Patt in der Ukraine
5. Februar 2014Viktor Janukowitsch klammert sich an die Macht. Gespräche über vorgezogene Neuwahlen lehnt er strikt ab. Die strafrechtliche Verfolgung der Demonstranten geht weiter. Hunderte Regierungsgegner müssen nach wie vor langjährige Haftstrafen fürchten. Denn das letzte Woche im Parlament verabschiedete Amnestiegesetz tritt nur in Kraft, wenn die Demonstranten besetzte Verwaltungsgebäude räumen. Und das haben sie nicht getan.
Die Oppositionsfraktionen wollten am Dienstag (04.02.2013) mit Unterstützung einiger Abgeordneter der regierenden Partei der Regionen und Fraktionsloser eine bedingungslose und sofortige Amnestie durchsetzen. Noch vergangene Woche waren viele in der Regierungspartei bereit, für das Gesetz der Opposition zu stimmen. Dazu verkündeten einige ehemals regierungstreue Abgeordnete ihren Parteiaustritt - aus Protest gegen die anhaltenden Repressionen gegen Oppositionelle. Die Abstimmung über das Amnestiegesetz war also ein Lackmustest für den Rückhalt des Präsidenten im Parlament.
Parlament im Stand-by-Modus
Wer aber hoffte, dass die Sanktionsdrohungen des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier vom Montag das Machtgefüge unter Viktor Janukowitsch ins Wanken bringen würden, wurde bitter enttäuscht. Keines der Gesetze, die die Opposition durchsetzen wollte, schaffte es auch nur auf die Tagesordnung.
Es zeigte sich in informellen Gesprächen, dass die Vorschläge keine Mehrheit finden konnten. Auch der "große Wurf " der Opposition, den Präsidenten durch eine Rückkehr zur Verfassung aus dem Jahr 2004 zu entmachten, gelang nicht. Es gab letztendlich doch nicht genügend Überläufer von Janukowitschs Partei. Die Drohung des Präsidenten, das Parlament aufzulösen, falls die größte Fraktion nicht geschlossen hinter ihm steht, zeigte wohl ihre Wirkung.
Nach einer einstündigen Sitzung legte der Oberste Rat direkt eine Pause ein. Ob das Parlament in nächster Zeit wieder arbeitsfähig sein wird, ist fraglich. Keine der Seiten hat anscheinend derzeit eine stabile Mehrheit, die imstande wäre, eine neue Regierung zu bilden. "Das Kabinett von Ministerpräsident Mykola Asarow, der letzte Woche zurückgetreten ist, bleibt wohl geschäftsführend im Amt, und zwar bis zu den Präsidentschaftswahlen Anfang 2015", sagte der fraktionslose Abgeordnete Serhij Mischtschenko vor Journalisten. Zu groß seien in der jetzigen Lage die Risiken für Asarows möglichen Nachfolger: Das Land stehe kurz vor einem Staatsbankrott und die Stabilisierung der politischen Lage sei schwierig.
EU-Gelder willkommen
Russland hat die Auszahlung der im Dezember zugesagten Kredite vorerst auf Eis gelegt, bis eine neue Regierung im Amt ist. Gleichzeitig ist die Europäische Union bereit, einer neuen Regierung in Kiew finanziell unter die Arme zu greifen. Aber Brüssel erwartet im Gegenzug Reformen. Eine weitere Voraussetzung: Die neue Regierung soll ein Übergangskabinett sein, das sowohl von Janukowitschs Partei der Regionen als auch von der Opposition getragen wird.
Gelder von der EU könnte die Ukraine gut gebrauchen, meint Vladislav Lukjanow von der Partei der Regionen. "Wir müssen die Abhängigkeit von russischen Krediten verringern. Aber wir brauchen erst ein konkretes Angebot von der EU", sagte der Abgeordnete der Deutschen Welle. Lukjanow und seine Fraktionskollegen sind offen für Gespräche mit der Opposition. Ein Kompromiss bei der Bildung einer neuen Regierung sei möglich, so Lukjanow.
Vermittlung Brüssels als letzte Chance?
Ob es der EU aber gelingt, die Konfliktparteien von der Idee einer gemeinsamen Übergangsregierung zu überzeugen, ist fraglich. Insbesondere die Opposition tritt für eine Vermittlerrolle der EU ein. "Nur eine Vermittlung der Europäischen Union kann sicherstellen, dass ein möglicher Kompromiss zwischen Regierung und Opposition auch tatsächlich eingehalten wird", sagte der Anführer der oppositionellen UDAR-Partei, Vitali Klitschko, der DW.
Sein Mitstreiter von der Partei "Batkiwschtschyna" (Vaterland), Volodymyr Polotschaninow, glaubt sogar, dass es die Ukraine ohne die Hilfe der EU überhaupt nicht aus der Krise schaffen wird. "Wenn wir mit Hilfe unserer europäischen Partner innerhalb weniger Wochen keinen Ausweg finden, wird sich die Lage dramatisch verschlechtern - politisch wie wirtschaftlich", warnt Polotschaninow.