Osmanenrocker: Von wegen "Box-Club"
10. Juli 2018Schwarzgekleidete Bodybuilder-Typen, die ebenso breit wie groß wirken, ballen ihre Fäuste, halten Pistolen und Pumpguns in die Kamera. Zum harten Beat rappt eine tiefe Stimme drohend "Wir übernehmen das ganze Land". Bis zum "letzten Tropfen Blut" kämpften "Krieger ohne Angst", immer bereit, "sich für ihre Brüder eine Kugel zu fangen". So martialisch und selbstbewusst präsentierten sich die "Osmanen Germania BC" bisher auf facebook und Youtube. Nun hat Innenminister Horst Seehofer die rockerähnliche Gruppe und ihre Teilorganisationen verboten. "Von dem Verein geht eine schwerwiegende Gefährdung für individuelle Rechtsgüter und die Allgemeinheit aus", erklärte das Ministerium in Berlin.
Bevor Seehofer das Verbot verkündete, liefen am Morgen bereits Durchsuchungsmaßnahmen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern und Hessen gegen Mitglieder der Vereinigung. Seit mindestens zwei Jahren ermitteln die Behörden gegen die 2015 in Hessen unter anderem von einem ehemaligen Hells-Angel-Rocker gegründete Gruppierung. Die meist türkisch-stämmigen Osmanen fielen auf, weil sie ihren Einflussbereich aggressiv ausdehnten. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen mit anderen Rockergruppen. Dabei wurden Rivalen verletzt - auch von versuchtem Totschlag ist die Rede.
Kriminelle mit Migrationshintergrund
Obwohl sie wie andere Rockergruppen Lederwesten mit Klub-Abzeichen tragen und nach Ortsgruppen, sogenannten Chaptern, hierarchisch strukturiert sind, bezeichnen sich die Osmanen als "Box-Club, der sich um Jugendliche kümmert." Dafür stünde das Kürzel BC hinter ihrem Klubnamen. Beim Verfassungsschutz gelten die Osmanen dagegen als eine Gruppe von Kriminellen mit Migrationshintergrund. Derzeit sind im Bundesgebiet 16 Chapter aktiv. Hauptsächlich in den Regionen Stuttgart, Frankfurt und Köln. Die Gesamtzahl der Mitglieder schätzt die Polizei auf 300. Die Rocker selbst sprechen von 2500 Mitgliedern in Deutschland, weltweit 3500. Sie sollen auch in der Türkei, Österreich, der Schweiz und Schweden Strukturen aufgebaut haben.
Mehrfach gab es Razzien gegen die Rocker, Im vergangenen März dieses Jahres hatten Sicherheitskräfte in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen rund 60 Objekte der Osmanen durchsucht, darunter Vereinsräume und Wohnungen. Mehr als eintausend Polizisten und Spezialkräfte waren im Einsatz. Ihr Ziel: die Sicherung von Beweisen organisierter Kriminalität und Hinweise auf die Organisationsstruktur der Osmanen. Die gewonnenen Erkenntnisse bildeten die Grundlage für das jetzige Verbot.
Kampfansage deutscher Sicherheitsbehörden
Die Razzia, bei der Datenträger, Schriftstücke, Waffen und Drogen sichergestellt wurden, war die deutliche Kampfansage deutscher Sicherheitsbehörden, die Macht- und Gebiets-Expansion der kriminellen Rocker nicht länger hinzunehmen. Zudem läuft in Stuttgart seit dem 26. März ein Prozess gegen acht mutmaßliche Mitglieder der Osmanen Germania BC, darunter drei, die zur weltweit höchsten Führungsebene gerechnet werden.
Ihnen wird unter anderem versuchter Mord, versuchter Totschlag, Erpressung, Zwangsprostitution und Zuhälterei vorgeworfen. Die Ermittlungen gegen die Osmanen haben auch eine brisante, politische Dimension: Das baden-württembergische Landeskriminalamt prüft nämlich seit längerem Hintergründe des Konflikts zwischen türkischen und kurdischen Rockern. Die Osmanen Germania gelten als Vertreter eines radikalen türkischen Nationalismus, was sie von anderen Rockergruppen in Deutschland unterscheidet.
Werden Osmanen aus der Türkei gesteuert?
Es würde untersucht, ob die Osmanen Germania "politisch vom Ausland gesteuert" würden, hatte der baden-württembergische Polizeichef Klaus Ziwey bereits Ende letzten Jahres in einer Pressekonferenz erklärt. "Deshalb haben wir zum ersten Mal auch den Staatsschutz bei den Ermittlungen gegen diese Gruppierung ins Boot geholt." Konkret geht es um Kontakte der Rocker zur Union Europäisch-Türkischer Demokraten. Die UETD gilt als inoffizielle Auslandsorganisation der konservativen AKP, der Partei des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
Ähnlich die Einschätzung des nordrhein-westfälischen Innenministeriums. In einem schriftlichen Bericht für den NRW-Innenausschuss, heißt es, die Osmanen hätten sich "politisch positioniert" und würden im Internet "türkisch-nationalistische, teilweise auch rechtsextremistische Ansichten" vertreten. Ausdruck dessen seien Kontakte zwischen führenden Rockern und "Vertretern der AKP beziehungsweise der türkischen Justiz."
Finanzhilfe für Rocker aus der Türkei
Weitere Details lieferte der Chef des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen, Burkhard Freier. In einem Interview mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen sagte er, die Organisation sei bei Demonstrationen, die die türkische Regierung unterstützten, "als eine Art Veranstaltungsschützer tätig." Ähnlich schwer wiegen die Vorwürfe des Innenministers des Bundeslandes, Herbert Reul. Er sprach im Landtag von Osmanen-Aktivitäten, die "sich auch gegen die PKK, linksextremistische Türken und die Gülen-Bewegung" richteten und von türkischen Behörden als "Terrorbekämpfung befürwortet" würden.
Gestützt werden diese Aussagen vom ZDF-Fernsehmagazin Frontal 21 und den Stuttgarter Nachrichten. Sie berichteten unter Berufung auf Abhör- und Observationsprotokolle deutscher Sicherheitsbehörden, dass ein AKP-Abgeordneter Geld an Führungskader der Osmanen übergeben ließ. Der Abgeordnete soll auch daran mitgewirkt haben, die Proteste gegen die Armenien-Resolution des Bundestages im vergangenen Jahr zu organisieren, an denen die Rocker beteiligt waren.