätze

Torsten Landsberg
9. November 2022

1897 überfielen britische Truppen das Königreich Benin. Die Kunstschätze nahmen sie mit - und raubten damit auch die kulturelle Identität des Volkes. Die Plattform "Digital Benin" zeigt, wo sich die Objekte befinden.

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Eine Benin Bronze, im Hintergrund weitere verschwommene Skulpturen
Benin-Bronzen Bild: Wolfgang Kumm/dpa/picture alliance/dpa

Es soll ein entscheidender Schritt sein zur Rückgewinnung des kulturellen Erbes: Auf der am Mittwoch in Berlin vorgestellten Online-Plattform "Digital Benin" sind Kunstschätze aus dem früheren Königreich Benin dokumentiert, die derzeit in 131 Museen aus 20 Ländern verteilt sind. Das vor zwei Jahren offiziell gestartete Projekt bietet zum ersten Mal einen Überblick über alle Werke mit derzeit bekanntem Aufenthaltsort.

Trotz der nicht immer reibungsfreien Debatte über die Rückgabe von Kunstschätzen an die Herkunftsländer sei die Zusammenarbeit mit den Museen offen und gut verlaufen, sagte Felicity Bodenstein, Dozentin an der Sorbonne Universität Paris und Projektleiterin von "Digital Benin", im Gespräch mit der DW.

Bereits vor vier Jahren entstand die Idee zum Projekt, damals arbeitete Bodenstein an der Technischen Universität Berlin im Team der französischen Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy, die 2018 zusammen mit dem senegalesischen Autoren und Ökonomen Felwine Sarr für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron einen Bericht über die Restitution afrikanischer Kulturgüter verfasst hatte. Dort forschte Bodenstein unter anderem zur Geschichte der überall in Europa und Amerika verstreuten Benin-Bronzen

Bedrohte Schätze im Depot

Mit dem Start der Projektförderung durch die Siemens Kunststiftung in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro begann unter dem Dach des Hamburger  "Museums am Rothenbaum. Kulturen und Künste der Welt" ein internationales Projektteam unter Einbeziehung wissenschaftlicher Beraterinnen und Berater, Museen auf der ganzen Welt zu kontaktieren, von dort die relevanten Objektdaten zusammenzutragen und für die Plattform zu aufzubereiten. 5246 Objekte sind zum Launch abrufbar; sie befinden sich in Australien, Neuseeland, den Vereinigten Staaten, Kanada und Israel sowie 14 europäischen Staaten. 

Wie viele Objekte insgesamt in der Welt verstreut seien, lasse sich nicht beantworten, erklärt Felicity Bodenstein. "Eine lückenlose Dokumentation ist nicht möglich." Es sei unklar, wie viele Artefakte verlorengegangen seien oder sich heute in privaten Sammlungen befänden - zumal der undurchsichtige Schwarzmarkt weiter wachse.

Felicity Bodenstein, Kunsthistorikerin an der Sorbonne
Felicity Bodenstein, Kunsthistorikerin an der SorbonneBild: Pierre Kitmacher

Von britischen Kolonialisten geplündert

1897 hatten britische Truppen Benin City, die damalige Hauptstadt des Königreichs Benin, erobert. Bald darauf schlugen die Kolonialherren das Königreich dem damaligen britischen Protektorat Nigeria zu. Sie plünderten den königlichen Palast und weitere kulturell bedeutende Stätten und verschifften die Kunstschätze in alle Welt.

Vor einigen Jahren entstand eine öffentliche Debatte über den Umgang mit dem kolonialen Erbe und die Rückgabe an die afrikanischen Herkunftsländer - beispielhaft an jenen Kunstwerken aus Bronze, Elfenbein und Holz, die unter dem Sammelbegriff "Benin-Bronzen" bekannt geworden sind.

Unter Restitution verstehe sie allerdings nicht allein die Rückgabe eines Objektes, sagt Felicity Bodenstein. "Es gehört mehr dazu, auch die Rückkehr von Wissen über die Objekte." Dazu soll die Plattform beitragen, die aktuelle Forschungsergebnisse und die Erkenntnisse über die jeweiligen Kulturgüter auflistet. Aus Tagebüchern von Soldaten oder alten Katalogen von Auktionshäusern ließen sich zudem häufig die Wege der Objekte an ihre heutigen Aufenthaltsorte rekonstruieren.

Für ihre Kolleginnen und Kollegen in Nigeria sei die Kolonialgeschichte der Kunstgüter mitunter weniger bedeutsam als ihr historischer Wert aus der Zeit davor, sagt Felicity Bodenstein. Die Objekte hätten in den Gesellschaften der Herkunftsländer eine große Bedeutung für die kulturelle Identität.