Empörung über uigurische Fackelläuferin
5. Februar 2022Yayiu Wang wurde deutlich. "China zeigt dem Rest der Welt den Mittelfinger", sagte die Menschenrechtsaktivistin von Human Rights Watch. Sie kritisierte die Anwesenheit prominenter Politiker wie UN-Generalsekretär Antonio Guterres bei der Eröffnungsfeier. "Ich hoffe, dass diese internationalen Würdenträger, die erschienen sind, darüber nachdenken werden, wie die Geschichte über ihre Anwesenheit urteilt." Was sie zornig machte, war die Wahl ausgerechnet einer uigurischen Sportlerin als letzter Fackelläuferin.
"Das nährt die chinesische Propaganda," empörte sich Zumretay Arkin vom "Weltkongress der Uiguren", einer Organisation von Exil-Uiguren mit Sitz in München. "Uiguren zu benutzen, um diese Botschaft an die internationale Gemeinschaft weiterzugeben - das ist beleidigend."
Gemeinsam mit dem nordischen Kombinierer Zhao Jiawen hatte Skilangläuferin Dinigeer Yilamujiang am Freitag bei der Eröffnungsfeier in Peking den Fackellauf abgeschlossen. Die 20-Jährige ist Uigurin und stammt aus der westchinesischen Provinz Xinjiang. Dort sind nach Schätzungen von Menschenrechtlern mehrere hunderttausend Angehörige der muslimischen Volksgruppe der Uiguren in Lagern interniert. Es gibt Berichte über Folter, Misshandlungen und ideologische Indoktrinierung in den Lagern. Die chinesischen Behörden sprechen von "Fortbildungseinrichtungen".
IOC verteidigt Entscheidung für Uigurin
Man habe bei der Auswahl der letzten Fackelläufer die Weitergabe des Erbes von einer Generation zur nächsten zeigen wollen, sagte der für die Eröffnungsfeier zuständige chinesische Starregisseur Zhang Yimou. Daher seien Athleten mit Geburtsjahren von den 1950ern bis in die 2000er Jahre ausgewählt worden. Diese Idee der Generationen sei "exzellent", sagte Mark Adams, Sprecher des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und verteidigte die Entscheidung der Olympiamacher in Peking für die Uigurin Yilamujiang: "Sie ist eine olympische Athletin, die hier an den Wettbewerben teilnimmt. Sie ist absolut berechtigt, am Fackellauf teilzunehmen."
Üblicherweise Stars vorbehalten
Die Entzündung des Olympischen Feuers ist der Höhepunkt jeder Eröffnungsfeier. Bis zuletzt machen die jeweiligen Organisatoren der Olympischen Spiele ein Rätsel darum, wem die Ehre zuteil wird, diesen symbolischen Akt zu übernehmen. In der Regel wählen sie dafür heimische Sportstars: So entzündete 2018 in Pyeongchang die Südkoreanerin Kim Yu-na, die acht Jahre zuvor Gold im Eiskunstlauf gewonnen hatte, das Olympische Feuer. 2014 in Sotschi waren es die dreimalige Paarlauf-Olympiasiegerin Irina Rodnina und Eishockey-Ikone Wladislaw Tretjak.
Auch die Macher der Spiele 2022 in Peking hätten durchaus einen chinesischen Wintersportstar nehmen können, etwa Wang Jing, viermalige Olympiasiegerin im Shorttrack und damit erfolgreichste Olympionikin in dieser Disziplin. Doch sie wählten mit dem Nordischen Kombinierer Zhao Jiawen und der Skilangläuferin Dinigeer Yilamujiang zwei junge Aktive, die bisher international kaum in Erscheinung getreten sind. Und mit Yilamujiang ausgerechnet eine Uigurin. Kaum verwunderlich, dass dahinter politisches Kalkül vermutet wird.