Kongo-Krise: Warum Ruanda die M23-Rebellen unterstützt
23. Februar 2024Die heftigen Kämpfe zwischen der kongolesischen Armee und den M23-Rebellen verschärfen die Sicherheitskrise im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Am Freitag appellierte das UN-Kinderhilfswerk UNICEF gemeinsam mit dem Welternährungsprogramm, dringendes Handeln sei nötig, um Kinder und Familien zu schützen, die in der Gewaltspirale gefangen seien. Mehr als 100.000 Zivilisten mussten in den letzten Tagen fliehen - aus Angst vor einem Vormarsch der M23, die bereits große Teile der Provinz Nordkivu rund um die Provinzhauptstadt Goma an der Grenze zu Ruanda kontrolliert.
Die M23 (Bewegung des 23. März) ist eine von weit über 100 bewaffneten Gruppen im rohstoffreichen Osten des Kongo. Beobachter sehen es lange als erwiesen an, dass die Gruppe von Ruanda unterstützt wird. 2012 hatte die M23 die strategisch wichtige Stadt Goma schon einmal kurzzeitig eingenommen, später galten die Rebellen nach einer militärischen Gegenoffensive und einem von Uganda vermittelten Abkommen mit der Regierung als besiegt, für zehn Jahre wurde es ruhig um die Gruppe.
Machtkampf zwischen Ruanda und Kongo
Die gesamte Region der Großen Seen ist in den vielschichtigen Konflikt im Kongo verwickelt. Aktuell verschärfen sich insbesondere Spannungen mit dem kleinen Nachbarland Ruanda, sagt Yvon Muya Cimanga von der School of Conflict Studies an der kanadischen Saint Paul University.
"Es besteht ernsthafte Sorge vor einer neuen militärischen Eskalation zwischen Ruanda und Kongo", so Muya im DW-Interview. "Wir erleben einen Machtkampf zwischen beiden Ländern: Kongo engagiert private Militärdienstleister und Ruanda benutzt hochentwickelte Waffen."
Die Regierung in Kinshasa wirft Ruanda vor, die M23-Rebellen zu unterstützen. Auch die Vereinten Nationen beschuldigen Ruanda, die M23-Rebellen zu finanzieren, auszubilden und auszurüsten.
M23 im Dienste der Interessen Ruandas
Ruanda hatte diese Vorwürfe immer wieder bestritten. Anfang dieser Woche wies Kigali allerdings Forderungen der USA nach einem Abzug seiner Truppen und Raketensysteme zurück. Die Regierung erklärte, die militärische Ausrüstung befinde sich im Osten der DRK, um Ruanda gegen die FDLR ("Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas") zu verteidigen.
Die FDLR ist eine bewaffnete Rebellengruppe, zu deren Mitgliedern mutmaßlich Täter des ruandischen Völkermords von 1994 gehören, bei dem fast eine Million Tutsi und gemäßigte Hutu von Hutu-Milizen getötet wurden. Viele von ihnen flohen später in den Kongo, um der Justiz in Ruanda zu entgehen.
"Die M23-Gruppe hat immer als Vehikel gedient, um ruandische Interessen im Ostkongo zu schützen", sagt Kristof Titeca, Konfliktforscher für Zentral- und Ostafrika an der Universität Antwerpen. Ruanda habe politische, sicherheitspolitische und wirtschaftliche Interessen im Kongo. "Ruanda sieht die FDLR als große Bedrohung für seine Sicherheit an", so Titeca zur DW. "Die kongolesische Armee kollaboriert mit der FDLR, das verärgert Kigali."
Kongos Gold: Einnahmequelle für Ruanda
Der formelle und informelle Handel zwischen der DR Kongo und Ruanda floriert, insbesondere mit Gold. "Gold ist eine wichtige Devisenquelle für Kigali, und ein Großteil davon kommt aus dem Ostkongo", sagt Titeca.
Aber es ist nicht nur sein Wert, der Gold in den Mittelpunkt der Kontroverse gerückt hat. Es nimmt einen wichtigen Platz im geopolitischen Wettbewerb zwischen Uganda, Ruanda und dem Kongo ein, wie Jason Stearns, Direktor der Congo Research Group, in einem Bericht schreibt.
