Papst belässt Kardinal Woelki im Amt - vorerst
24. September 2021Die Entscheidung war lange erwartet worden. Jetzt heißt es in einer Erklärung des Vatikans, dass Papst Franziskus den umstrittenen Erzbischof Rainer Maria Woelki im Amt belässt. Allerdings werde Woelki auf eigenen Wunsch eine Auszeit von Oktober bis zum Beginn der Fastenzeit Anfang März kommenden Jahres nehmen. Die Nachrichtenagentur KNA sprach dagegen von einer vom Papst verordneten Auszeit. Zudem werde ein Administrator für das Erzbistum eingesetzt.
Auch die beiden Kölner Weihbischöfe Ansgar Puff und Dominikus Schwaderlapp, die den Papst wegen Pflichtverletzungen im Umgang mit Missbrauchsfällen um ihren Rücktritt gebeten hatten, sollen im Amt bleiben.
"In der Herangehensweise große Fehler gemacht"
Der Vatikan teilte weiter mit, dass sich kein Hinweis darauf ergeben habe, dass Woelki im Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs rechtswidrig gehandelt hat. Dennoch habe der Kardinal "in der Herangehensweise an die Frage der Aufarbeitung insgesamt, vor allem auf der Ebene der Kommunikation, auch große Fehler gemacht". Das habe wesentlich zu einer Vertrauenskrise im Erzbistum beigetragen.
Woelki räumte Fehler bei der Aufarbeitung und in der Kommunikation ein. "Das tut mir leid, das bedauere ich." Er kündigte an, die Auszeit dafür zu nutzen, "Wege für mich zu finden,
die in die Zukunft weisen können, wie wir hier miteinander im Erzbistum zukünftig als Kirche von Köln auf dem Weg sein können" Die Amtsgeschäfte übernimmt bis zum Ende der Auszeit Weihbischof Rolf Steinhäuser als Apostolischer Administrator.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, reagierte mit vorsichtiger Skepsis auf die Entscheidung von Papst Franziskus. "Ich nehme die Entscheidungen des Heiligen Vaters entgegen und hoffe, dass der Prozess einer Aussöhnung im Erzbistum Köln anlaufen wird", teilte Bätzing in Bonn mit. "Ob dies innerhalb weniger Monate zu einer grundlegend veränderten Situation führen kann, vermag ich nicht zu beurteilen."
Bätzing zog sodann folgenden Vergleich: "Die Entscheidung zu Kardinal Woelki erinnert mich in manchem an das römische Vorgehen im Blick auf meinen Amtsvorgänger in Limburg." Dieser, der sogenannte "Protzbischof" Franz-Peter Tebartz-van Elst, war nach der Auszeit nicht mehr in sein Bischofsamt in Limburg zurückgekehrt, sondern hatte eine neue Funktion in Rom bekommen.
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, erklärte schließlich: "Ich kann die vatikanische Entscheidung zum Verbleib von Kardinal Woelki im Amt nicht verstehen." Die Auszeit sei keine Lösung der Vertrauenskrise. "Es ist völlig unklar, was am Ende einer solchen Auszeit stehen kann und sie ist nicht geeignet, um verlorengegangenes Vertrauen wiederherzustellen."
Dauerkrise im Erzbistum
Die Diözese am Rhein wird seit gut einem Jahr von einer Vertrauenskrise erschüttert. Der Unmut über den Erzbischof war gewachsen, nachdem er ein Gutachten über den Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt mit Verweis auf rechtliche Gründe stornierte. Es wuchs der Eindruck, Woelki wolle etwas vertuschen. Ein zweites Gutachten, das kirchlichen Führungskräften 75 Pflichtverletzungen im Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt nachweist, brachte keine Befriedung.
Woelki selbst wurde juristisch entlastet. Doch diese Freisprechung stieß nicht auf Akzeptanz. Vielmehr appellierten Kritiker an ihn, gerade auch als langjähriger Vertrauter des früheren Kölner Kardinals Joachim Meisner moralische Verantwortung für das System zu übernehmen. Einen Rücktritt lehnte Woelki mehrfach ab.
Päpstliche Ermittlungen
Im Zuge des dadurch entstandenen Streits entfremdeten sich der Kardinal und die wichtigsten Gremien des größten deutschen Bistums immer weiter. Darauf reagierte Papst Franziskus in diesem Jahr, indem er zwei Bevollmächtigte ins Erzbistum Köln entsandte, den Stockholmer Kardinal Anders Arborelius und den Rotterdamer Bischof Hans van den Hende. Sie befragten unter anderem Missbrauchsopfer und erstellten anschließend einen Untersuchungsbericht für den Papst.
Dabei ging es auch um die Rolle weiterer Verantwortungsträger, etwa des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße , der seinen Rücktritt angeboten hatte. Vergangene Woche lehnte der Papst dieses Gesuch ab.
Millionen-Defizit für 2020
An diesem Freitag teilte das Erzbistum Köln mit, dass sein Finanzbericht für 2020 ein millionenschweres Defizit aufweist. Der Fehlbetrag belaufe sich demnach auf 4,1 Millionen Euro. 2019 hatte das mitgliederstärkste Bistum in Deutschland noch einen Jahresüberschuss von 31,4 Millionen Euro verzeichnet. Laut dem Erzbistum gingen die Kirchensteuererträge für 2020 gegenüber dem Vorjahr um 4,5 Prozent auf rund 653,6 Millionen Euro zurück.
Ursache sei vor allem die Corona-Krise gewesen, hieß es. Zugleich sank die Zahl der Kirchenmitglieder im Erzbistum: Ende 2019 hatte sie noch bei 1,91 Millionen gelegen, ein Jahr später betrug sie 1,87 Millionen."Der Jahresabschluss spiegelt die Belastungen durch Corona, zeigt aber auch die Widerstandsfähigkeit des Erzbistums gegenüber kurzfristigen Verwerfungen", sagte der Ökonom des Erzbistums, Gordon Sobbeck.
sti/mak/gri (kna, epd, dpa, afp)