Paris will Laufzeiten für AKWs verlängern
28. Februar 2016Erst sorgte die Atompolitik der belgischen Nachbarn für Verunsicherung in Deutschland, nun ist man verstört über den Kurs der Franzosen: Die Pariser Energieministerin Ségolène Royal sprach sich für eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken um zehn Jahre aus. Sie sei bereit, "grünes Licht zu geben", sofern die Atomaufsicht ASN der Verlängerung von 40 auf 50 Jahre zustimme, sagte die Sozialistin Royal dem Sender France 3. Sie hob hervor, dass so der Strom billiger werde. Kritik kam umgehend von den deutschen Grünen.
Eine Verlängerung der Laufzeiten um zehn Jahre werde bei bereits amortisierten Atomkraftwerken dafür sorgen, dass "der Strom billiger produziert" werde, versprach Royal. Laut der Mitte 2015 verkündeten Energiewende und der geltenden Rechtslage soll der Anteil der Atomkraft an der gesamten Stromproduktion Frankreichs bis 2025 auf 50 Prozent gedrosselt und durch Ökostrom ersetzt werden. Die Verringerung von 75 auf 50 Prozent solle "den Erneuerbaren zum Durchbruch verhelfen", so die Ministerin.
Der staatliche Energieversorger EDF soll zwei Reaktoren stilllegen, möglicherweise die beiden Reaktoren des Atomkraftwerks Fessenheim an der deutsch-französischen Grenze. Nach den derzeitigen Planungen soll 2018 ein neuer Reaktor vom Typ EPR (Europäischer Druckwasserreaktor) im nordfranzösischen Flamanville ans Netz gehen.
Veraltet und marode?
Die atompolitische Sprecherin der Grünen im deutschen Bundestag, Sylvia Kotting-Uhl, reagierte mit scharfer Kritik auf die Ankündigung aus Frankreich. "Der geplante Überaltungsbetrieb für die französischen Atomkraftwerke ist eine miserable, gefährliche Idee", erklärte Kotting-Uhl in Berlin. Die französischen "Schrottmeiler" Cattenom und Fessenheim an der Grenze zu Deutschland erfüllten "nicht einmal die europäischen Mindestanforderungen an Alt-AKW" und müssten daher sofort stillgelegt werden.
Die Grünen-Politikerin sieht auch die Bundesregierung in der Pflicht. Diese müsse "sich endlich für verbindliche AKW-Mindestanforderungen in Europa einsetzen und dafür, dass die gefährlichsten Meiler sofort abgeschaltet werden". "Indifferenz oder diplomatische Hasenfüßigkeit ist angesichts der Gefährlickeit von Atomkraft fehl am Platz, erst recht bei einem grenznahen Akw", warnte Kotting-Uhl.
Und die belgischen Pannen-Reaktoren?
In den vergangenen Monaten hatten der Zustand der Atommeiler Belgiens zu Diskussionen geführt, vor allem auch die wiederholten Abschaltungen. Im Streit um das AKW Tihange bei Lüttich wächst der Druck auf die belgischen Behörden. Zuletzt verlangten Vertreter der deutsch-belgisch-niederländischen Grenzregion mehr Klarheit über die Risiken. Die EU-Kommission meldete Zweifel bei den Laufzeitverlängerungen an.
SC/wl (afp, rtr, dpa)