Plastikkrise: Wir haben es selbst in der Hand
3. Juni 2022Die Plastikkrise hat den Planeten längst erfasst. Von kilometergroßen schwimmenden Plastikinseln auf dem offenen Meer zu mit Plastik überschwemmten Stränden oder Mikroplastik, das bereits in den entlegensten Ecken der Erde gefunden wurde – Plastik befindet sich mittlerweile fast überall, sogar im menschlichen Körper.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), hat heute einen Bericht veröffentlich, der die Plastikkrise beleuchtet und Szenarien entwirft, wie das Müllproblem deutlich reduziert werden könnte.
Zuerst die schlechte Nachricht. Wenn wir so weiter machen wie bisher, sehen die Berechnungen düster aus. Der Plastikverbrauch wird sich verdreifachen, ebenso der Plastikmüll. Kunststoff wird hauptsächlich aus Erdöl hergestellt, deshalb ist es nicht abbaubar und seine Produktion verursacht erhebliche Treibhausgasemissionen. Diese werden sich voraussichtlich bis 2060 mehr als verdoppeln. Auch die Verschmutzung durch Mikroplastik wird in jedem Land deutlich zunehmen.
Sind heute schon Flüsse wie der Ganges in Indien oder der Citarum Indonesien regelmäßig mit Plastik zugemüllt, wird sich der Anteil jenes Kunststoffs, der weltweit in der Natur landet verdoppeln und noch größeren Schaden an der Artenvielfalt und Ökosystemen anrichten.
"Klar ist, mit 'business as usual' wie wir Plastik produzieren, nutzen und am Ende damit umgehen, geht es nicht weiter", sagt Peter Börkey Policy Experte bei OECD und Co-Autor des Berichts.
Die gute Nachricht
So weitergehen muss es aber nicht. Wenn sich die Regierungschefs der 38 OECD-Mitgliedstaaten, vor allem Länder mit hohem Pro-Kopf Einkommen, wie Deutschland, die USA oder Japan, auf tiefgreifende Maßnahmen einigen würden, könnten der weltweite Plastikverbrauch und -müll bis 2060 um ein Fünftel reduziert werden.
Würde der Rest der Welt auch mitmachen, könnte trotz weltweitem Wirtschaftswachstum, der Plastikmüll um ein Drittel reduziert werden im Vergleich zu heute. Mit verbessertem Abfallmanagement würden Kunststoffe kaum noch in der Umwelt landen, so die Autoren. Dafür müssten weltweit fast 60 Prozent der Abfälle recycelt werden. Der Marktanteil von recycelten Kunststoffen müsste von heute 6 Prozent auf 41 Prozent ansteigen.
Wie soll das gehen?
Das weltweite Szenario auf dem die Berechnungen beruhen ist ambitioniert und sieht eine drastische Steuer auf neu hergestelltes Plastik vor. "Wir müssen eine Situation schaffen, in der Alternativen zu Einweg-Plastik, vor allem wiederverwendbare Materialien mit einem niedrigeren ökologischen Fußabdruck umsetzbar sind", so Börkey.
Damit die Wirtschaft sich wie in ihrem Szenario berechnet möglichst schnell vom Plastik verabschiedet und auf andere Materialien umstellt, schlagen die Autoren vor eine Abgabe von 1000 US-Dollar pro Tonne neu hergestelltes Plastik einzuführen. "Das würde erheblichen Einfluss auf die Nachfrage nach Plastik haben", sagt Börkey.
Plastik ist ein sehr nützliches Material. Auch Windräder und Elektroautos brauchen Plastik. Laut Börkey gehe es daher nicht darum, die Nutzung von Plastik dort zu verhindern, wo es keine guten Alternativen gäbe oder die Anwendung deutliche Vorteile zum Beispiel in Sachen Nachhaltigkeit habe.
Darüber hinaus müsste die Industrie von der Politik verpflichtet werden jene Plastiksorten zu verwenden, die länger genutzt werden können und leichter recycelbar sind. Die meisten Verpackungen und Plastiksorten sind bisher gar nicht oder nur schwer wiederzuverwerten.
Es gehe vor allem darum, den Gebrauch von Plastikarten zu reduzieren "die dann am Ende in der Natur landen und das sind vor allem Verpackungen. Ein Drittel des Gesamten Plastikkonsums geht auf Verpackungen zurück", so Börkey weiter.
Um den Plastikkonsum zu reduzieren, müssten außerdem feste Recyclingraten eingeführt werden sowie die Verpflichtung Verpackungen, Kleidung oder auch Fahrzeuge nachhaltiger zu produzieren und die Reparierbarkeit von Elektrogeräten zu erleichtern. So würde sich die "Lebenszeit" der Produkte verlängern und ihr ökologischer Fußabdruck sinken. Stichwort "Kreislaufwirtschaft".
Erste Schritte sind gemacht – ob das reicht?
Heute tragen vor allem die OECD-Staaten einen Großteil zum weltweiten Plastikkonsum bei.
2060 wird über die Hälfte des Plastikverbrauchs aus Ländern in Asien, dem Mittleren Osten und Afrika kommen. Gerade in diesen Ländern landet heute schon besonders viel Müll in der Natur.
"Der effektivste Weg zu verhindern, dass Plastik in der Natur landet, ist an allererster Stelle Entwicklungsländern dabei zu helfen, ein besseres Abfallmanagement aufzubauen", so Börkey. "Hier könnten OECD-Länder helfen".
Die Kosten, die bei einer weltweiten Regulierung des Plastikverbrauchs - wie von den Autoren vorgeschlagen - anfallen würden, belaufen sich bis 2060 auf unter ein Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts.
Diesen März hatten sich 200 Länder erstmals darauf geeinigt, bis 2024 verpflichtende Regeln und Instrumente für die Produktion, den Verbrauch und die Entsorgung von Plastik festzulegen. Der WWF bezeichnete die Vereinbarung als historisch. Noch steht das Abkommen aber nicht, Details müssen noch ausgehandelt werden. Inwiefern sie dann auch bindend sein würden steht noch nicht fest.
In der EU sind seit vergangenem Jahr viele Sorten Einwegplastik verboten. Dazu gehört Einweggeschirr, To-go-Becher und Einwegbehälter aus Styropor sowie Trinkhalme.
Aus historischer Perspektive wurden gerade mal 9 Prozent des weltweit produzierten Plastiks recycelt. 12 Prozent wurden verbrannt, der Rest landete auf Müllhalden oder in der Natur.