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PolitikAfrika

EU-Afrika-Beziehungen: Das verlorene Jahr

Daniel Pelz
18. November 2020

Neue Partnerschaft mit Afrika, Gipfel mit der Afrikanischen Union, ein Nachfolger für das Cotonou-Abkommen: Die EU hatte sich für 2020 viel vorgenommen. Doch dann kam alles anders, nicht nur wegen Corona.

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Elfenbeinküste Abidjan Joao Lourenco und Angela Merkel
Angolas Präsident João Lourenço und Bundeskanzlerin Angela Merkel sind sich schon mehrfach begegnet, hier beim EU-AU-Gipfel 2017Bild: Getty Images/AFP/I. Sanogo

Gleich zwei hochrangige EU-Vertreter machten den Anfang. Gemeinsam mit Entwicklungskommissarin Jutta Urpilainen stellte der Außenbeauftragte Josep Borrell im März die neue Afrikastrategie vor. 

"Die EU ist Afrikas wichtigster Partner in allen möglichen Themen: Handel, Investitionen, Entwicklung, Zusammenarbeit, Sicherheit. Wir wollen, dass es so bleibt, wir wollen es ausbauen und effizienter machen", versprach Borrel vor Journalisten. 

So harmonisch sollte es eigentlich weitergehen. 2020 hatten die EU als großes Afrikajahr geplant, mit der neuen Strategie als Auftakt. Im Oktober sollten die Staatschefs beider Kontinente auf einem gemeinsamen Gipfel feierlich eine neue Partnerschaft beschließen. Außerdem sollte noch ein Nachfolger für das Cotonou-Abkommen ausgehandelt werden, das die Wirtschaftsbeziehungen der EU mit über 70 früheren Kolonien in Afrika, Asien und dem Pazifikraum regelt. 

Brüssel | Pressekonferenz zur EU-Afrika-Strategie mit Josep Borrell und Jutta Urpilainen
Im März stellten die EU-Kommissare Borrell und Urpilainen die neue Afrikastrategie vorBild: Getty Images/AFP/J. Thys

Deutschland kam in diesem Drehbuch eine entscheidende Rolle zu, schließlich hat die Bundesregierung bis Jahresende die EU-Ratspräsidentschaft inne. "Ein weiterer Schwerpunkt unserer Außenpolitik ist Afrika", versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Grundsatzrede im Mai. 

Zwei Kontinente, die einander brauchen

Doch dann kam alles anders. "Die EU beschäftigt sich - auch verursacht durch die COVID-19 Krise - sehr stark mit sich selbst", sagt Mathias Mogge vom Dachverband deutscher Entwicklungsorganisationen VENRO zur DW. "Da gerät das Thema Partnerschaftsabkommen mit Afrika in den Hintergrund." Das hat Folgen: Der EU-Afrika-Gipfel wurde auf Frühjahr 2021 verschoben. Die neue Afrikastrategie wurde von den Mitgliedsländern noch immer nicht gebilligt. Und auch ein neues Cotonou-Abkommen ist nicht in Sicht. 

An Europa allein liegt es aber nicht. Auch afrikanische Länder sollen hinter vorgehaltener Hand dafür gewesen sein, den Gipfel zu verschieben - nicht nur wegen Corona.

Der Frust über das aktuelle Verhältnis zu Europa ist groß. "Die Beziehungen zwischen Europa und Afrika waren niemals fair. Trotz Begriffen wie 'internationaler Zusammenarbeit' ist es ein ungleiches Verhältnis, bei dem Europa die Rolle des Mentors und Afrika die des Schülers einnimmt", sagt die nigerianische Forscherin Lynda Iroulo vom GIGA-Institut für Afrika-Studien. 

Viele afrikanische Politiker dürften das ähnlich sehen, ebenso Vertreter der Zivilgesellschaft. Laut einer aktuellen VENRO-Umfrage unter 221 Mitarbeitern afrikanischer Nichtregierungsorganisationen sagt die Hälfte, dass die Zusammenarbeit mit Europa nicht gut oder überhaupt nicht funktioniert.  

Elfenbeinküste | Gipfel AU und EU in Abidjan
Der letzte EU-Afrika Gipfel fand 2017 in der Elfenbeinküste stattBild: Reuters/L. Gnago

Konfliktthemen Handel und Migration

Ein Streitpunkt: die Wirtschaftsbeziehungen. Für Afrika ist die EU mit 31 Prozent  der Exporte und 29 Prozent der Importe einerseits wichtigster Handelspartner. Andererseits aber ist das Verhältnis extrem ungleich. Die europäischen Staaten importieren aus Afrika überwiegend Rohstoffe, exportieren gleichzeitig aber hochwertige Güter wie Industrieprodukte. So kommt Afrikas Wirtschaft kaum  aus der Abhängigkeitsspirale heraus.  

"Die einseitige Struktur kann nicht helfen, die Probleme des Kontinents zu beseitigen: Hohe Arbeitslosigkeit, ein großer informeller Sektor", sagt der deutsche Afrikawissenschaftler Robert Kappel, Autor einer aktuelle Studie zu den EU-Afrika-Beziehungen. 

Migration ist ein zweiter Streitpunkt. Die EU drängt afrikanische Länder, ihre Grenzen besser zu sichern. Die Regierungen sollen verhindern, dass illegale Migranten nach Europa kommen. Wer mitmacht, bekommt Geld und Ausrüstung aus Europa. "Das europäische Migrationssystem ist von seiner Struktur und seiner Ausführung darauf ausgelegt, Afrikaner auszuschließen", kritisiert die Forscherin Iroulo im DW-Interview.

Doch auf legalem Wege ist es für viele Afrikaner unmöglich, nach Europa zu kommen - außer für Fachkräfte, die Europa dringend braucht. Das ärgert viele afrikanische Regierungen. Denn gut ausbildete Rückkehrer sind wichtig für die Entwicklung der lokalen Wirtschaft, viele Familien leben von Geldtransfers der Verwandten im Ausland. 

Seenotrettung Mittelmeer
Migration ist ein wichtiges Thema in den Beziehungen zwischen Afrika und EuropaBild: AFP/P. Barrena

Wenig Enthusiasmus

Auch die neue EU-Afrikastrategie weckt in Afrika nur wenig Begeisterung. In fünf Bereichen will die EU mit Afrika stärker zusammenarbeiten: Grüne Wirtschaft, Digitalisierung, Nachhaltiges Wachstum und Jobs, Frieden und Sicherheit, Migration. "Wir würden uns wünschen, dass eine solche Strategie gemeinsam mit der Afrikanischen Union, der afrikanischen und der europäischen Zivilgesellschaft entwickelt wird. Das würde dann auch nicht so wahrgenommen wie ‘Die EU legt etwas vor und die Afrikaner können darauf noch einmal reagieren'", sagt VENRO-Vertreter Mogge.

Wird nun also 2021 das neue Afrikajahr? Chancen bieten sich durchaus, wenn der Gipfel wie geplant im Frühjahr stattfindet. Entscheidend ist aber, ob sich die Politiker beider Seiten bis dahin bei den Inhalten einigen. "Die Beziehungen zwischen Europa und Afrika brauchen kein 'Weiter so', sondern einen völligen Neustart", sagt Experte Kappel.