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Politik

Abgeordnete für mehr Frauen im Bundestag

14. Februar 2019

Die Debatte um eine Frauenquote im Bundestag nimmt an Fahrt auf. Eine neu gegründete Abgeordneten-Gruppe berät, wie der Frauenanteil im Parlament erhöht werden kann. Justizministerin Barley signalisiert Unterstützung.

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Feierstunde zu 100 Jahre Frauenwahlrecht im Bundestag - SPD-Selfie
Frauen nach vorn! Abgeordnete der SPD bei der Feierstunde zu 100 Jahren Frauenwahlrecht am 17.01.2019Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Noch sind es nur 16 Abgeordnete. Ihre Gruppe könnte jedoch die Keimzelle sein, aus der eine Frauenquote für den Deutschen Bundestag erwächst. An diesem Donnerstag hat sich die neu gegründete Parlamentarierinnen-Gruppe erstmals getroffen. Bei Kaffee und Mohnbrötchen diskutierten sie gut eine Stunde lang, wie der Frauenanteil von derzeit knapp 31 Prozent im Bundestag erhöht werden kann. Mit dabei: Frauen aus allen Fraktionen, mit Ausnahme der Alternative für Deutschland (AfD).

"Das war eine sehr konstruktive und offene Debatte", sagt Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Bundestags-Grünen im Gespräch mit der DW. Mit ähnlichen Worten lobten auch Vertreterinnen von CDU, CSU, SPD, Linke und FDP das Treffen. "Ich bin optimistisch, dass wir uns in dieser Gruppe interfraktionell auf Ziele verständigen und eine kraftvolle Stimme werden", sagt Schauws. So weit allerdings sei man noch nicht, muss sie einschränken. Denn innerhalb der Fraktionen und Parteien gehen die Meinungen weit auseinander, wie der Frauenanteil im Bundestag erhöht werden kann.

Parität à la française?

Braucht es ein Paritätsgesetz, wie etwa in Frankreich? Dort müssen auf den Kandidatenlisten der Parteien abwechselnd Männer und Frauen stehen. Das Bundesland Brandenburg hat erst Ende Januar ein ähnliches Gesetz verabschiedet, das ab 2020 für Landtagswahlen gelten soll. Derartiges könnte man sich bei den Grünen auch im Bund vorstellen. In der SPD unterstützt unter anderem Frauenministerin Franziska Giffey ein solches Gesetz.

Infografik Frauen im Deutschen Bundestag DE

"Ein Paritätsgesetz ist nicht der Ansatz der FDP", sagt dagegen Nicole Bauer, frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. Auch sie gehört der neuen Frauengruppe im Bundestag an und nennt es im Gespräch mit der DW "ein Herzensanliegen von mir", dass mehr Frauen in den Bundestag einziehen. Aber: "Der Weg dorthin ist für uns ein anderer. Ich glaube, dass es dafür in den Parteien und in der Gesellschaft insgesamt einen Kulturwandel braucht."

Brunch statt Stammtisch

Mit mehr Frauen in den Parteien, so die Hoffnung, würden dann auch mehr Frauen in die Parlamente einziehen. Im Moment ist nicht mal ein Viertel der liberalen Parteimitglieder weiblich. Spitzenreiter sind die Grünen mit knapp 40 Prozent, bei der AfD ist nur etwa jedes siebte Mitglied eine Frau. Für die FDP erarbeitet Bauer in einer Kommission bis zum 20. März Vorschläge, wie ihre Partei weiblicher werden kann. Man müsse sich etwa fragen, ob die Veranstaltungsformate noch zeitgemäß seien. "Muss es noch der klassische Partei-Stammtisch am Abend sein? Oder ist nicht ein Brunch besser vereinbar mit dem Leben der Menschen?"

Weibliche Bundestagsabgeordnete
Eher die Ausnahme als die Regel: Frauen im BundestagBild: picture-alliance/dpa/D. Naupold

Eine gesetzliche Paritäts-Regelung dagegen sei nicht mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen, glaubt Bauer. Das sehen viele Verfassungsrechtler ähnlich. Martin Morlok etwa, Jura-Professor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, ist überzeugt, dass das Brandenburger Gesetz von den Verfassungsrichtern in Karlsruhe gekippt wird. Damit hätte sich auch die Diskussion um ein ähnliches Gesetz auf Bundesebene erledigt.

"Vordemokratische Idee"

Zum einen würde ein Paritätsgesetz die im Grundgesetz verankerte Wahlrechtsfreiheit einschränken, sagt Morlok der DW. "Wenn ich innerhalb einer Partei kandidieren möchte, dann stünde mir nur jeder zweite Platz zur Verfügung. Die Hälfte der Kandidatenplätze wären mir versperrt, das wäre eine deutliche Einbuße an Wahlrechtsfreiheit." Für die Wähler gelte das umgekehrt genauso. Zum anderen würden die Parteien daran gehindert, diejenigen Kandidaten aufzustellen, die sie aufstellen möchten. "Der Gesetzgeber mischt sich damit in die Personalhoheit der Parteien ein."

Morlok meint, dass ein Paritätsgesetz ganz grundsätzlich die demokratische Repräsentation in Deutschland in Frage stellen würde und spricht von einer "vordemokratischen Idee". Schließlich würde damit das Wahlvolk in Gruppen eingeteilt. "Das mag man durchaus als ständisch bezeichnen. Der Unternehmer Friedrich Engels ist ja ein schönes Beispiel dafür, dass nicht nur Arbeiter Arbeiterinteressen vertreten können."

Barley mit an Bord

Allerdings: Andere Verfassungsrechtler sind der Meinung, dass der Eingriff in Verfassungsnormen wie die Wahlfreiheit gerechtfertigt sein könnte, um die Gleichberechtigung der Geschlechter durchzusetzen. Diese Haltung vertritt auch Justizministerin Katarina Barley von der SPD. "Es ist natürlich rechtlich durchaus heikel", sagt sie im DW-Interview. "Aber wir haben eben im Grundgesetz auch ein Fördergebot des Staates, was Gleichberechtigung betrifft. Also, dass der Staat nicht nur selbst Benachteiligung unterlassen muss, sondern aktiv auf Gleichberechtigung hinwirken muss." Schließlich sei der Frauenanteil im Bundestag nach der Wahl 2017 stark gesunken und so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr - "dramatisch", so Barley.

 

 

Mehr Gleichberechtigung könnte jedoch auch ohne ein Paritätsgesetz möglich sein. Der Deutsche Juristinnenbund etwa schlägt Änderungen des Parteiengesetzes und der Parteienfinanzierung vor, um mehr Frauen in die Parlamente zu bringen. Sie könnten sich selbst verpflichten, mehr Kandidatinnen aufzustellen - so wie es Grüne, Linke und SPD jetzt schon tun. Wer besonders viele Frauen aufstellt, könnte dann mehr Geld vom Staat erhalten.

Unterstützung aus dem Kanzleramt?

Auch dies dürfte in der neu gegründeten Frauengruppe im Bundestag diskutiert werden. Sie wird noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, damit im nächsten Bundestag mehr Frauen sitzen. Eine prominente Unterstützerin scheint die Runde dabei jedenfalls zu haben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich bislang zwar nicht offen für ein Paritätsgesetz ausgesprochen. Anfang der Woche jedoch ließ sie sich beim Besuch einer Gruppe des Deutschen Frauenrats mit einem Schild in der Hand ablichten. Darauf die Forderung "Mehr Frauen in die Parlamente."