Papst: Taten an Kanadas Indigenen waren Genozid
30. Juli 2022Mehrfach hat das Oberhaupt der Katholischen Kirche in den vergangenen Tagen die Ureinwohner Kanadas mit deutlichen Worten um Vergebung gebeten, für das Leid, dass indigenen Kindern in katholischen Internaten angetan wurde. Die Worte Völkermord oder Genozid benutzte er bei seinen Vergebungsbitten nicht.
Erst auf dem Rückflug nach Rom sagte Franziskus zu den Auswirkungen des staatlich-kirchlichen Internatssystems auf die indigene Bevölkerung: "Es ist wahr, es war Völkermord." Er habe zwar den technischen Fachbegriff Begriff Genozid bisher nicht benutzt, ihn aber treffend beschrieben. "Kinder wegnehmen, die Kultur, Mentalität und Traditionen verändern", das sei ein Völkermord an den Ureinwohnern Kanadas gewesen.
Er habe das Wort Genozid nicht gebraucht, weil ihm das nicht in den Sinn gekommen sei, rechtfertigte sich der Papst und reagierte damit wohl auf Kritik von kanadischen Indigenen, die verärgert waren, weil Franziskus die Taten der Kirche nicht als kulturellen Genozid bezeichnete.
1876 hatte die kanadische Regierung den sogenannten Indian Act erlassen, mit dem die Kinder indigener Völker in Internaten an die an die westlich-christliche Mehrheitsgesellschaft angepasst werden sollten. Sie wurden aus ihren Familien geholt, erhielten teils andere Namen, durften unter Androhung von Strafen ihre Sprache nicht sprechen, ihre kulturellen Bräuche nicht ausüben. Ungefähr 150.000 Ureinwohner-Kinder waren Schätzungen zufolge in den landesweit verteilten Einrichtungen untergebracht. Viele von ihnen wurden körperlich und sexuell misshandelt. Offiziell kamen mehr als 4000 Kinder infolge von Unterernährung, Krankheiten und Vernachlässigung ums Leben, nach Schätzungen dürften es mehr als 6000 gewesen sein. Die Entdeckung von 1300 anonymen Gräbern im vergangenen Jahr hatte eine Schockwelle ausgelöst.
Die Kirche trug das Regierungsprogramm mit, übernahm für einen Großteil der Internate die Leitung. Die letzten Internate schlossen 1996.
Franziskus: Die Tür zum Rücktritt steht offen
Der Papst äußerte sich vor den mitreisenden Journalisten auch zu seiner angeschlagenen Gesundheit, möglichen weiteren Reisen und der Option eines Rücktritts als Kirchenoberhaupt.
"Die Tür steht offen. Das ist eine ganz normale Option", sagte der 85-Jährige zu einem möglichen Amtsverzicht. Gerade denke er zwar nicht daran, sein Amt niederzulegen, aber das heiße nicht, dass er damit nicht übermorgen anfangen könne, erklärte der Argentinier. "Ganz ehrlich, das ist keine Katastrophe. Man kann den Papst wechseln."
Jorge Mario Bergoglio, wie der Papst bürgerlich heißt, sagte mit Blick auf künftige Reisen als Papst: "Ich denke, ich kann nicht in demselben Reiserhythmus wie zuvor weitermachen." Er müsse "seine Kräfte ein wenig aufsparen" oder "andernfalls über die Möglichkeit nachdenken, beiseite zu treten". Grundsätzlich wolle er weitere unternehmen. Man müsse diese nur vielleicht etwas kleiner planen, erklärte Franziskus.
Zuletzt hatten gesundheitliche Probleme des 85-Jährigen, vor allem einer Verletzung am Knie, die Spekulationen über einen möglichen Amtsverzicht des Papstes befeuert. Nach der sechstägigen Reise nach Kanada war der Papst am Samstagmorgen wieder in Rom gelandet.
qu/kle (dpa, afp, kna)