Bundestag: Afrikapolitik in Pandemie-Zeiten
25. Februar 2021Eigentlich hatte Deutschland sich im vergangenen Jahr vorgenommen, den afrikanischen Kontinent einmal so richtig ins Zentrum seiner Außenpolitik zu rücken. Wieder einmal. Diesmal im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte. Um faire Handelsbeziehungen sollte es gehen, um den Kampf gegen den Klimawandel. Aber die Pandemie machte einen Strich durch die Rechnung. Der geplante EU-Afrika-Gipfel wurde auf Frühjahr 2021 verschoben. Die neue EU-Afrika-Strategie wurde von den Mitgliedsländern noch immer nicht gebilligt.
Und auch ein neues Cotonou-Abkommen ist nicht in Sicht, das Abkommen also, das die Wirtschaftsbeziehungen der EU mit über 70 früheren Kolonien in Afrika, Asien und dem Pazifik-Raum regeln soll. Am Donnerstag immerhin beschäftige sich der Bundestag in Berlin mit den deutschen Beziehungen zu Afrika. Der Kontinent bleibe auf der Agenda, so Außenminister Heiko Maas: "Schließlich sind Afrikaner und Europäer in allen großen Zukunftsfragen - Klimawandel, Sicherheit, Flucht, Migration, und nachhaltige Entwicklung - unmittelbar aufeinander angewiesen."
1,5 Milliarden Euro für Impfstoffe weltweit
Erst vor Kurzem hat Deutschland insgesamt 1,5 Milliarden Euro für Corona-Impfstoffe weltweit zur Verfügung gestellt. Als erstes afrikanisches Land hat jetzt Ghana Dosen aus dem Covax-Impfprogramm der Vereinten Nationen erhalten. Nach wir vor fehlen aber rund 25 Milliarden Euro, um 20 Prozent der Bevölkerung in den afrikanischen Ländern zu impfen. Bisher, so Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), hätten dort erst fünf Länder Vakzine erhalten.
Zugleich hätten die Industriestaaten 75 Prozent der Impf-Dosen reserviert. Der Impfstoff sei aber ein globales Gut und Covid treffe die Ärmsten der Armen am härtesten. Müller erinnerte erneut an die Verantwortung Europas für Afrika. Müller sagte: "Uns verbindet Kultur und Geschichte. Afrika ist schließlich die Wiege der Menschheit. Aber uns verbindet auch die geschichtliche Verantwortung für die Versklavung und den Sklavenhandel, für die Folgen und die Verbrechen der europäischen Kolonisation."
FDP: Die jungen Afrikaner haben alle Chancen
Der Außen- und der Entwicklungsminister bezeichneten die Förderung des Gesundheitswesens, den Ausbau der Digitalisierung und die Unterstützung einer kontinentalen Freihandelszone als zur Zeit größte Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit Afrika. Das sehen im Wesentlichen auch die meisten Oppositionspolitiker so.
Ohnehin stehe Afrika vor gewaltigen Veränderungen. Die Bevölkerung wachse sprunghaft, Afrika, so der FDP-Christoph Hoffmann, werde demnächst wichtiger sein denn je: "Mit nur 19 Jahren Durchschnittsalter ist Afrika der junge Kontinent. Eine neue Generation ist da, weitaus gebildeter und informierter als je zuvor. Sie wird die Macht übernehmen und ihr Afrika formen."
Linke und Grüne erinnern an Gewalt, Krieg und Hunger
Ganz so optimistisch sieht das die Fraktion der Linken nicht. Deren Abgeordnete Sevim Dağdelen sagte, immer wieder zeige sich, dass Afrika vergessen werde, wenn in den reichen Staaten die Lage ernst werde. So seien die großen Corona-Impfstoff-Produzenten eben nicht gezwungen worden, ihre Lizenzen für breitere Produktionen freizugeben. Europa habe erst reagiert und Geld für Impfstoffe auch in Afrika gegeben, als Kuba, China und Russland begonnen hätten, für Afrika Impfstoffe bereit zu stellen. Also aus geopolitischen Gründen.
Die Grünen-Politikerin Agnieszka Brugger erinnerte daran, dass Probleme Afrikas auch Folgen für Europa haben. Die Pandemie und die Klimakrise verschärften dabei existierende Probleme. "Die Gewalt in Äthiopien eskaliert", so Brugger. "In Nigeria entführt die Terror-Organisation Boko Haram Kinder. 90 Prozent des Tschad-Sees sind verschwunden. Ein Viertel der Menschen in Sub-Sahara-Afrika leidet unter extremer Armut und Hunger. Die schwächsten Staaten brechen unter ihrer Schuldenlast zusammen."
Immer noch unfaire Wirtschaftsbeziehungen
Vertreter der Opposition kritisierten auch, dass Deutschland nach wie vor viele Waffen nach Afrika exportiert, etwa nach Ägypten. Grundsätzlich, so Grüne und Linke, blieben die Wirtschaftsbeziehungen unfair und ungleich: Für Afrika ist die EU mit 31 Prozent der Exporte und 29 Prozent der Importe einerseits wichtigster Handelspartner. Andererseits aber importieren die EU-Staaten aus Afrika überwiegend Rohstoffe, exportieren aber hochwertige Güter wie Industrieprodukte. So kommt Afrikas Wirtschaft kaum aus der Abhängigkeits-Spirale heraus. Und auch während der Pandemie bleibt das Schicksal vieler Flüchtlingen aus Afrika, die an Europas Grenzen scheitern, grausam. Mehr als 1400 Menschen ertranken nach Angaben der UN-Migrationsorganisation 2020 beim Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Auch daran erinnerten Abgeordnete des Bundestages in der Debatte.