Olympia 2024: Novak Djokovic erfüllt sich Gold-Traum
4. August 2024Novak Djokovic konnte die Tränen nicht zurückhalten, als er auf der roten Asche auf die Knie sank und dann auf der Tribüne seine Tochter Tara und die restliche Familie umarmte. Zwei Jahrzehnte lang war der Serbe diesem Titel hinterhergelaufen. Olympiasieger, der einzige Erfolg, der in Djokovics außergewöhnlicher Vita bislang gefehlt hatte.
"Mein Karriere-Puzzle ist nun komplett", sagte Djokovic nach seinem Finalerfolg bei den Olympischen Spielen. "Ich bin super dankbar für den Segen, dieses historische Gold für mein Land gewonnen und den 'Golden Slam' komplettiert zu haben."
Sein Finalgegner Carlos Alcaraz hatte es ihm nicht einfach gemacht: Zweimal musste in einem hochklassigen und ausgeglichenen Match der Tiebreak entscheiden. Am Ende hieß es nach 2:50 Stunden 7:6 (7:3), 7:6 (7:2) für Djokovic.
Zwei Jahrzehnte Wartezeit
24 Titel bei den vier wichtigsten Tennis-Turnieren, den Grand-Slams in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York, hat Djokovic gewonnen. Das ist Rekord bei den Männern, bei den Frauen hat die Australierin Margaret Court ebenfalls 24 Major-Siege gesammelt. Bei Olympischen Spielen aber wollte es bislang nicht klappen, mit dem ganz großen Erfolg. 2008 in Peking bei seiner ersten Olympia-Teilnahme gewann Djokovic Bronze. 2012 verlor er im Halbfinale und unterlag auch im Bronze-Match.
2016 in Rio war bereits in der 1. Runde Schluss. 2021 in Tokio unterlag er im Halbfinale dem späteren Olympiasieger Alexander Zverev und konnte anschließend erneut das Match um Platz drei nicht gewinnen.
"Ich habe fast zwei Jahrzehnte lang auf diese Chance gewartet", hatte Djokovic in Paris vor seinem ersten Olympia-Finale gesagt. Wie groß der Druck bei dem 37-Jährigen war, der in vier Jahren in Los Angeles wahrscheinlich nicht mehr teilnehmen wird, zeigte sich dann nach dem gewonnenen Matchball.
Von einem Weinkrampf geschüttelt saß Djokovic auf seiner Bank und vergrub sein Gesicht in einem Handtuch. Fast ein wenig betreten stand eines der Ballkinder neben ihm und wartete darauf, dass er sich beruhigte, um ihm eine serbische Fahne zu reichen.
Djokovic war Zeit seiner bisherigen Karriere nie ein einfacher Profi und polarisierte oft. Seine Art wurde ihm oft als Arroganz ausgelegt, nicht selten zelebrierte er es regelrecht, wenn eine Arena eher seinen Gegner unterstützte. Djokovic gefiel sich in solchen Momenten als eine Art Einzelkämpfer: Er gegen alle.
Kein einfacher Charakter
Auch die Zusammenarbeit mit dem Profi war nicht immer einfach, wie einst auch Boris Becker erfahren musste. Der ehemalige Weltklasse-Tennisspieler aus Deutschland trainierte Djokovic ab Anfang 2014. Unter ihm feierte Djokovic in drei Jahren sechs Grand-Slam-Erfolge. Trotzdem kam im Dezember 2016 die überraschende Trennung - von Becker und dem gesamten Trainerstab.
Stattdessen ließ sich Djokovic anschließend von Ex-Tennisprofi und Mentaltrainer Pepe Imaz betreuen, einer Art Guru, der auf spirituelle Kräfte und die Macht der Liebe setzte. Es folgte die am wenigsten erfolgreiche Phase in Djokovics Karriere.
Während der Corona-Pandemie fiel Djokovic ebenfalls negativ auf: In Zeiten, in denen man versuchte, mit Isolation und Maskenpflicht die Verbreitung des Virus' einzudämmen, veranstaltete Djokovic von Juni bis Juli 2020 in Serbien die "Adria Tour" eine Turnierserie, bei der es keine Coronaregeln gab. Viele der Teilnehmer inklusive Djokovic infizierten sich.
Corona-Eklat in Australien
Geimpft war der Serbe nämlich nicht, wie er offen zugab: "Ich bin persönlich gegen Impfungen und ich will nicht von jemandem dazu gezwungen werden, damit ich reisen kann", sagte er im Frühjahr 2020. Anderthalb Jahre später wurde ihm das zum Verhängnis, als er ungeimpft, aber genesen mit einer Ausnahmegenehmigung bei den Australian Open 2022 antreten wollte.
Wegen falscher Angaben in seinem Einreiseformular über eine neuerliche Infektion und Reisen kurz vor dem Turnier wurde Djokovic schließlich von Australiens Einwanderungsminister Alex Hawke die Einreise verweigert. Der Federal Court of Australia bestätigte die Entscheidung und Djokovic musste abreisen. Er war einmal mehr der Buhmann und Ziel harter Kritik von Impfbefürwortern.
Dabei wollte Djokovic eigentlich immer nur eines: von allen geliebt werden. Mit seinem verbissenen Kampf, dieses Ziel zu erreichen, verursachte er aber oft das Gegenteil. Erst in den letzten Jahren hat er offenbar verstanden, dass man diese Liebe nicht erzwingen kann. Seitdem scheinen ihm die Herzen der Fans leichter zuzufliegen.
So war es zuletzt nach seiner Niederlage nach dem verlorenen Finale von Wimbledon gegen Alcaraz, als er für seine Rede während der Siegerehrung viel Beifall und Zuspruch bekam. So war es auch jetzt, bei seinem Olympiasieg, als das Pariser Publikum, dass während seiner vielen Auftritte bei den French Open nicht immer auf Djokovics Seite war, live miterleben konnte, wie die harte Schale des Serben knackte und er von seinen Gefühlen übermannt in Tränen ausbrach.
War es das jetzt?
Nun ist Djokovic der fünfte Tennisprofi, der in seiner Karriere alle vier Grand-Slam-Turniere und das olympische Finale gewonnen hat. Zuvor hatten das bisher Andre Agassi, Rafael Nadal, Steffi Graf und Serena Williams geschafft - lediglich Graf gelang dieser "Golden Slam" 1988 in einem Jahr. Was soll nun noch kommen?
"Manche einer meiner Teammitglieder haben schon solche Andeutungen gemacht und gefragt: War's das jetzt?", gab Djokovic nach seinem Olympia-Erfolg lachend zu. "Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Jetzt will ich erstmal feiern und dann denke ich über die Zukunft nach.