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Papst mahnt Europa zur Aufnahme von Migranten

23. September 2023

Mehr Mitmenschlichkeit mit Flüchtlingen - das ist das beherrschende Thema von Franziskus bei seinem Besuch in Marseille. Zum Abschluss des Papstbesuchs gab es eine Messe mit dem Kirchenoberhaupt im Stadion der Stadt.

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Der Papst mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dessen Ehefrau Brigitte in Marseille
Der Papst mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dessen Ehefrau Brigitte in Marseille Bild: Alessandra Tarantino/AP/picture alliance

Papst Franziskus hat mit Blick auf die Migration von Afrika über das Mittelmeer nach Europa vor Abschottung und Panikmache gewarnt. Es müssten reguläre Einreisemöglichkeiten und eine ausgewogene Aufnahme der Migranten in Europa gewährleistet werden, sagte Franziskus am zweiten und letzten Tag seines Besuches in der französischen Hafenstadt Marseille. Bei der Migration handele es sich weder um eine Invasion noch um eine Notsituation, sondern um eine Gegebenheit unserer Zeit, die in europäischer Verantwortung angegangen werden müsse.

Flüchtlinge "keine Invasoren, sie suchen Aufnahme"

Das Mittelmeer schreie nach Gerechtigkeit, so das römisch-katholische Kirchenoberhaupt weiter. "An seinen Ufern herrschen auf der einen Seite Überfluss, Konsum und Verschwendung, auf der anderen Seite hingegen Armut", betonte er. "Diejenigen, die ihr Leben auf dem Meer riskieren, sind keine Invasoren, sie suchen Aufnahme", sagte der Papst. Der Schmerzensschrei der Migranten, die auf ihrer Flucht ertrinken, mache das Mittelmeer, das einst als Wiege der Zivilisation galt, zum "Grab der Menschenwürde".

Franziskus widmete seinen Besuch in Marseille dem Schicksal der Flüchtlinge. In diesem Jahr sind bereits mehr als 2000 Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer gestorben. Sein lange geplanter Besuch fällt mit der jüngsten Krise auf der italienischen Insel Lampedusa und der Debatte über ein neues Einwanderungsgesetz in Frankreich zusammen. 

Papst Franziskus bei der Abschlussveranstaltung des Mittelmeer-Treffens "Rencontres méditerranéennes" im  Palais du Pharo in Marseille
Papst Franziskus bei der Abschlussveranstaltung des Mittelmeer-Treffens "Rencontres méditerranéennes" im Palais du Pharo in MarseilleBild: Alessandra Tarantino/AP Photo/picture alliance

Der Papst äußerte sich bei der Abschlussveranstaltung des Treffens "Rencontres méditerranéennes", an dem 120 Bischöfe sowie junge Menschen aus 29 Ländern des Mittelmeerraums teilgenommen haben. Im Publikum saßen unter anderen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der Vizepräsident der EU-Kommission, Margaritis Schinas, und die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde. Mit Macron traf Franziskus zudem zu einem Gespräch zusammen. Auch dabei sollte Migration ein wichtiges Thema sein.  

Franziskus kritisierte auch die Sterbehilfe, über die in Frankreich derzeit ebenfalls debattiert wird. Die Regierung plant eine gesetzliche Neuregelung, die den Zugang zu Sterbehilfe erleichtern könnte. "Wer hört sich die Klagen der einsamen alten Menschen an, die, anstatt Wertschätzung zu erfahren, aufs Abstellgleis geschoben werden, mit der trügerischen Aussicht auf einen süßen Tod, der in Wirklichkeit salziger ist als das Wasser des Meeres?", sagte der Papst. Er bekräftigte zudem erneut die Ablehnung von  Schwangerschaftsabbrüchen und fragte: "Wer denkt an die ungeborenen Kinder, die im Namen eines falschen Rechts auf Fortschritt abgelehnt werden, welches jedoch einen Rückschritt in Bezug auf die Bedürfnisse des Einzelnen darstellt?".

Gottesdienst mit Papst Franziskus im Stadion von Marseille

Bei der Messe im Stadion des Fußballvereins Olympique rief der Papst dazu auf, sich vom Glauben ergreifen zu lassen und sich für das Leben derer zu interessieren, an denen man täglich vorbeigehe. "Unsere Großstädte und viele europäische Länder wie Frankreich, in denen verschiedene Kulturen und Religionen zusammenleben, stellen in diesem Sinne eine große Herausforderung gegen die Auswüchse des Individualismus, gegen den Egoismus und die Verschlossenheit dar, die Einsamkeit und Leid erzeugen." 

Papst Franziskus in Marseille
Einzug der Priester ins Stadion von Marseille zur PapstmesseBild: Alessandra Tarantino/AP/dpa/picture alliance

Die europäische Gesellschaft erkranke zunehmend an Zynismus, Enttäuschung, Resignation, Unsicherheit und einem allgemeinen Gefühl der Traurigkeit, sagte Franziskus. "Auch heute braucht unser Leben, das Leben der Kirche, das Leben Frankreichs und Europas dies: die Gnade eines Rucks, eines neuen Rucks des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung." Zu der Messe mit dem Papst kamen mehr als 50.000 Gläubige.

Weiter Kritik an Macrons Gottesdienstteilnahme  

An dem Gottesdienst nahm auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron teil. Der Unmut darüber ebbt derweil nicht ab. Vor Beginn der Veranstaltung am Samstagnachmittag meldeten sich weitere Kritiker zu Wort. Sie werfen Macron einen Verstoß gegen den in Frankreich geltenden Grundsatz der Laizität vor, der eine Trennung von Kirche und Staat vorsieht.

Der linkspopulistische Politiker Jean-Luc Mélenchon
Der linkspopulistische Politiker Jean-Luc Mélenchon: "Nein, Monsieur le President, ihr Platz ist nicht in der Papstmesse."Bild: Nasser Berzane/abaca/picture alliance

"Nein, Monsieur le President, ihr Platz ist nicht in der Papstmesse", sagte der linkspopulistische Politiker Jean-Luc Melenchon. Fabien Roussel, Parteichef der Kommunisten, äußerte sich ähnlich: "Ein Präsident darf nicht irgendeine Präferenz für eine Religion zeigen." Bereits in den vergangenen Tagen war in Frankreich eine Diskussion über den geplanten Gottesdienst-Besuch Macrons entbrannt. Vor allem linke Abgeordnete warfen dem Präsidenten vor, die herrschende Staatsräson zu gefährden.

Der Chef der französischen Kommunisten, Fabien Roussel
Der Chef der französischen Kommunisten, Fabien Roussel: "Ein Präsident darf nicht irgendeine Präferenz für eine Religion zeigen." Bild: Andrea Savorani Neri/NurPhoto/picture alliance

Der Elysee-Palast erklärte daraufhin: Macron werde bei der Messe in Marseille "nicht als Gläubiger an der Eucharistie teilnehmen". Der Besuch in seiner Funktion als Staatsoberhaupt sei indes statthaft. Das Gesetz von 1905 über die Trennung von Kirche und Staat schließe Beziehungen zu den Religionsgruppen keineswegs aus.

sti/se/qu/kle (afp, dpa, epd, kna)