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Sagan: "Wer heute dopt, ist dumm"

31. März 2017

Er ist der wohl beste Radprofi der Welt: Peter Sagan beeindruckt durch seine Vielseitigkeit und ist bei den Frühjahrsklassikern der Favorit. Im DW-Interview spricht er über Druck, Risiko und die Unmöglichkeit zu dopen.

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Radsportler Peter Sagan, Slowakei
Bild: Getty Images/AFP/Y. Coatsaliou

Der etwas andere Sportstar

DW: Peter Sagan, Sie haben Klassiker gewonnen, Sprints, Zeitfahren und selbst bergige Etappen. Gibt es irgendetwas auf dem Rad, das sie nicht können?

Peter Sagan: Ich denke, es gibt viele Dinge auf dem Rad, die ich nicht kann. Es gibt so viele Disziplinen im Radsport, und manche sind wirklich schwer. Ich kann BMX fahren und ich weiß auch, wie man auf der Bahn fährt. Aber es wäre sehr schwer für mich, dort etwas zu gewinnen.

Sie sind sehr gut in die Saison gestartet, haben bisher drei Saisonsiege eingefahren und viele Podestplätze wie zuletzt bei Mailand-San Remo auf dem Konto. Was können wir von Ihnen bei den Kopfsteinpflaster-Klassikern Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix erwarten?

Ich weiß nicht. Ich fahre sehr viele Rennen, nicht nur diese beiden. Ich versuche mein Bestes. Diese Rennen sind berühmt und schwer, sie sind anders. Aber es sind auch nur Radrennen.

"Du brauchst einen guten Tag, um bei den Klassikern zu gewinnen"

Liegen Ihnen diese Rennen mehr als andere, weil sie hart sind und eine besonders gute Radbeherrschung erfordern? 

Man kann nicht sagen, dass mir bei diesen Rennen weniger passiert als anderen und ich dort erfolgreicher bin, nur weil ich eine gute Radbeherrschung habe. Diese Rennen sind sehr speziell. Viel hängt auch von den äußeren Bedingungen und dem Rennverlauf ab. Und du brauchst einfach einen guten Tag, um dort zu gewinnen.

Sie haben Ihre Karriere in einem italienischen Team begonnen, fuhren dann für ein russisches und sind jetzt beim deutschen Rennstall Bora-Hansgrohe unter Vertrag. Was ist dort anders für Sie?

Italien Radrennfahrer Michal Kwiatkowski in Sanremo
Bei Mailand-San Remo war Sagan (l.) der Stärkste, doch Kwiatkowski (Mitte) agierte cleverer und gewann um Reifenbreite.Bild: picture-alliance/BELGA/Y. Sunada

Wir haben einen Küchen-Truck! (lacht) Die Küche ist von Bora gesponsert und reist mit uns, das macht es uns natürlich leicht. Sonst ist nicht viel anders: Ich fahre immer noch Radrennen. Die Marke ist eine andere, das Team und die Betreuer um mich sind anders. Natürlich ist die Mentalität bei einem deutschen Team eine andere. Aber es ist immer noch derselbe Sport.

Auf manchen Bergab-Passagen haben Sie mit Ihren Abfahrtskünsten sogar die Experten schockiert. Hat Ihre Frau eigentlich manchmal Angst um Sie?

Das müssen Sie sie fragen. Ich weiß es nicht.

"Radsport ist immer riskant"

Sie scheinen das Wort "Angst" überhaupt nicht zu kennen…

Manchmal schon. Auch ich fahre keine Abfahrt mit Risiko, wenn es keinen Grund dafür gibt. Wenn es um etwas geht, fahre ich schnell, aber immer noch vorsichtig. Im Radsport weißt du nie: Was ist hinter der Kurve? Liegt etwas auf dem Boden, wie Steine oder Öl? Radsport ist immer riskant.

Sie bekommen aber nicht nur Lob in den Medien. Manche sehen in Ihnen einen Clown auf dem Rad. Ist die Welt des Radsports einfach zu ernst?

Nicht für mich!

Als zweifacher Weltmeister erwarten die Menschen von Ihnen, dass Sie Verantwortung für Ihren Sport übernehmen und hätten Sie gerne als Sprecher einer jungen, sauberen Rad-Generation. Was denken Sie darüber?

Ich denke nicht, dass das mein Job ist. Wer sagt mir, dass ich die Verantwortung für den gesamten Radsport übernehmen soll? Niemand!

"Es ist heute nahezu unmöglich, zu dopen"

Ein großer Teil des Publikums, besonders in Deutschland, zweifelt immer noch an Ihrem Sport. Ist der Radsport heute glaubwürdig?

