Feldzug gegen undichte Stellen
17. August 2013Die Regierung Obama geht seit etwa vier Jahren hart gegen undichte Stellen im Regierungsapparat vor und nutzt dafür ein Anti-Spionage-Gesetz, den Espionage Act. In sieben Fällen sind bereits Klagen anhängig nach dem fast 100 Jahre alten Gesetz - das sind deutlich mehr, als unter allen vorherigen Präsidenten zusammengenommen.
Erster großer Whistleblower-Prozess
Ende Juli wurde der Wikileaks-Informant Bradley Manning nach dem Espionage Act verurteilt. Manning hat der Internet-Enthüllungsplattform im größten Geheimnisverrat der US-Geschichte etwa 700.000 geheime Depeschen und Dokumente zugespielt. Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden, der die Presse über geheime Überwachungsprogramme der NSA informierte, ist ebenfalls auf Grundlage des Espionage Acts angeklagt.
Durch das Gesetz aus dem Jahre 1917 wird die Weitergabe von verteidigungsrelevanten Informationen, die den USA schaden oder einer fremden Nation oder unautorisierten Personen einen Vorteil verschaffen könnten, unter Strafe gestellt.
Das Gesetz unterscheide nicht zwischen Spionage ausländischer Agenten und Enthüllungen von Geheiminformationen gegenüber der Presse, meint Stephen Vladeck. "Der Espionage Act ist nun mal das Gesetz, das am effektivsten greift, wenn jemand unrechtmäßig geheime Informationen an andere weitergibt", erklärt der Rechtsexperte für nationale Sicherheit gegenüber der DW. "Ob Leck, Whistleblowing oder klassische Spionage - das Gesetz behandelt alle drei als gleichrangige Straftaten. Daher stützt sich die Regierung verständlicherweise in solchen Fällen auf dieses Gesetz."
Ursprung im Ersten Weltkrieg
Am 03. Februar 1917, nur zwei Tage nachdem Präsident Woodrow Wilson den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zum Deutschen Reich bekannt gegeben hatte, wurde das Gesetz dem US-Kongress vorgelegt. Als Reaktion auf die wachsende Sorge über deutsche Sabotageaktivitäten auf amerikanischem Boden hatte Justizminister Thomas Watt Gregory bereits zwei Jahre zuvor eine Verschärfung der Bundesgesetze gegen ausländische Spione empfohlen.
Im Sommer 1915 gab es mehrere Anschläge auf Munitionsdepots entlang der Atlantikküste und auf Schiffe, die mit Kriegsmaterial für die Alliierten in Europa aus US-Häfen ausliefen. Im September wurden die beiden Deutschen Robert Fay und Walter Scholz festgenommen, nachdem sie versucht hatten, Sprengstoff in New York zu kaufen und in den Wäldern Jerseys Bomben getestet hatten. Fay wurde wegen Verschwörung angeklagt und später zu acht Jahren Haft verurteilt.
Drakonische Klausel
Ein früher Entwurf des Espionage Act enthielt eine Pressezensur-Klausel, aber der gesamte medienbezogene Teil des Entwurfs scheiterte letztlich im Senat. Die Sorge um eine Zensur der Presse blieb allerdings bestehen, erklärt die Direktorin des Government Accountability Project (GAP), Beatrice Edwards, gegenüber der DW.
Unter der Überschrift "Marine wusste von japanischem Angriffsplan auf See" berichtete 1942 die Chicago Tribune auf der Titelseite über die Schlacht um Midway. Laut Zeitung kannte die US-Marine bereits vor der Schlacht Stärke und Position der japanischen Flotte. Der Artikel beschrieb präzise die japanische Streitmacht, sogar die Namen der Schiffe. Im Grunde genommen ließ der Artikel durchblicken, dass Washington die japanischen Marinecodes entziffert hatte.
Auf der Grundlage des Espionage Acts ging Washington zunächst gegen die Chicagoer Tageszeitung vor. Dann jedoch siegte die Sorge, vor Gericht weitere geheime Informationen preisgeben zu müssen, um die Anschuldigungen zu beweisen - und der Fall wurde nicht weiter verfolgt.
Drei Jahrzehnte später versuchte die Regierung Nixon, Daniel Ellsberg und Anthony Russo wegen der Weitergabe der "Pentagon Papiere" - geheime Dokumente zum Vietnamkrieg - an die New York Times nach dem Espionage Act zu verurteilen. 1973 wurde das Verfahren wegen juristischer Verfahrensfehler eingestellt.
Obamas Vorgehen gegen Geheimnisverrat
Aktuell geht es um sieben Fälle gegen Regierungsangestellte, die angeblich geheime Informationen an die Presse weitergaben.
"Als Regierungsangestellte seien Whistleblower kaum vom ersten Verfassungszusatz geschützt", meint Rechtsexperte Vladeck. Der Zusatz könne Dritte, die solche Information erhalten oder an andere weitergeben, vor strafrechtlicher Verfolgung schützen, erklärt Vladek, aber wenn sich Regierungsangestellte als solche äußern, seien sie nur geringfügig gedeckt.
Angeblich existieren interne Kanäle für Regierungsangestellte, die Verschwendung, Betrug oder Missbrauch melden wollen. Allerdings hätten das Verteidigungsministerium und die NSA in der Vergangenheit die Vertraulichkeit der Informanten verletzt und sie "jahrelang gehässigen Repressalien ausgesetzt", meint Edwards. Auch Edward Snowden habe gewusst "was mit Whistleblowern geschieht, wenn sie interne Kanäle benutzen."
Vergangene Woche gab Präsident Obama eine neue Direktive zum Schutz
von Whistleblowern mit Zugang zu Geheiminformationen bekannt. "Die Schutzbestimmungen der Direktive sind noch nicht in Kraft getreten und daher auch noch nicht einklagbar", stellt Edwards fest. "Sie stehen zwar auf dem Papier, aber Edward Snowden hätte sie noch nicht zu seinem Schutz nutzen können."