Politischer Stillstand als Dauerzustand
21. März 2016Nach der mühsamen Einigung auf einen Übergangspräsidenten im Februar ist die politische Dauerkrise in Haiti in eine neue Runde gegangen. Das Parlament lehnte nach einer stundenlangen Debatte den nominierten Ministerpräsidenten Fritz Jean (Artikelbild) und dessen Regierung ab.
38 der 75 anwesenden Abgeordneten stimmten für Jean und dessen Kabinett, 36 votierten dagegen. Die Zustimmung war meilenweit entfernt von den für ein Mandat zur Regierungsbildung notwendigen 60 Ja-Stimmen. Die meisten Gegenstimmen kamen aus dem Lager des bisherigen Präsidenten Michel Martelly.
Martelly war Anfang Februar ohne einen gewählten Nachfolger aus dem Amt geschieden, da die Stichwahl um seine Nachfolge wegen Manipulationsvorwürfen der Opposition verschoben werden musste. Neuer Termin für den zweiten Wahlgang ist der 24. April, am 14. Mai soll der neue Staatschef vereidigt werden.
Rückschlag für Übergangspräsident Privert
Um ein institutionelles Vakuum zu verhindern, einigten sich Martelly und die Präsidenten der beiden Parlamentskammern auf die Ernennung eines Übergangspräsidenten. Das 120-tägige Mandat ging an Senatspräsident Jocelerme Privert.
Seine Aufgabe ist es, die zweite Runde der Präsidentschaftswahl sowie Parlaments-Teilwahlen zu organisieren. Bevor er aber die Mitglieder des Wahlrats nominieren kann, muss er nun erneut nach einem Regierungschef suchen. Der Prozess könnte Wochen, wenn nicht Monate dauern, befürchten politische Beobachter.
Das im Westteil der Karibikinsel Hispaniola gelegene Haiti gilt seit Jahrzehnten als ärmstes Land Lateinamerikas. Haiti leidet zudem weiter unter den Folgen des verheerenden Erdbebens im Januar 2010, bei dem mehr als 250.000 Menschen ums Leben gekommen sind. 40 Prozent des Staatshaushalts werden durch Entwicklungshilfe finanziert. Der Streit zwischen dem inzwischen aus dem Amt geschiedenen Martelly und der Opposition hatte Haiti in den vergangenen Jahren zusätzlich politisch gelähmt.
qu/fab (afp, APE, rtre)