"Oh Yeah!" - 90 Jahre Popmusik in Deutschland
15. März 2018Spaß und Protest, Hedonismus und Politik: Der Bandbreite von Musik sind nahezu keine Grenzen gesetzt. Entsprechend präsentieren sich seit Donnerstag (15. März) Exponate von Marlene Dietrich über Pur und Ton Steine Scherben bis hin zu den Fantastischen Vier im Museum für Kommunikation in Berlin.
Die Schau beginnt in den 1920er Jahren. Das ist zum einen auf die damals beginnende Verbreitung des neuen Mediums Radio zurückzuführen. "Außerdem hielten das Grammophon und die Schellack-Platte Einzug in die Wohnzimmer", sagte Jan Christoph Greim im Gespräch mit der DW. Dadurch sei es zum ersten Mal möglich gewesen, Musik individuell zu hören und zu sammeln. Greim hat die Ausstellung mit rund 200 Objekten und mehr als acht Stunden Sound- und Videomaterial kuratiert.
Hören und sehen
Dabei sei es auch darum gegangen, die fünf geplanten Standorte der Wanderausstellung besonders zu würdigen. In Frankfurt, wo die Ausstellung bereits zu sehen war, gelang das über die Präsentation des Soldatensenders AFN, der in der Besatzungszone den American Way of Life transportierte. In die Werke von 140 Interpreten können die Besucher über Kopfhörer eintauchen, dazu präsentiert die Ausstellung Plakate und Plattencover, das Subversive ebenso wie den Mainstream. Zu den weiteren Exponaten zählen ein Bühnenanzug von James Last und ein Seesack von Elvis Presley, in dem die Fanpost des "King" ins deutsche Bad Nauheim geschickt wurde, wo Presley als GI stationiert war.
Kurator Greim schwärmt von den 1920er Jahren ebenso wie von der Entwicklung der Popmusik im Nachkriegsdeutschland. "In den 20er Jahren ging es auch um die Revolution der Frau, die plötzlich ausging und öffentlich rauchte und trank. Mit Kokain gab es außerdem die erste Modedroge." Am Beispiel der Gesangsgruppe Comedian Harmonists zeigt die Schau, wie die Nationalsozialisten mit "arischen und "nichtarischen" Künstlern umsprangen.
Tiefe Einblicke
"Spannend ist auch die Nachkriegszeit", sagt Greim. Damals schwappten Elvis und der Rock 'n' Roll nach Deutschland, später die Beatles, die deutschen Bands wie den Lords in der Bundesrepublik und den Sputniks in der DDR als Vorbild dienten. 1965 kam mit dem Beat-Club die erste Jugendmusik-Sendung ins deutsche Fernsehen. Auch der deutsche Komponist und musikalische Vordenker Karlheinz Stockhausen erhält in der Ausstellung eine Würdigung. Stockhausen gilt als einer der Pioniere der Elektronischen Musik. Sein Werk hat Ikonen des Pop wie Frank Zappa oder Kraftwerk sehr beeinflusst. Von manchen seiner Bewunderer wird er sogar als Vater des Techno gesehen.
"Oh Yeah!" zeigt aber auch, wie Musikstile, die ihren Ursprung in Protest- und Jugendkulturen haben, an Kraft verlieren, wenn der kommerzielle Erfolg sie einholt. "Die Neue Deutsche Welle ging an ihrer eigenen Popularität zugrunde", sagt Kurator Jan Christoph Greim. Als die Plattenfirmen merkten, dass hier Geld zu verdienen war, schufen sie Retorten-Bands. "Diese inflationäre Entwicklung hat die NDW nicht überlebt."
Die Schau, die ihren Ursprung in Bern hat, wo das dortige Museum für Kommunikation die Popmusik in der Schweiz thematisiert hat, ist noch bis zum 16. September 2018 in Berlin zu sehen. Anschließend gastiert sie in Leipzig und Stuttgart.