Paris gegen Verhandlungen mit Balkanstaaten
15. Oktober 2019Nordmazedonien und Albanien müssen weiter auf den erhofften Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen warten. Frankreich, die Niederlande und Dänemark blockierten bei einem Ministertreffen eine Entscheidung zugunsten der beiden Balkanstaaten. Sie begründeten dies mit Zweifeln an Reformfortschritten.
Die Regierung in Paris verlangte zudem eine grundsätzliche Reform des Beitrittsprozesses als Voraussetzung für die Zustimmung. Anders als die Niederlande und Dänemark wollte sie nicht einmal dem Start von Gesprächen mit Nordmazedonien zustimmen. "Diese Länder werden eines Tages Mitglieder der EU sein, aber es ist zu früh, den rechtlichen Weg zu beschreiten", bekräftigte die französische Regierung den Widerstand gegen die Beitrittsverhandlungen.
Schwenkt Frankreich noch um?
Die derzeitige finnische Ministerratsvorsitzende Tytti Tuppurainen sagte nach den mehrstündigen Beratungen in Luxemburg: "Leider ist es heute nicht möglich gewesen, zu einer einstimmigen Entscheidung zu kommen." EU-Ratspräsident Donald Tusk wolle das Thema nun auf die Tagesordnung des am Donnerstag beginnenden EU-Gipfels setzen.
Deutschland und viele andere EU-Staaten reagierten mit Unverständnis auf die Entwicklungen. Sie verwiesen darauf, dass Albanien und Nordmazedonien die von der EU verlangten Voraussetzungen nach Gutachten der EU-Kommission erfüllt haben. Der Start der Beitrittsgespräche war den beiden Ländern für diesen Fall zugesagt worden. Die Bundesregierung sei "sehr enttäuscht" darüber, dass man offenkundig nicht das einhalten könne, was man mehrfach versprochen habe, sagte Europastaatsminister Michael Roth (SPD). Einem Regierungsvertreter zufolge will Kanzlerin Angela Merkel das Thema am Mittwoch in ihrem Gespräch mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei einem deutsch-französischen Ministerratstreffen ansprechen. Sei das nicht erfolgreich, werde Merkel die Angelegenheit auch auf dem EU-Gipfel vorbringen.
Verheerendes Signal
Viele EU-Länder befürchten, dass sich Albanien und Nordmazedonien wegen der erneuten Enttäuschung verstärkt Staaten wie Russland, China oder der Türkei zuwenden, die unter anderem wegen der strategisch günstigen Lage inmitten Europas großes Interesse an den Balkanstaaten haben. Reformen für mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit könnten so in Gefahr geraten. Roth warnte, wenn es der EU nicht gelinge, die Präsenz im westlichen Balkan zu erhöhen, drohe dort ein politisches Vakuum, das von anderen Mächten gefüllt werde.
Der zuständige EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn weist zudem immer wieder daraufhin, dass es auch für andere Beitrittskandidaten demotivierend sein könnte, wenn "objektiv erbrachte Fortschritte" nicht anerkannt würden. Demnach drohe für Serbien unter anderem die Motivation wegzufallen, den Konflikt mit Kosovo beizulegen. Serbien führt bereits seit 2014 Beitrittsverhandlungen mit der EU. Die Aussöhnung mit dem Kosovo gilt aber als zentrale Bedingung dafür, dass die Gespräche irgendwann einmal erfolgreich abgeschlossen werden können.
Jahrzehntelanger Namensstreit endlich beigelegt
Bitter ist die nun ausgebliebene Entscheidung vor allem für Nordmazedonien, weil das rund 2,1 Millionen Einwohner zählende Land für die Perspektive auf Beitrittsverhandlungen jüngst sogar seinen Namen von Mazedonien in Nordmazedonien geändert hatte. Die griechische Regierung hatte dies gefordert, weil auch eine nordgriechische Provinz Mazedonien heißt und Gebietsansprüche
befürchtet wurden.
Durchsetzen konnte Griechenland seine Forderung, weil alle Entscheidungen zu Beitrittsverhandlungen in der EU einstimmig getroffen werden müssen. Das Land hatte seine Zustimmung an die Umbenennung Mazedoniens geknüpft. EU-Kommissar Hahn äußerte nach den Gesprächen in Luxemburg die Hoffnung, dass Frankreich, die Niederlande und Dänemark beim EU-Gipfel am Donnerstag doch noch nachgeben. Es gehe darum, Glaubwürdigkeit wieder herzustellen, sagte er. Sowohl Nordmazedonien als auch Albanien hätten ihre Hausaufgaben gemacht.
ie/qu (dpa, rtr)