"Peinlich für die deutsche Politik"
7. Februar 2019Die USA wollen das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 unbedingt verhindern. In einem Gastbeitrag für die Deutsche Welle appellierten drei US-Botschafter an die EU-Staaten, das Projekt, das sich bereits im Bau befindet, doch noch zu kippen - durch eine Reform von EU-Richtlinien. "Nord Stream 2 würde die Anfälligkeit Europas für russische Erpressung im Energiebereich weiter erhöhen", schreiben die US-Botschafter für Deutschland, Dänemark und die EU. Europa müsse die Kontrolle über seine Energiesicherheit behalten. "Noch kann Europa eingreifen und die Pipeline stoppen. Aber die Zeit läuft ab", so Richard Grenell, Carla Sands und Gordon Sondland in dem Beitrag.
In der deutschen Politik und in der Wirtschaft reagiert man unterschiedlich auf diese US-amerikanische Einmischung.
Grünen-Abgeordneter Bütikofer stimmt Botschaftern zu
"Es ist extrem ungewöhnlich, dass drei amerikanische Botschafter in Europa der Bundesregierung öffentlich die Leviten lesen", sagte Reinhard Bütikofer, Grünen-Abgeordneter im Europaparlament und Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei, der DW. Das sei nicht der "gute diplomatische Ton" zwischen Verbündeten. In der Sache gibt Bütikofer den Botschaftern aber Recht: "Es ist für die deutsche Politik überaus peinlich, dass unsere Bundesregierung unbedingt erst als allerletzte einsehen will, dass Nord Stream 2 gegen europäische Interessen und auch gegen das deutsche Interesse verstößt."
Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jürgen Hardt, erklärte der DW auf Anfrage, Nord Stream 2 dürfe nur fertiggestellt und beliefert werden, wenn "wir klare und sanktionierbare Zusicherungen haben, dass Russland auch weiter Gas durch die Ukraine transportiert und Liefersicherheit herstellt". Dies sei Ausdruck europäischer Solidarität. Aus sicherheitspolitischen Interessen dürfe man sich nie so weit in russische Abhängigkeit begeben, dass Russland Gasexporte nach Europa als wirksames politisches Mittel einsetzen könne.
Kritik von Linken und AfD
Linken-Politiker Klaus Ernst kritisierte die Einmischung der USA. "Es ist gefährlich, dass sich immer mehr EU-Staaten von der aggressiven Rhetorik der USA einschüchtern lassen", schrieb der Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Energie in einer Pressemitteilung. Der Import von russischem Erdgas sei um einiges naheliegender als der von US-amerikanischem Fracking-Gas. Zudem existierten genügend alternative Versorgungswege, auf denen sich Europa mit Gas aus nicht-russischen Quellen versorgen könne, "sodass das Argument einer übergroßen Abhängigkeit von Russland nicht zieht", so Ernst.
"Wir brauchen Nord Stream 2 dringender denn je", erklärte der Stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion Leif-Erik Holm. Die geplante Änderung der EU-Gasrichtlinie sei ein weiterer Versuch, "das absolut sinnvolle Energie-Projekt Nord Stream 2 zu torpedieren". Die zweite Nord-Stream-Trasse stärke die Energiesicherheit für Deutschland und Europa. An der Haltung der USA übte Holm scharfe Kritik. Der "von den USA organisierte Feldzug" gegen Nord Stream 2 verfolge zwei Ziele: den Erhalt der geostrategischen Position in der Ukraine und die Schaffung neuer Absatzmärkte für amerikanisches Flüssiggas. "Diese Interessen sind allerdings nicht identisch mit den unseren", so Holm.
Merkel versucht zu beruhigen
Am Rande eines Treffens mit den Regierungschefs der Visegrád-Staaten in Bratislava wies Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Warnungen vor einer zu großen Abhängigkeit von Russland zurück. Man wolle sich unter keinen Umständen allein von Russland abhängig machen, sagte Merkel. Daher werde Deutschland gleichzeitig Gas-Terminals für Flüssiggas bauen. Russland bezeichnete sie als einen verlässlichen Gaslieferanten, der es auch weiterhin bleiben werde. Zudem wolle Deutschland sicherstellen, dass die Ukraine Transitland für russisches Gas bleibe.
Der Vorsitzende von "Ost-Ausschuss - Osteuropaverein der deutschen Wirtschaft" (OAOEV), Wolfgang Büchele, bezeichnete die von den USA befürchtete Abhängigkeit von russischem Gas als "Mythos". Zwar stammten derzeit rund 30 Prozent des Erdgases in der EU aus russischen Quellen. Allerdings habe Gas nur einen Anteil von unter zehn Prozent am europäischen Energiemix, erklärte Büchele. Es sei bedenklich, dass das "ökonomisch sinnvolle Projekt" aufgrund "sachfremder politischer Erwägungen und anhaltendem Druck aus den USA" infrage gestellt werde.