Ostkongo-Konflikt: Friedensprojekt Eisenbahn gescheitert
23. Januar 2025Die M23-Rebellen in der Demokratischen Republik Kongo sind auf dem Vormarsch: Am Dienstag nahmen sie die östliche Stadt Minova ein - und brachten damit eine der Hauptversorgungsrouten für die Provinzhauptstadt Goma unter ihre Kontrolle. Weitere Teile der Nord-Kivu-Provinz sind gefährdet.
Die Sicherheitslage in der Region verschlechtert sich durch die zunehmende Gebietskontrolle der Milizen. Die von den Tutsi angeführte M23-Gruppe kämpft seit 2022 erneut im Osten des Landes. Der Kongo und Experten der Vereinten Nationen werfen dem Nachbarland Ruanda vor, die Gruppe mit eigenen Truppen zu unterstützen. Ruanda streitet dies ab.
Friedensangebot gescheitert
Wie jetzt bekannt wurde, gab es ein Angebot seitens der scheidenden US-Regierung, das Kriegsgebiet im Ostkongo in ein umfassendes Infrastrukturprojekt einzubeziehen. Beiden Seiten des Konflikts sei der Vorschlag unterbreitet worden, den Osten zu stabilisieren und an der Entwicklung eines neuen Ablegers des Lobito-Korridors durch den Ostkongo zu arbeiten, sagte Molly Phee, bis dato stellvertretende Staatssekretärin für afrikanische Angelegenheiten, in einem Interview mit der Presseagentur AFP.
Der US-Regierung sei es darum gegangen, "positive Anreize" für eine Beilegung des Konflikts zu schaffen, sagte Phee. Ein gut ausgearbeiteter Rahmen liege vor. "Doch momentan scheint sich Ruanda davon entfernt zu haben." Ruandas Präsident Paul Kagame nahm nicht an den von Angola vermittelten Gesprächen zwischen den Staatschefs der Länder Kongo, Sambia und Tansania bei einem Besuch des damaligen US-Präsidenten Joe Biden in Angola im Dezember 2024 teil.
Der politische Analyst Alex Vines bezeichnet Bidens Äußerungen zum Ausbau des Lobito-Korridors in das unruhige Konfliktgebiet im Osten Kongos als "schlecht beratene Geste, die den Ruandern keine Erleichterung gebracht hat".
"Es ist nicht verwunderlich, dass Ruanda davon Abstand genommen hat, da es nicht daran interessiert ist, Handelsströme [über den Kongo zum Atlantik] umzulenken, die sonst durch Ruanda nach Ostafrika fließen würden", sagte der Leiter des Afrika-Programms der Londoner Denkfabrik Chatham House im DW-Interview.
Eisenbahntransport in Ostkongo ist "unsinnig"
Für Evans David Wala Chabala macht das auch "keinen Sinn", wie er im DW-Interview sagt. Denn wenn Kagame in den Konflikt im Osten der Demokratischen Republik Kongo verwickelt sei und von dort aus auf die Bergbauprodukte zugreife, werde er die Rohstoffe nicht über einen Transportkorridor befördern wollen, der die gesamte Länge der DRK durchquert.
Im Gegenteil: "Er will sie so schnell wie möglich aus dem Land herausbringen", so der ehemalige Vorstandsvorsitzende der sambischen Börsenaufsichtsbehörde und Mitarbeiter bei APRI - Africa Research Policy Private Institute.
Für Kagame ist es laut Chabala effizienter, die Tanzania Standard Gauge Railway für den Transport zu nutzen, die von Dar es Salaam am Indischen Ozean ins Landesinnere in die Hauptstadt Dodoma führe. Im Juni 2024 hatten die Regierungen beider Länder einem Ausbau des Schienenverkehrs von Isaka nach Kigali zugestimmt.
Der Handel mit wertvollen Rohstoffen in der Region wächst, so auch die Infrastruktur für den Transport. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass die Nachfrage nach Nickel und Kobalt zwischen 2020 und 2040 um das 20-fache, die nach Graphit um das 25-fache und die nach Lithium um das 40-fache steigen wird. Das schreibt Chabala in einem Bericht über den Lobito-Korridor für AGRI.
Dieser prognostizierte Nachfrageschub hat großes Interesse am Lobito-Korridor geweckt und damit ein unvermeidliches Gerangel um den Zugang ausgelöst. Die Demokratische Republik Kongo als weltgrößter Kobaltproduzent (Schätzungen gehen von rund 70 Prozent der Weltproduktion aus) befindet sich im Zentrum dieses Wettstreits, ebenso wie Sambia, das ebenfalls betroffen ist.
Der Lobito-Korridor umfasst eine 1300 Kilometer lange Eisenbahnstrecke vom Hafen Lobito an der angolanischen Atlantikküste bis zur Stadt Luau an der nordöstlichen Grenze Angolas zur Demokratischen Republik Kongo bis zur Bergbaustadt Kolwezi, in unmittelbarer Nähe des nordwestlichen Sambias.
Die Bahnlinie soll den Transport von Mineralien wie Kobalt und Kupfer beschleunigen und der chinesischen Einflussnahme in der Region entgegenwirken, so wollen es die europäischen und amerikanischen Vertragspartner, die in die Infrastruktur maßgeblich investieren. Denn China beherrscht den Bergbausektor in der Demokratischen Republik Kongo und Sambia.
Rohstoffe schnell aus dem Land bringen
Auch die Rohstoffhändler ziehen es laut Chabala vor, die gewonnenen Bodenschätze schnellstens aus dem Kongo nach Sambia zu transportieren, bevor sie sie über die Häfen aus Afrika hinaus befördern. Sobald die Ware die Grenzen Sambias erreicht, werden die Händler sogar erst bezahlt. Eine Erweiterung des Korridors von Kolwezi nach Sambia ist vorgesehen.
"Die Demokratische Republik Kongo ist bereits ein sehr unsicherer Ort, um dort Geschäfte zu machen", sagt Chabala. "Hinzu kommt, dass der Osten noch stärker verwüstet ist und sich 120 Gruppen um die Ressourcen dort streiten. "
Der Analyst hält den Plan der ehemaligen US-Regierung für nicht machbar, zumal die neue Regierung unter Donald Trump daran wohl kaum anknüpfen werde. Und Chabala geht noch einen Schritt weiter: Joe Biden habe diesen Vorschlag des Korridor-Ausbaus im Osten möglicherweise nur geäußert, weil er genau wusste, dass er sich in den letzten Wochen seiner Präsidentschaft befand und der Plan nach dieser Diskussion nicht mehr umgesetzt werde. Er bezweifelt, dass US-Diplomatin Phee davon ausging, ein realistisches Angebot auf den Tisch zu legen.