Noch vor Beginn der aktuellen M23-Rebellion sei kongolesisches Gold Ruandas wichtigstes Exportgut gewesen, so Stearns. Lag der Anteil des Rohstoffs an Ruandas Exporten 2014 noch bei einem Prozent, stieg er bis 2020 auf 47 Prozent, betont der Experte, der sich auf Zahlen der Datenplattform Observatory of Economic Complexity (OEC) stützt. Ein ähnlicher Trend sei in Uganda zu beobachten.
Die Rolle Ugandas im Kongo
Dem Analysten Titeca zufolge betrachtet Ruanda Teile des Ostkongos als seine Einflusssphäre. Im November 2021 entsandte die ugandische Armee jedoch Truppen in den Osten der DR Kongo, um gemeinsam mit der kongolesischen Armee gegen die Rebellen der ADF (Allied Democratic Forces) vorzugehen.
Die ADF, eine historisch gesehen mehrheitlich ugandisch-muslimische Rebellenkoalition, wurde 1995 im Osten des Kongo gegründet und ist seit Jahren in den Grenzgebieten der beiden Länder aktiv. Die Intervention Ugandas habe das fragile regionale Gleichgewicht weiter gestört, sagt Titeca. "Das ist der Hauptgrund für das Wiederauftauchen der M23 Ende 2021."
Als die M23 kurz nach ihren großen Gebietsgewinnen 2013 von der Armee und alliierten Truppen niedergeschlagen wurde, flüchteten die Anführer der Bewegung nach Uganda und Ruanda, wie Titeca erklärt. Auch ein ausgehandeltes Friedensabkommen trug entscheidend dazu bei, die Gewalt im Ostkongo zu beenden. Doch die dort getroffenen Vereinbarungen, etwa die Integration der M23 in die kongolesische Armee, wurden bis heute nicht konsequent umgesetzt.
Die M23 wirft den Behörden auch vor, die FDLR-Rebellen nicht zu bekämpfen, obwohl diese eine Bedrohung für die kongolesischen Tutsi darstellten. "Das Wiedererstarken der M23 muss als Ausdruck der sich verschlechternden Beziehungen zwischen Kinshasa und Kigali gesehen werden", so Titeca.
Bemühungen um einen dauerhaften Frieden
Unterdessen gibt es auch Veruche, die Verhandlungswege auszuloten. So berief Angolas Präsident Joao Lourenco vergangene Woche einen Minigipfel am Sitz der Afrikanischen Union in Addis Abeba, um die Friedensbemühungen wiederzubeleben. Der kongolesische Präsident Felix Tshisekedi, der ruandische Präsident Paul Kagame und andere Staatschefs nahmen am Rande des AU-Gipfels daran teil.
Zurzeit scheinen die Friedensbemühungen laut Konfliktforscher Yvon Muya Cimanga keine Früchte zu tragen. Diplomatie brauche Zeit, sagt Muya der DW. Ihmzufolge könnte am Ende die Entwicklung in den Kampfgebieten einen Ausschlag geben: "Wenn es der M23 gelingt, die Zwei-Millionen-Stadt Goma einzunehmen, könnte das eine Wende bringen, weil die Regierung sich dann nicht länger weigern könnte, in einen Dialog einzutreten."
Die Vereinten Nationen beenden ihre 25-jährige Friedensmission (MONUSCO) im Ostkongo auf Wunsch von Präsident Felix Tshisekedi Ende 2024. Eine multinationale Truppe des südafrikanischen Regionalblocks (SADC) springt ein, doch Beobachtern zufolge könnte sie dadurch in einen direkten Konflikt mit Ruanda geraten.
Laut Kristof Titeca liegt der Schlüssel zur Lösung der Krise in Kigali. "Die USA haben einige Sanktionen gegen Einzelpersonen verhängt, aber Ruanda bleibt ein Liebling der Geber".
Ruanda ist nach wie vor ein wichtiger geopolitischer Akteur in der Region. Viele sehen das Land als Vorbild dafür, wie Geberhilfe umgesetzt werden sollte: Ruandas effizienter Gesundheitssektor wird oft als Beispiel angeführt. Ausländische Staaten zögerten sehr, Ruanda zu sanktionieren, sagt Titeca.
Einen Krieg zwischen Kongo und Ruanda hält Titeca jedoch für unwahrscheinlich - die Kosten wären zu hoch. "Außerdem hat die kongolesische Armee nicht den besten Ruf in Bezug auf Effizienz und Funktionalität."