Nuland und die Sprache der Diplomatie
8. Februar 2014Es waren nicht gerade sanfte Töne der Diplomatie, die Victoria Nuland, beim US-Außenministerium für die Europapolitik zuständig, in diesem Telefonat wählte. "Fuck the EU" sagte sie zu ihrem Kollegen, dem amerikanischen Botschafter in Kiew, Geoffrey Pyatt.
In dem Gespräch ging es um das weitere Vorgehen der USA beim Konflikt in der Ukraine. Nuland schlug dem Botschafter vor, dass die USA die Vereinten Nationen stärker ins Spiel bringen sollten. Und dann fiel der beleidigende Satz.
Regierung, Geheimdienst oder Hacker?
Dass diese Worte jemals an die Öffentlichkeit kommen würden, damit konnte Nuland nicht rechnen. Ein User mit dem Namen "Re Post" stellte einen Clip des vertraulichen Gesprächs auf YouTube. Woher der Mitschnitt stammt und wer hinter der Veröffentlichung steht, darüber kann bislang nur spekuliert werden.
Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki, äußerte gegenüber Journalisten die Vermutung, dass Russland hinter dem Mitschnitt steht. Auch für Olaf Böhnke, Büroleiter der deutschen Vertretung des European Council on Foreign Relations, ist das eine plausible Möglichkeit. "Von der Veröffentlichung profitieren Putin und Janukowitsch." Daraus ließen sich Rückschlüsse darauf ziehen, wer den Mitschnitt in Umlauf gebracht hat. "Ob es die Regierung selber war, ob es der russische Geheimdienst FSB war, oder, was es in Russland auch gibt, instrumentalisierte Hacker, das ist natürlich offen. Aber ich vermute, dass es aus diesem Umfeld kommt."
Der gleiche YouTube-Nutzer veröffentlichte auch den Mitschnitt eines Telefonats in deutscher Sprache zwischen der EU-Diplomatin Helga Schmidt und dem Botschafter der EU in Kiew, Jan Tombinski. In dem Gespräch kritisiert Schmid, dass die US-Amerikaner bei Journalisten gegen eine zu weiche Haltung der EU gegenüber der Ukraine Stimmung machen würden.
Belastetes Verhältnis
Für Böhnke ist klar, dass durch die Veröffentlichung der Telefonate ein Keil zwischen die EU und die USA getrieben werden soll. Andererseits sei damit auch der Hinweis an die USA verbunden: Euer Geheimdienst ist nicht der einzige, der in der Lage ist, Telefonate hochrangiger Regierungsmitgliedern abzuhören.
Das Verhältnis zwischen Washington und Berlin gilt nicht zuletzt wegen der NSA-Affäre zurzeit als belastet. Nur so sei es zu verstehen, vermutet Böhnke, dass Angela Merkel zunächst in ungewöhnlich scharfer Form auf die Äußerung von Nuland reagiert hat. Über ihre Sprecherin ließ die Kanzlerin verlauten, dass dieser Satz "absolut unakzeptabel" sei. Später betonte Merkel allerdings wieder, die EU und die USA verfolgten in der Ukraine-Politik "absolut die gleichen Ziele", was die Bürgerrechte und die Demokratie anbelange.
Merkels Parteifreund Elmar Brok, Chef des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments, sagte am Samstag (08.02.2014) der Zeitung "Die Welt": "Der Trick, Amerikaner und Europäer jetzt durch abgehörte Telefonate aufeinanderzuhetzen, ist die alte russische Art der Desinformationspolitik. Darauf dürfen wir jetzt nicht reinfallen. Die EU muss besonnen reagieren, auch wenn es einen gewissen Ärger über die Äußerungen der hohen US-Diplomatin gibt."
Herausforderung für die Diplomatie
Nuland hat sich inzwischen für ihre Äußerung entschuldigt. Neben der Beleidigung in Richtung Europa geht aus dem abgehörten Gespräch aber auch hervor, wie direkt die USA versuchen, hinter den Kulissen in der Ukraine die Strippen zu ziehen. Darin wurde auch darüber gesprochen, welcher Kandidat der Opposition in die Regierung gehen sollte und welcher nicht, und wie die USA darauf hinwirken könnten, dass sich die eigenen Vorstellungen durchsetzen lassen.
Zukünftig müsse man sich vermehrt darauf einstellen, dass durch die Veröffentlichung abgehörter Telefonate gezielt Stimmung gemacht werde, meint Olaf Böhnke. Für Diplomaten und Geheimdienste sei das eine große Herausforderung. "Ich hoffe, dass es nicht dazu führt, dass wir ein Aufrüsten in diesem Bereich bekommen und dies ein probates Mittel wird, die andere Seite zu diskreditieren."