Olivenbäume in Gefahr: Dürre in Spanien treibt Preise
8. Mai 2023"Herr, schick uns Wasser!" Die Bitte von Sebastián Chico, Bischof in der südspanischen Provinzhauptstadt Jaén, blieb bisher ungehört. Chico führte dieser Tage eine Prozession an, die sich von der Kathedrale durch Jaén bewegte. Viele Olivenbauern aus der Region nahmen an diesem religiösen Umzug teil, in dem die Menschen den Himmel um Regen baten.
Auch am Tag der Prozession brannte die Sonne auf die Olivenhaine der Umgebung. Seit Monaten gab es in der Provinz Jaén keine Niederschläge. Wenn nicht bald das erhoffte Wasserwunder eintritt, drohen schon das zweite Jahr in Folge riesige Ernteausfälle. Eine Katastrophe für die Bauern, die auch die Verbraucher zu spüren bekommen: Die ohnehin schon sehr hohen Preise für das Olivenöl werden weiter steigen.
"Ohne Wasser gibt es keine Oliven. Und ohne Oliven leidet die Provinz", predigt Bischof Chico. "Unsere Wirtschaft hängt von der Olivenproduktion ab." 66 Millionen Olivenbäume stehen im Hügelland Jaéns. In der Provinz leben 630.000 Menschen. Die Region ist das wichtigste Olivenanbaugebiet der Welt. Hier wird das Olivenöl für weite Teile Europas produziert.
Wasser für Menschen und Touristen, aber kaum für Pflanzen
Doch die Meteorologen haben keine guten Nachrichten für die Bauern. Spaniens Wassermangel, der nicht nur Jaéns Olivenfarmer, sondern weite Teile der spanischen Landwirtschaft in Bedrängnis bringt, wird vermutlich noch länger anhalten: Massive Regenfälle sind bis zum Herbst unwahrscheinlich, verkündet das staatliche Wetteramt Aemet. Klimaforscher warnen, dass sich Spanien auch langfristig auf höhere Temperaturen und weniger Niederschläge einstellen muss.
Jaéns Wasserdrama spiegelt sich in den Talsperren im Hinterland: Die Stauseen sind, jetzt im Frühjahr, nur noch zu 25 Prozent gefüllt. Das reicht zwar, um die Bevölkerung und die Touristen mit Trinkwasser zu versorgen. Aber für die Bauern wurde das Wasser, das sie dringend zur Rettung ihrer Olivenfelder brauchen, rationiert - sie bekommen lediglich ein Viertel der normalen Menge.
Selbst hitzeresistente Olivenbäume sind in Gefahr
"Die Situation ist katastrophal", sagt Juan Luis Ávila, Olivenbauer in Jaén. "In diesem Jahr ist nicht nur die Ernte in Gefahr, sondern die Zukunft der Olivenplantagen." Mehrere Hitzewellen in den letzten Wochen mit Spitzenwerten von nahezu 40 Grad hätten die weißen Blüten vieler Olivenbäume buchstäblich verbrannt. Ein Großteil der Olivenernte, die normalerweise von November bis Februar eingeholt wird, sei bereits verloren. So schlimm sei es noch nie gewesen.
"Der Olivenbaum kann zwar sehr hohe Temperaturen ertragen – aber nur, wenn er genügend Wasser kommt", erklärt Ávila, der beim Bauernverband COAG auch Sprecher für die Olivenbranche ist. Wenn es jedoch extremen Wassermangel gebe, habe der Baum keine Kraft, um gesunde Früchte zu bilden.
Schon die vergangene Saison ist schlecht gewesen. Regendefizit und Hitzewellen machten sich bereits 2022 bemerkbar - es war in Spanien das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. "Ich habe 70 Prozent weniger geerntet als in früheren Jahren", sagt Ávila. Doch in der kommenden Saison werde es wohl noch weniger Erträge geben.
Auch andere Länder leiden unter Dürre
So wie Ávila geht es den meisten spanischen Olivenbauern. In der Erntesaison 2021/22 produzierte Spanien noch nahezu 1,5 Millionen Tonnen Olivenöl. In 2022/23 waren es nur noch 680.000 Tonnen - weniger als die Hälfte. Im Erntejahr 2023/24 könnte es, wenn sich die düsteren Vorhersagen erfüllen, erneut große Einbußen geben.
Doch nicht nur in Spanien verursacht diese Jahrhundertdürre gigantische Ernteschäden in Milliardenhöhe. Bei den Olivenbauern in Portugal und Italien sieht es nicht besser aus. Dies setzt die Olivenölpreise auf dem europäischen Markt zusätzlich unter Druck.
Laut EU-Statistik produzierten Europas Landwirte in 2021/22 knapp 2,3 Millionen Tonnen Olivenöl. 2022/23 waren es nur knapp 1,4 Millionen Tonnen. Dass die Ernteausfälle im europäischen Olivensektor nicht noch größer ausfielen, ist Griechenland zu verdanken, wo der Wassermangel bisher weniger spürbar ist. Griechenland konnte in der letzten Erntesaison als einziges europäisches Produktionsland seine Olivenölproduktion erhöhen.
Wassermangel treibt Lebensmittelpreise
Die vertrocknenden Olivenplantagen lassen die Preise für das goldgrüne Speiseöl in Rekordhöhen steigen: Laut EU-Erhebung kostet Olivenöl im europäischen Mittel heute gut 50 Prozent mehr als vor zwölf Monaten. Womit das Öl, das unverzichtbarer Bestandteil der berühmten mediterranen Diät ist, zum Luxusgut zu werden droht.
"Der Kostenschock beim Olivenöl ist ein Beleg dafür, dass die Dürre zum Anstieg der Lebensmittelpreise führt", schreibt Spaniens größte Tageszeitung "El País". Nach den letzten vorliegenden Daten (vom März 2023) stiegen die spanischen Lebensmittelpreise innerhalb von zwölf Monaten um 16,5 Prozent – EU-weit sogar um 19,2 Prozent. Wird aus der Klimakrise demnächst eine Lebensmittelkrise?
Einige spanische Fabrikanten zeigen sich in der Krise erfinderisch und haben ein neues Produkt kreiert: Sie mischen das kostbare Olivenöl mit sehr viel günstigerem Sonnenblumenöl und verkaufen diese Mischung zum Schnäppchenpreis. Dass es sich bei diesem Produkt, das mit leuchtend grünen Oliven auf dem Etikett wirbt, um einen Verschnitt handelt, wird aber nur klar, wenn man das Kleingedruckte liest.