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Peru streitet um Begnadigung Fujimoris

Jan D. Walter3. Juni 2013

2009 wurde Alberto Fujimori wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Nun ist Perus Ex-Staatschef krank. Seine Erben wollen politisches Kapital daraus schlagen und spalten dabei die peruanische Gesellschaft.

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Ex-Präsident Fujimori auf der Anklagebank (Foto: dpa)
Alberto Fujimori vor GerichtBild: picture-alliance/dpa

Seit einigen Tagen kursiert im Internet ein Video von einem sichtlich kranken alten Mann in einem abgedunkelten Krankenzimmer. Es ist Perus ehemaliger Staatschef Alberto Fujimori. Der Kommentatorin des Clips zufolge hat er seit seinem Haftantritt insgesamt 24 Kilo abgenommen, leidet unter starken Schmerzen und kommuniziert kaum noch mit seiner Umwelt. Die Botschaft ist klar: Fujimori, 74, geht es schlecht.

Im Oktober 2012 hatte der ehemalige Präsident des Landes in einem Brief an Amtsinhaber Ollanta Humala die Bitte seiner vier Kinder auf seine Begnadigung unterstützt und ihn um eine "offene, direkte und objektive" Entscheidung gebeten. Seither vergeht in Peru kaum eine Woche, ohne dass eine Talkshow, ein Zeitungsbericht oder zumindest eine Meldung den Gesundheitszustand oder die mögliche Begnadigung Fujimoris thematisieren würde.

Das Video ist der vorläufige Höhepunkt der Mitleidskampagne, die Fujimoris Tochter Keiko und ihre Parteifreunde von der Fuerza Popular führen, um Präsident Humala unter Druck zu setzen, der über die Amnestie entscheiden muss. Wie sehr die Diskussion die Bevölkerung spaltet, verdeutlichen zwei der unzähligen Leser-Kommentare im Internet: "Wo wäre unser Land heute, wenn er den Terrorismus nicht beendet hätte", fragt ein Leser. Ein anderer schreibt: "Er kannte auch keine Gnade."

Der "Fujimorismo" war liberal - aber brutal

Diese Spaltung zieht sich durch die gesamte Gesellschaft. Denn der "Fujimorismo" hat Freunde und Feinde in allen Schichten: Für die arme Landbevölkerung hat der Sohn japanischer Baumwollpflücker ein enormes Identifikationspotenzial, Unternehmer schätzen seine liberale Wirtschaftspolitik, Ober- und Mittelschicht profitierten vom ausgiebigen Wirtschaftswachstum und die ganze Bevölkerung atmete auf, als Fujimori 1991 mit einer Währungsreform der Hyperinflation ein Ende setzte.

Als sein größtes Verdienst betrachten viele den Kampf gegen den "Leuchtenden Pfad", eine Guerillagruppe, deren bewaffneter Kampf zwischen 1980 und 1994 rund 70.000 Menschen das Leben kostete. Dass Fujimori zumindest wegschaute, als sein Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos für dieses Ziel Rebellen und deren Sympathisanten bespitzelte, folterte und massakrierte, sehen ihm viele Peruaner nach. Viele aber auch nicht. Das Oberste Gericht des Landes verurteilte Fujimori 2007 nach jahrelangen Gerichtsverhandlungen zur Höchststrafe von 25 Jahren Freiheitsentzug - vor allem wegen Amtsmissbrauchs und seiner politischen Verantwortung für Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Vladimiro Montesinos bei einer Ahörung 2001 (Foto: AP)
Auch wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilt: Fujimoris Geheimdienstchef Vladimiro MontesinosBild: picture-alliance/AP Photo

Verblüffend: Bis heute fehlen Gutachten

Fujimoris Vergangenheit allein reicht aber kaum aus, um das anhaltende Medieninteresse zu erklären, denn "selbst wenn Fujimori begnadigt würde, käme er nicht aus dem Gefängnis, weil weitere Verfahren gegen ihn anhängig sind", erklärt der peruanische Historiker Ciro Alegría. In Wahrheit gehe es nicht einmal seinen Kindern um das Wohlergehen ihres Vaters.