Radrennen Tour de France 2016 Etappe 17 Bern - Finhaut-Emosson
Fühlen sich "attackiert": Die Tour-Protagonisten Chris Froome (Mitte) und Peter Sagan (r.).Bild: Getty Images/AFP/J. Pachoud

Ich spreche sehr oft darüber. Dennoch werden Fahrer wie Bradley Wiggins, Chris Froome oder ich immer wieder damit attackiert. Meine Meinung ist: Im Radsport ist es heute nahezu unmöglich zu dopen. Wir haben das Anti-Doping-System ADAMS, bei dem wir ständig eintragen müssen, wo wir uns befinden, wo wir schlafen, wohin wir reisen. Und das täglich. Wir müssen unser Leben einen Monat im Voraus planen. Die Kontrolleure können uns so überall finden und können in jeder Sekunde auftauchen. Manchmal kommen sie sogar zweimal täglich. Was soll ich noch mehr dazu sagen? Wer heute noch dopt, ist dumm!

Nach den Skandalen hat der Radsport in den vergangenen Jahren wieder Fortschritte gemacht: Es gibt neue Rennen und neue Sponsoren. Wo sehen Sie ihren Sport heute?

Er wächst wieder, und darüber freue ich mich. Mein Team Bora-Hansgrohe ist ein gutes Beispiel, es wächst und entwickelt sich. Und das nicht etwa dank staatlichem Geld, sondern durch private Sponsoren, die wieder in den Radsport investieren. Es ist sehr wichtig für den Sport, dass unterschiedliche Unternehmen in den Sport investieren. So haben wir für die Zukunft mehr Möglichkeiten.

"Der Schlüssel ist, nicht darüber nachzudenken"

Während Pressekonferenzen und Medienterminen wirkten Sie zuletzt manchmal gelangweilt bis desinteressiert. Ist Ihnen manchmal alles zu viel? Ist es manchmal schwer, Peter Sagan zu sein?

Nein, das ist nicht schwer. Das Problem ist viel mehr: All die Fragen habe ich schon so oft gehört. Sie sind einfach nichts Neues für mich. Wenn mir eine interessante Frage gestellt wird, bin ich auch nicht gelangweilt. Aber Hunderte Journalisten fragen mich einfach immer die gleichen Fragen.

Was bedeutet es für Sie und ihre deutsches Team, dass die Tour in diesem Jahr in Deutschland startet?

Das ist eine tolle Sache. Aber es wichtiger für mein Team als für mich. Ich glaube, dass dort eine Menge Leute auf uns warten werden.

Wenn Sie dort ein weiteres, sechstes Grünes Trikot (Gewinn der Punktwertung, Anm. d. Red.) gewinnen, ziehen Sie mit Rekordhalter Erik Zabel gleich. Ist das eine zusätzliche Motivation für Sie?

Katar Rad-WM in Doha
Zum Zweiten: Sagan triumphierte nach der WM 2015 in Richmond auch in Katar und ist amtierender WeltmeisterBild: Getty Images/B. Lennon

Zunächst einmal muss ich dafür die Tour de France zu Ende fahren. Ja, es ist möglich, ein weiteres Grünes Trikot zu gewinnen. Aber wir werden sehen, was passiert.

Manche Experten haben prognostiziert, dass Sie sogar die Gesamtwertung der Tour de France gewinnen könnten, wenn Sie Ihren Körper an diese Herausforderung anpassen. Was denken Sie über diese Idee?

Diese Experten sollten auf ein Rad steigen und selbst probieren, Radprofi zu werden. Dann können Sie gerne ihren eigenen Traum leben. Aber das ist nicht meiner. Es wäre nicht unmöglich, die Tour zu gewinnen. Aber es müsste meine Entscheidung sein, nicht die anderer. Ich erreiche Ziele anders: Ich habe schon immer an den WM-Titel gedacht. Aber der Weg dahin war hart. Bei meiner ersten WM-Teilnahme habe ich den Zielstrich gar nicht gesehen. Beim nächsten Mal war ich krank, ein anderes Mal bin ich gestürzt, und so weiter. Als ich nicht an den Sieg gedacht habe, habe ich das Rennen gewonnen - und das zweimal. Der Schlüssel ist, nicht darüber nachzudenken.

Peter Sagan gilt als der kompletteste Radprofi der Welt. 1990 in der Slowakei geboren, begann er mit neun Jahren mit dem Radfahren und gewann sein erstes Rennen - auf einem Supermarkt-Rad seiner Schwester Daniela. Ein WM-Sieg auf dem Mountainbike bei den Junioren war die Initialzündung für seine Karriere, bei der es seitdem steil berghoch ging. Sagan kommt inzwischen auf mehr als 90 Profi-Siege und gilt als der bestverdienende Radsportler.

Das Interview führte Joscha Weber.