Patent-Gerechtigkeit
22. April 2003Die San, das sind die Buschleute Südafrikas. Sie schleifen und feilen, fertigen Perlen aus Knochen und Straußeneierschalen. Der Verkauf von Ketten und Mobiles ist ihre einzige Einkommensquelle. Sie leben im Gebiet der Kalahari nahe der Grenze zu Botswana und gelten als früheste Bewohner des südlichen Afrika. Es ist karge Heimat, der sie seit Jahrtausenden ihren Lebensunterhalt abtrotzen. Ihre Zahl wird auf 100.000 geschätzt.
Auf ihren oft tagelangen Jagdzügen kauen die San Scheiben des gurkengroßen bitteren Hoodia-Kaktus. Der Kaktus vertreibt Hunger und Durst. Eine Wunderwaffe in einem Landstrich, der oft nicht ausreichend Nahrung bereit stellt.
Patentierter Kaktus
Eine Wunderwaffe auch für den Pharmaunternehmer Pfizer: Er will mit dem Kaktus ein Millardengeschäft machen. Das Ziel: Eine Schlankheitspille, ein natürlicher Appetitzügler, der den Wohlstandsmenschen die überschüssigen Pfunde wegschmelzen soll. Für die Patentrechte hat Pfizer bereits 26 Millionen Dollar an ein Forschungsinstitut bezahlt, denn der Markt für solch ein Produkt ist riesig. Ein fettes Geschäft also mit dem Erfahrungsschatz der San.
Doch dürfen Pharmakonzerne einfach Kakteen patentieren, die seit Jahrtausenden in der Kalahari-Wüste wachsen? Wem gehört das Wissen? Wer darf es vermarkten? "Das sind Biopiraten", meinen Entwicklungshilfegruppen. Sie sehen eine neue Art des Kolonialismus am Werk, den patentgeschützten Genklau.
Teilsieg mit Vorbildwirkung
Nun haben es die San geschafft, Vergütung für ihr Wissen beim Pharmakonzern Pfizer einzuklagen. Eine entsprechende Vereinbarung wurde nach Angaben des Kinderhilfswerks terre de hommes vor Ostern in Südafrika unterzeichnet. Damit sei es einer afrikanischen Minderheit das erste Mal gelungen, Vergütung für traditionelles Wissen bei einer transnationalen Pharma-Firma einzuklagen.
Wenn Pfizer den Appetitzügler P57 voraussichtlich 2008 auf den Markt kommt, erhalten die San laut terre des hommes sechs Prozent an den Gewinnen aus dem Patent. Erwartet werden bis zu 1,4 Millionen US-Dollar pro Jahr. Die Gewinnanteile an dem Diätmittel sollen an alle regionalen San-Verbände gezahlt werden. Bei dem Rechtsstreit half die terre-de-hommes-Partnerorganisation WIMSA, die sich im südlichen Afrika für einheimische Minderheiten einsetzt.
Der Streit um den Hooida-Kaktus ist beileibe kein Einzelfall. Basmati-Reis, mexikanische Bohnen und seit neuestem auch der südafrikanische Roiboos-Tee sind bereits patentiert. Nicht etwa von ihren "Entdeckern" sondern von internationalen Konzernen. (kas)