Für Alegría ist klar, dass politische Ziele dahinter stecken: "Sie wollen den 'Fujimorismo' reinwaschen." Schließlich habe Tochter Keiko Fujimori das politische Erbe ihre Vaters angetreten; und zwar so erfolgreich, dass sie 2011 als Präsidentschaftskandidatin der Partei Fuerza Popular antrat und Ollanta Humala erst in der Stichwahl unterlag.

Keiko Fujimori (Foto: picture alliance)
Keiko Fujimori und ihre Partei fordern die BegnadigungBild: picture-alliance/dpa

Der wiederum steckt in einer Zwickmühle: Sagt er ja, vergrätzt er seine Wähler und Verbündete. "Doch um handlungsfähig zu bleiben, darf er es sich auch mit der Opposition nicht verderben, denn seine Koalition hat keine Mehrheit im Kongress", erläutert der Vertreter einer politischen Stiftung aus Deutschland in Lima, der unter Verweis auf die Brisanz des Themas nicht namentlich genannt werden möchte.

Insofern erscheint der Vorwurf, die Regierung zögere das Verfahren hinaus, nicht aus der Luft gegriffen. Denn bis heute, sieben Monate nach dem Einreichen des Gnadengesuchs, hat die zuständige Kommission ihr juristisches Gutachten nicht abgeschlossen. Mitte Mai nun kündigte Justizministerin Eda Rivas an, das Dokument werde dem Präsidenten Ende Mai oder Anfang Juni vorgelegt.

Möglicherweise ist es also kein Zufall, dass das Video vom bettlägerigen Ex-Präsidenten genau jetzt an die Medien gelangte. Denn Fujimoris Krankheit ist nicht nur geeignet, um das Mitleid der Bevölkerung zu wecken. Sie ist auch die einzige Möglichkeit, eine Begnadigung zu erreichen.

Begnadigung aus humanitären Gründen?

Juristisch ist ein Erfolg des Gnadengesuchs so gut wie ausgeschlossen: "Internationale Verträge und das peruanische Recht schließen eine Amnestie bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit aus", erklärt Luis Vargas Valdivia, einer der Chefankläger, die Fujimori ins Gefängnis brachten. Deshalb plädieren die Fujimoristas auf "Begnadigung aus humanitären Gründen". Diese, erklärt der Jurist Vargas, wäre aber nur rechtens, wenn dem Gefangenen unmittelbar der Tod bevorstünde oder die Haftbedingungen eine drastische Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Gefangenen bewirkten.

Die medizinischen Gutachten, die Präsident Humala vorsorglich in Auftrag gegeben hat, haben ergeben, dass Fujimori an Bluthochdruck und einer schweren Depression leidet. "Ja, es geht ihm schlecht", räumt Vargas im DW-Interview ein, "aber - auch wenn es hart klingt - er steht weder unmittelbar vor dem Tod, noch kann es an den Haftbedingungen liegen." Fotos im Internet von Fujimoris Gefängnis zeigen eine einfache, nicht sehr gepflegte Wohnung, die aber dennoch über gewisse Extras verfügt: Neben Küche und Schlafzimmer gibt es ein Arbeitszimmer mit Fernseher, ein Besucherzimmer, ein Mal-Atelier und einen rund 800 Quadratmeter großen Garten.

Fujimori-Anhänger 2007 (Foto: picture alliance)
Während des Prozesses 2007 demonstrierten Anhänger für Fujimoris FreispruchBild: picture-alliance/dpa

Der Ausgang der Begnadigungsdebatte bleibt auf unbestimmte Zeit offen - selbst falls Humala in Kürze ein Begnadigungsgesuch vorliegt. Denn lehnt er es ab, ist kaum zu erwarten, dass die Fujimoristen klein bei geben - schließlich kann jede Veränderung des Gesundheitszustandes eine neue Prüfung erfordern. Und gibt Humala klein bei, um das Thema endlich aus den Medien zu verbannen, stehen die Opfer des "Fujimorismo" in den Startlöchern, um die Entscheidung vor internationalen Gerichten anzufechten.